Mehr wissen, informiert entscheiden

Impfsituation: Eine Spritze im Oberarm einer Person

Die größte gezielte Impfkampagne der letzten 50 Jahre hat begonnen – doch die Unsicherheit und der Informationsbedarf sind weiterhin groß: Wie sinnvoll ist die Impfung gegen COVID-19? Und wie sicher? Die Wissenschaft kann zu vielen Fragen auf unabhängiger und breiter Grundlage Informationen anbieten.

Selten wurde so viel Information in einer ausgesprochen intensiven medialen und politischen Diskussion zur Verfügung gestellt. Und doch oder gerade deswegen sind die Unsicherheit und das Informationsbedürfnis in weiten Teilen der Bevölkerung bei der nun begonnenen Impfkampagne gegen SARS-CoV-2 enorm.

Fast drei Viertel der Deutschen informieren sich laut einer aktuellen Erhebung der Universität Erfurt eher häufig bis sehr häufig über das neue Coronavirus. Doch mehr als die Hälfte der Befragten fühlt sich schlecht oder eher schlecht über die Impfung gegen das Virus informiert. Auch in Bezug auf die Erkrankung selbst und ihre Übertragung bestehen erhebliche Informationslücken. Das hat Folgen: Wer nicht weiß, dass COVID-19 durch Aerosole übertragen wird, hält sich auch weniger an die fundamentalen Abstands- und Hygieneregeln (AHA+AL-Regeln). So ist auch bei der Impfung gegen SARS-CoV-2 zu erwarten, dass ein geringeres Wissen zu einer geringeren Impfbereitschaft führt.

Dies ist umso bedenklicher, als zugleich bereits jede Menge Mythen und Falschinformationen im Umlauf sind und die Leerstellen besetzen. Vor allem, dass die nun erstmals eingesetzten Impfstoffe eine neue, genbasierte Technologie verwenden, schürt die Vorbehalte zusätzlich. Schon jetzt zeigt sich, dass Personen, die der Gentechnik kritisch gegenüberstehen, auch die Impfung eher ablehnen. Wissen über die Impfung, ihren möglichen Nutzen und ihre möglichen Nebenwirkungen wird vor diesem Hintergrund insbesondere für den Teil der Bevölkerung mit hohem Informationsbedarf und einer kritischen Sicht auf Impfungen benötigt.

Jede neue Impfung und jede individuelle Impfentscheidung ist eine Abwägung von Risiken und folgt häufig ähnlichen Kriterien und Fragen: Wie wahrscheinlich ist es, dass ich krank werde? Wie schlimm wird es sein? Bringt die Impfung sicheren Schutz? Und werden Nebenwirkungen auftreten? So oder ähnlich lauten die naheliegenden Fragen. Jeder Einzelne stellt sie zunächst sich selbst, oft aber auch mit Blick auf Familie und Freunde, Gesellschaft und Gemeinwohl. Am Ende muss der mögliche Nutzen klar den potenziellen Schaden überwiegen.

Bei dieser grundlegenden Abwägung muss man bei COVID-19 nicht bei null beginnen. Ein Beispiel, das sie gut illustriert, ist die Masernimpfung. Bei Masern handelt es sich, vergleichbar mit SARS-CoV-2, um ein sogenanntes RNA-Virus. Es ist so ansteckend, dass es ohne Impfung meist zu einer Infektion bereits im Kindesalter führt – dies ist der eigentliche Grund dafür, dass die Masern „Kinderkrankheit” genannt werden, nicht etwa weil sie harmlos wären.

Bei der Maserninfektion treten bei 20 bis 30 Prozent der Erkrankten Komplikationen wie Lungenentzündung und Enzephalitis – also eine Entzündung des Gehirns – auf, in seltenen Fällen auch etwa Sterilität bei Männern oder die beidseitige Gehörlosigkeit. Spätfolgen können oft auch noch nach Jahren auftreten und zum Tod führen. Die Sterberate liegt in Industrieländern zwischen 0,01 und 0,2 Prozent, kann in Entwicklungsländern aber auf bis zu 25 Prozent ansteigen. Es steht für die manifeste Maserninfektion keine antivirale Therapie zur Verfügung.

