Pressemitteilung Nr. 40 | 22. September 2023

DFG fördert acht neue Forschungsgruppen

Themen reichen von der Erforschung von Toleranz über Transiente Siebe bis hin zur Epigenetik von Blasenkrebs / Insgesamt rund 35,5 Millionen Euro für erste Förderperiode

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet acht neue Forschungsgruppen ein. Das hat der Hauptausschuss der DFG auf Empfehlung des Senats beschlossen. Die neuen Forschungsgruppen erhalten insgesamt rund 35,5 Millionen Euro inklusive einer 22-prozentigen Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Projekten. Zusätzlich zu den acht Neueinrichtungen wurde die Verlängerung von drei Forschungsgruppen und einer Kolleg-Forschungsgruppe für eine zweite Förderperiode beschlossen. Eine der neu eingerichteten Forschungsgruppen wird im Rahmen der D-A-CH-Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördert.

Forschungsgruppen ermöglichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sich aktuellen und drängenden Fragen ihrer Fachgebiete zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren. Sie werden bis zu acht Jahre lang gefördert. Im Ganzen fördert die DFG zurzeit 190 Forschungsgruppen, 12 Klinische Forschungsgruppen und 19 Kolleg-Forschungsgruppen. Klinische Forschungsgruppen sind zusätzlich durch die enge Verknüpfung von wissenschaftlicher und klinischer Arbeit charakterisiert, während Kolleg-Forschungsgruppen speziell auf geistes- und sozialwissenschaftliche Arbeitsformen zugeschnitten sind.

Die neuen Verbünde im Einzelnen
(in alphabetischer Reihenfolge der Hochschulen der Sprecherinnen und Sprecher):

Bei der Bildung eines Tumors verändert Körpergewebe seine Form, wechselt zum Beispiel zwischen harten und flüssigen Zuständen. Hierfür üben Zellen Kräfte aus und werden gleichzeitig von Kräften beeinflusst. Welche mechanisch-physikalischen Prozesse dahinterstecken, untersucht die Forschungsgruppe „Multiskalen-MR-Elastographie bei Krebs zur Erforschung der mechanischen Nische der Tumorbildung und Metastasierung für eine verbesserte Tumordiagnostik“. Wie entwickeln sich Tumoren und Metastasen? Was lässt sie therapieresistent werden? Diesen Fragen geht das Team nach und nutzt dabei die Magnetresonanz-Elastographie (MRE) – ein neues klinisches Verfahren, mit dem sich die mechanischen Eigenschaften von Körpergewebe erfassen lassen. Ziel ist es, Tumoren besser diagnostizieren zu können. (Sprecher: Professor Dr. Ingolf Sack, Charité – Universitätsmedizin Berlin)

Winzig kleine Flüssigkeitsfilme, die aus Öl und Wasser bestehen, sind für eine Vielzahl industrieller Anwendungen relevant, so etwa für den energieeffizienten Einsatz von Wärmepumpen oder Kälteanlagen. Mehr über diese Art von Strömungen herauszufinden, ist das Ziel der Forschungsgruppe „Öl-Kältemittel-Mehrphasenströmungen in Spalten mit bewegten Berandungen – Neuartige mikroskopische und makroskopische Ansätze für Experiment, Modellierung und Simulation“. Dazu schlagen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Brücke zwischen der Strömungsmechanik und der Thermodynamik und verbinden hochauflösende bildgebende Experimente mit modernen Simulationen. Eines ihrer Ziele ist es, neue Modelle zu entwickeln, mit denen sich die thermo-physikalischen Eigenschaften flüssiger Gemische darstellen lassen. Darüber hinaus arbeiten sie an neuen Berechnungsansätzen für Öl-Kältemittel-Mehrphasenströmungen. (Sprecher: Professor Dr.-Ing. Markus Richter, TU Chemnitz)

Die Forschungsgruppe „Transiente Siebe“ beschäftigt sich damit, Stoffe zu trennen, die sich in einer Flüssigkeit befinden – entweder im gelösten oder „schwebenden“ Zustand. Ziel ist es, die Grundlagen für ein neues Konzept der Stofftrennung zu erarbeiten. Die Besonderheit des neuen Verfahrens ist, dass transiente, also „vorübergehende“ Poren zum Sieben genutzt werden. Das bedeutet: Die Poren eines transienten Siebes verändern ihre Eigenschaften, während der Stoff durchtritt. Solche Trennprozesse können viele Vorteile gegenüber herkömmlichen Verfahren haben, unter anderem zeichnen sie sich durch einen verbesserten Stromverbrauch aus. Das kann zukünftig für verschiedene Anwendungen nützlich sein, zum Beispiel wenn es darum geht, Antibiotikarückstände aus dem Abwasser zu filtern. (Sprecher: Professor Dr. Steffen Hardt, TU Darmstadt)

