Die Notgemeinschaft als neue Form der Forschungsförderung

Die Notgemeinschaft stellte eine neue Form der Forschungsförderung dar, da sie, anders als konkurrierende Stiftungen, sämtliche Bereiche der Wissenschaft unterstützte. Alle Wissenschaftler*innen konnten nach einer erfolgreichen Begutachtung, welche in einem offenen Verfahren durch einen gewählten Ausschuss erfolgte, über eigene Mittel für ihre Projekte verfügen. Vor allem Nachwuchsforscher*innen wurde es damit ermöglicht, auch in größeren Instituten mit vielen hierarchischen Strukturen ihre Forschungen durchzuführen.

Der Notgemeinschaft gelang es, sich als eine „feste Säule in der deutschen Forschungslandschaft“ zu etablieren Mehrere günstige Umstände ermöglichten dies:

So verliefen die Entstehung der Notgemeinschaft und die Verlagerung der staatlichen Forschungsförderung von den Ländern zum Reich komplementär. Im 1871 neu gegründeten Reich waren auf Länderebene Universitäten für Forschung und Lehre sowie Akademien für eine Verbundforschung mit Langzeitcharakter zuständig. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erforderte jedoch die wachsende Bedeutung von Wissenschaft und Technik für die Industrie sowie die Zunahme der chemischen und biologischen Forschung zusätzliche Räume für Forschung. Der Staat wurde ein wichtiger Faktor in der Wissenschaftsförderung, als er Reichsanstalten errichtete, welche anwendungsorientierte wissenschaftliche Arbeit leisteten. Das bekannteste Beispiel ist die 1887 gegründete Physikalisch-Technische Reichsanstalt.

Mit der Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1911 wurde den Forderungen aus naturwissenschaftlichen Kreisen als auch von der Industrie entsprochen, außeruniversitäre Institutionen zum Betreiben von Grundlagenforschung einzurichten. Die Gesellschaft war zu dieser Zeit ein Novum, da die Selbstverwaltung und die Mischfinanzierung – Bezahlung der Gehälter durch den Staat, der Rest durch private Finanziers – bislang unbekannt war.

Mit der Gründung der Notgemeinschaft wurde also die Entwicklungstendenz, Forschungsorganisationen oberhalb der Länderebene zu etablieren, fortgesetzt. Sie übernahm mit der Bereitstellung von Forschungsmitteln schließlich mit der Zeit die Aufgaben einer Wissenschaftsbehörde des Reiches.

Von besonderer Bedeutung für die erfolgreiche Etablierung der Notgemeinschaft war ebenso der Anlass und der Zeitpunkt ihrer Gründung: Gerade die extreme Notsituation der Nachkriegsjahre bot die Chance, eine umfassende Selbstverwaltungsinstitution, welche nahezu alle Institutionen und alle Fächer umfasst, zu schaffen.

Auch war die bis in das Kaiserreich zurückreichende Personenkonstellation wichtig. Durch die Netzwerke, die sich schon vor 1914 um Friedrich Schmidt-Ott, Fritz Haber und Adolf von Harnack gebildet haben, konnten die Interessen der etablierten Wissenschaft gebündelt werden. Vor allem Friedrich Schmidt-Ott verfügte dank seiner Position als preußischer Kulturminister über vielfältige Beziehungen zu Wissenschaftler*innen, Beamt*innen und Politiker*innen.

Weitere Informationen

Historische Förderfälle in GEPRIS Historisch

Die im Jahr 2020 anlässlich des hundertsten Gründungstages der DFG-Vorgängereinrichtung „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ veröffentlichte Datenbank GEPRIS Historisch macht mehr als 50.000 Förderfälle der Jahre 1920 bis 1945 unter Beteiligung von über 13.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern recherchierbar. Das System wird ergänzt um einen umfangreichen Textapparat, der in mehreren Kapiteln auch auf Fragestellungen mit Bezug zu den Gründungsjahren der Notgemeinschaft eingeht.

Hinweise zur genutzten Literatur und den Fundorten

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