Durch Einführung der Impfung konnte die Todesrate durch Masern weltweit zwischen 2000 und 2010 um 74 Prozent gesenkt werden. Nach zwei Impfungen besteht ein lebenslanger Schutz gegen eine Maserninfektion. Da es sich um einen Lebendimpfstoff handelt, kann es nach der Impfung zu einer „abgeschwächten“ Maserninfektion mit einem gering ausgeprägten Ausschlag und etwas Fieber kommen. Außerdem ist mit den gängigen Impfreaktionen wie Schwellung oder Schmerzen an der Einstichstelle zu rechnen. Und: Vergleichbar mit anderen Infektionserkrankungen schützt die Masernimpfung nicht nur die Geimpften, sondern durch den Gemeinschaftsschutz (Herdenimmunität) auch Säuglinge und Personen, die auf die Impfung aus verschiedenen Gründen nicht ansprechen oder die sie nicht bekommen können – vorausgesetzt es sind hinreichend viele Menschen geimpft. Fazit: Stellt man Komplikationen und Nutzen der Impfung einander gegenüber, so überwiegt unbestritten der Nutzen.

Das Beispiel der Maserninfektion erlaubt viele Parallelen zur aktuellen Pandemie: Auch das neue Coronavirus führt zu teils schwerwiegenden Krankheitsverläufen inklusive Komplikationen bei der akuten Erkrankung sowie Langzeitkomplikationen.

COVID-19 wird ausgelöst durch SARS-CoV-2 (Severe Acute Respiratory Syndrome-Coronavirus-2). Die Infektion löst eine akute Atemwegserkrankung mit systemischer Entzündungsreaktion aus, die in einigen Fällen schwer verlaufen kann. Schwere Verläufe gehen einher mit einer Lungenentzündung und einer Schädigung des Lungengewebes bis hin zum akuten Lungenversagen. Von den in Deutschland bis Anfang Dezember gemeldeten Fällen mussten 7 Prozent im Krankenhaus aufgenommen werden. Es verstarben insgesamt 1,6 Prozent der SARS-CoV-2-Positiven, davon waren 87 Prozent 70 Jahre und älter. Insgesamt korreliert die Häufigkeit einer schwer verlaufenden Erkrankung mit dem Lebensalter, sodass ein hohes Lebensalter insgesamt – neben zusätzlich vorhandenen Erkrankungen wie zum Beispiel Adipositas oder arterieller Hypertonus (Bluthochdruck) – den wichtigsten Risikofaktor für eine schwere COVID-19-Erkrankung darstellt. Eine Analyse der aus der ersten Coronavirus-Welle resultierenden Gesamtsterblichkeit in 34 geografischen Regionen weltweit zeigt die Altersabhängigkeit eindrucksvoll. Bei den positiv getesteten Patienten*innen war der Zusammenhang zwischen Alter und Fallsterblichkeit eindrücklich: Diese lag bei 0,4 Prozent im Alter von 55 Jahren, 1,4 Prozent im Alter von 65 Jahren, 4,6 Prozent mit 75 Jahren und 15 Prozent mit 85 Jahren.

Unabhängig von der Schwere der beginnenden Erkrankung kann COVID-19 zu erheblichen Langzeitfolgen führen, zum einen durch die Infektion selbst, zum anderen durch die bekannten Komplikationen einer intensivmedizinischen Behandlung. Folgeerscheinungen treten auch bei sehr milden Verlaufsformen der anfänglichen COVID-19-Erkrankung auf und werden derzeit als „Long-COVID-Syndrom“ zusammengefasst. Es geht mit lang anhaltenden Symptomen wie Fatigue (Erschöpfung, anhaltende Müdigkeit), Fieber, Atemnot, chronischem Husten, Kopfschmerzen oder Depression einher. Aber auch nach milden Verläufen, also ohne Behandlung im Krankenhaus, ist laut einer britischen Erhebung insgesamt jeder zehnte Patient länger als vier Wochen von COVID-19-Symptomen betroffen.

Vergleichbar mit Masern steht auch für die SARS-CoV-2-Infektion und die daraus resultierende COVID-19-Erkrankung bislang keine wirksame spezifische Therapie zur Verfügung. Damit stellt die Impfung eine zielführende Strategie dar, diese Erkrankung zu kontrollieren.