Wie setzen sich Zellen zu Geweben zusammen und halten diese aufrecht? Das möchte die Forschungsgruppe „Entschlüsselung der Rolle der primären Ziliendynamik in der Gewebeorganisation und -funktion“ herausfinden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler richten ihren Blick dabei auf die Primären Zilien – Zellbestandteile, die aus der Oberfläche von Zellen herausragen, Signale wahrnehmen und weiterleiten. Sie spielen eine zentrale Rolle für die Entwicklung und Organisation von Geweben im gesunden und kranken Zustand. Um ihrer Funktionsweise genauer auf die Spur zu kommen, vereint die Forschungsgruppe Fachleute aus der Zell- und Entwicklungsbiologie, der Biophysik und -chemie sowie der Medizin. Gemeinsam untersuchen sie Zilien in unterschiedlichen Zelltypen mit verschiedenen Methoden und Modellen. (Sprecher: Professor Dr. Jay Gopalakrishnan, Universität Düsseldorf)

Wenn Menschen altern, kann es dazu kommen, dass Klone mutierter Blutzellen wachsen – ein Prozess, der mit schwerwiegenden Krankheitsfolgen einhergehen kann, zum Beispiel mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder einer krankhaften Vermehrung von Blutzellen wie bei der Leukämie. Welche biologischen Vorgänge liegen dem zugrunde? Das untersucht die Forschungsgruppe „Klonale Hämatopoese: Pathomechanismen und klinische Konsequenzen im Herzen und Blut“. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Grundlagenforschung und Klinik möchten gemeinsam verstehen, wie genau der Prozess verläuft und wie er mit verschiedenen Krankheiten zusammenhängt. Ziel ist es, die neuen Erkenntnisse für therapeutische Anwendungen nutzen zu können. (Sprecher: Professor Dr. Michael Rieger, Universität Frankfurt am Main)

Enzyme beschleunigen in Organismen chemische Reaktionen – und sind aufgrund dieser katalytischen Fähigkeit auch bei der Herstellung neuer Stoffe, zum Beispiel Arzneimittel, interessant. Die Verfahren mithilfe von Enzymen haben eine Reihe von Vorteilen, unter anderem ermöglichen sie häufig chemische Umsetzungen, die sonst nur mit erheblich höherem Aufwand zu realisieren sind. Neue Potenziale der enzymatischen Katalyse will die Forschungsgruppe „Erschließung des Potenzials S-Adenosylmethionin-abhängiger Enzymchemie“ eröffnen. Sie konzentriert sich dabei auf eine bestimmte Gruppe von Enzymen – solche, die nur mit dem „Hilfsmolekül“ S-Adenosylmethionin funktionieren. Wie arbeitet diese Gruppe von Enzymen in biologischen Systemen? Wie laufen die katalytischen Mechanismen ab, und wie lassen sich diese nutzen? Fragen, die die Forschungsgruppe beantworten will. Sie wird im Rahmen der D-A-CH-Zusammenarbeit gemeinsam mit dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördert. (Sprecherin: Professorin Dr. Jennifer Andexer, Universität Freiburg)

Mehr als 30 000 Menschen erkranken in Deutschland jedes Jahr an Blasenkrebs. Welche biologischen Mechanismen dem zugrunde liegen, ist jedoch noch weitestgehend unbekannt. Fest steht: Es sind besondere epigenetische Veränderungen, die mit der Tumorbildung einhergehen – also Veränderungen der Genaktivität aufgrund von Umwelteinflüssen. Wie genau diese Mutationen beeinflussen, dass sich Blasentumore entwickeln und die Krankheit fortschreitet, möchte die Forschungsgruppe „UcarE – Urothelkarzinom Epigenetik“ herausfinden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstellen unter anderem eine Biobank, in der sie 3-D-Zellkulturen von Tumoren und deren molekulare und genetische Analysedaten sammeln. Aufbauend darauf sollen Therapien entwickelt werden, die personalisiert auf Blasenkrebspatientinnen und -patienten abgestimmt sind. (Sprecher: Professor Dr. Ian Frew, Universität Freiburg)

Toleranz gilt als wichtiger Wert in der Gesellschaft, und dennoch gibt es viele Konzepte unter diesem Begriff. Die Forschungsgruppe „Die Schwierigkeit und Möglichkeit von Toleranz: Die vielfältigen Herausforderungen des Konzepts und der Praxis von Toleranz“ möchte Toleranz anhand des in der Sozialpsychologie etablierten Ablehnung-Respekt-Modells untersuchen. Damit ist es unter anderem möglich, (In-)Toleranz gegenüber anderen sozialen Gruppen, Religionen und Kulturen zu messen und aufzuzeigen, was zu einer Toleranzsteigerung führen kann. Das Team möchte das Modell auf den Prüfstand stellen und auf Basis der neuen Erkenntnisse weiterentwickeln, überarbeiten oder gar ersetzen. Ziel ist die Erarbeitung eines robusten, interdisziplinären Rahmenwerks zum Verständnis von Toleranz in pluralen Gesellschaften. (Sprecher: Professor Dr. Bernd Simon, Universität Kiel)

Die für eine zweite Förderperiode verlängerten Verbünde
(in alphabetischer Reihenfolge der Hochschulen der Sprecherinnen und Sprecher und mit Verweisen auf die Projektbeschreibungen in der DFG-Internetdatenbank GEPRIS zur laufenden Förderung):

Weiterführende Informationen

Medienkontakt:

  • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG
    Tel. +49 228 885-2109

Ausführliche Informationen erteilen auch die Sprecherinnen und Sprecher der Verbünde.

Ansprechpartnerin in der DFG-Geschäftsstelle:

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