Für Impfungen gegen das neue Coronavirus wurden seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie weltweit mehrere Hundert Impfstrategien gegen das Virus entwickelt und getestet. Das ist einzigartig in der Medizingeschichte. Die Entwicklung eines jeden Impfstoffs ist ein komplexer Prozess, der aus mehreren Phasen besteht. Am Anfang steht die Phase der Identifikation geeigneter Antigene des Krankheitserregers und der Entwicklung eines potenziellen Impfstoffs. Anschließend erfolgt die präklinische Testung im Reagenzglas und in Tierversuchen. Diese Daten werden von den regulatorischen Behörden begutachtet, und Erfolg versprechende potenzielle Impfstoffe können für Studien an Menschen zugelassen werden. Hierfür müssen bereits detaillierte Ergebnisse zur Wirkweise vorgelegt werden, aber auch zur Toxizität (Giftigkeit, Schädlichkeit), also zur Eigenschaft des Impfstoffs, unerwünschte Wirkungen auf den Menschen auszuüben. Die Prüfung am Menschen verläuft dann in drei Phasen. In Phase 1 wird primär die Fähigkeit des Impfstoffs untersucht, eine Immunantwort auszulösen (Immunogenität), und es werden erste Daten zur Verträglichkeit und Sicherheit an gesunden Probanden*innen erhoben. In Phase 2 erfolgt an einer größeren Probandenzahl (in der Regel 100–1000) die eingehende Prüfung der Verträglichkeit. In Phase 3 werden die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Impfung, das heißt der Schutz vor Infektionen sowie die Häufigkeit und Schwere von Impfreaktionen und Nebenwirkungen, an einer großen Zahl von Probanden (>10 000) überprüft. Um eine Zulassung durch die Arzneimittelbehörden zu erhalten, muss jeder Impfstoff alle Phasen erfolgreich durchlaufen. Für jede Zulassung wird geprüft, ob der Nutzen einer Impfung die tatsächlichen und eventuellen Risiken deutlich übersteigt. Wirtschaftliche Faktoren, wie zum Beispiel Kosten der Impfung, gehen dabei nicht in die Bewertung ein.

Alle Impfstoffkandidaten gegen SARS-CoV-2, die in Europa zugelassen werden, durchlaufen dieselben rigorosen Entwicklungs- und Prüfprozesse wie andere Impfstoffe. Normalerweise nimmt diese Entwicklung viele Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte in Anspruch. Bei den SARS-CoV-2-Impfstoffen gelang dies in deutlich kürzerer Zeit. Dies wurde ermöglicht durch eine Reihe von begünstigenden Faktoren und durch die effizientere Gestaltung von Prüfprozessen, ohne Einschränkungen bei der Sorgfalt.

Die SARS-CoV-2-Impfstoffentwicklung konnte auf jahrelangen Vorerfahrungen mit ähnlichen Coronaviren, wie dem SARS-Coronavirus und dem MERS-Coronavirus, aufbauen. Dadurch war das Spike-Protein, ein charakteristisches Oberflächenprotein von SARS-CoV-2, bereits als aussichtsreiches Impfantigen bekannt. Teilweise konnten bereits vorhandene erfolgreiche Impfstoffkandidaten gegen andere Viren nach entsprechender Anpassung an SARS-CoV-2 genutzt werden. Dadurch wurde jahrelange Entwicklungsarbeit eingespart. Es erfolgte sehr frühzeitig eine kontinuierliche Beratung durch die regulatorischen Behörden, wodurch sich die Impfstoffentwickler und Unternehmen im direkten Austausch gezielter auf die Vorgaben und Anforderungen für die klinischen Prüfungen und die Zulassungsverfahren einstellen konnten. Die Kombination und parallele Planung der drei klinischen Prüfphasen ersparte weitere Zeit. So können viele organisatorische Prozesse, beispielsweise die Probandenrekrutierung, gebündelt werden. Normalerweise erfolgen diese Phasen sequenziell, das heißt nacheinander, mit teilweise langen Intervallen. Die Kombination dieser Phasen wurde auch maßgeblich durch den hohen finanziellen Einsatz von Regierungen, Firmen und Stiftungen ermöglicht. Zudem konnte ein sogenanntes Rolling-Review-Verfahren eingesetzt werden, das den Impfstoffherstellern erlaubt, noch während der klinischen Phase-3-Prüfung einzelne Datenpakete bei den Zulassungsbehörden einzureichen. Daraus ergibt sich eine schnellere Bearbeitung und Prüfung der Daten. Insgesamt konnten also die Impfstoffentwicklung und der Prüf- und Zulassungsprozess deutlich beschleunigt werden, ohne Abstriche bei der Sorgfalt der Prüfung von Wirksamkeit und Sicherheit zu machen. Am Ende bildet das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis die Grundvoraussetzung für die Erteilung einer Zulassung.

Auf dieser Grundlage ist nun seit dem 21. Dezember 2020 als erster SARS-CoV-2-Impfstoff jener der Mainzer Firma BioNTech (gemeinsam entwickelt mit dem Pharmaunternehmen Pfizer) in Europa zugelassen. Am 6. Januar 2021 erfolgte auch die Zulassung des Impfstoffs der amerikanischen Firma Moderna in Europa. Beide Impfstoffe sind nukleinsäurebasierte, sogenannte messenger-RNA-Impfstoffe (mRNA-Impfstoffe). Messenger-RNA ist eine Abschrift von genetischer Information und bildet den Bauplan für Eiweiße (Proteine). Auch unsere körpereigene mRNA dient in jeder Zelle als Bauplan für Proteine. Bei einer Virusinfektion bringen Viren ihre Erbinformation in unsere Zellen ein, und es werden virale mRNA-Moleküle und davon abgeleitete virale Proteine gebildet. Bei der SARS-CoV-2-Impfung werden nun künstlich entworfene mRNA-Moleküle verwendet, die einen Bauplan für eine stabilisierte Form des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 enthalten. Um die mRNA in die Zellen einzuschleusen, werden die mRNA-Moleküle in eine Lipidhülle verpackt. Diese kleinen mRNA-haltigen Partikel (Teilchen) ähneln somit einem behüllten Virus wie zum Beispiel dem Coronavirus. Dadurch werden Zellen unseres Körpers angeregt, das virale Protein selbst herzustellen. Unser Immunsystem kann nun gegen dieses Protein gezielte Abwehrreaktionen entwickeln, sodass eine sehr robuste Immunantwort gegen das Spike-Protein – und damit gegen das Virus – aufgebaut wird. Damit handelt es sich um keinen Lebendimpfstoff. Weitere mRNA-Impfstoffe befinden sich in der Prüfung, zum Beispiel ein Impfstoff der Tübinger Firma CureVac.

So weit der Hintergrund, vor dem sich viele der verbreiteten Fragen zum Nutzen und zur Sicherheit der COVID-19-Impfung bereits jetzt mit der notwendigen Aussagekraft beantworten lassen. Eindeutig verneinen und entkräften lässt sich zum Beispiel eine der häufigsten Befürchtungen rund um die Impfung – nämlich, dass die eingesetzten mRNA-Impfstoffe unser Erbgut verändern können. mRNA-Impfstoffe enthalten kein genetisches Material, da mRNA nur eine relativ kurzlebige Abschrift von Erbinformation ist. RNA ist in etwa vergleichbar mit dem Arbeitsspeicher (RAM) eines Computers, während die genetische Information sicher auf der Festplatte liegt – Letzteres ist bei Menschen und Tieren die DNA, die im Zellkern lagert. Jede Körperzelle bildet unentwegt mRNA. Im Durchschnitt enthält jede Körperzelle ca. 360 000 mRNA-Moleküle. Die Bildung fremder RNA in unseren Zellen geschieht bei jeder Virusinfektion, also auch bei jeder leichten Erkältung oder bei einer Coronavirus-Infektion. Da sich mRNA zudem in ihrer Molekülstruktur von DNA unterscheidet, kann sie keineswegs direkt in das menschliche Erbgut eingebaut werden. Auch gelangt die mRNA der Impfstoffe nicht in den Zellkern, also an den Ort, an dem sich das Erbgut befindet. Es herrscht daher unter Medizinern*innen sowie Biowissenschaftlern*innen Einigkeit, dass keine Gefahr für eine erbgutschädigende Integration von mRNA-Impfstoffen in unsere DNA besteht.

Bei anderen Fragen lassen sich auf der Grundlage bisheriger Erkenntnisse zumindest fundierte Annahmen machen, wie zum Beispiel für den möglichen Impfschutz vor einer asymptomatischen SARS-CoV-2-Infektion und vor der Weitergabe des Virus. Zwar wurden in den Zulassungsstudien bislang nur symptomatische SARS-CoV-2-Infektionen systematisch erfasst. Tierexperimentelle Studien legen jedoch nahe, dass durch die Impfung auch eine deutliche Reduktion und Verkürzung der Virusausscheidung erreicht werden kann. Allerdings wurde dies in den klinischen Studien am Menschen noch nicht ausreichend untersucht. Solche Studien sind sehr aufwendig, da sie regelmäßige Abstriche und PCR-Tests aller Studienteilnehmer*innen sowie eine Einbeziehung des sozialen Umfelds der Probanden*innen erfordern. Zahlreiche Studien, die die nun startenden Impfprogramme begleiten, werden diese Informationen in den nächsten Monaten liefern.

Durchaus viel lässt sich bereits zur häufigsten Sorge sagen, den möglichen Nebenwirkungen der Impfung. Dies ist auf der Grundlage der in der Entwicklungs- und Testphase durchgeführten Impfungen möglich. Hierbei wurden 21 621 mit dem BioNTech-Impfstoff BNT162b2 geimpfte Personen beobachtet und mit 21 621 Probanden*innen verglichen, die ein Placebo erhielten. Eine solche Zulassungsstudie mit über 40 000 Studienteilnehmern*innen ist außergewöhnlich groß für eine Medikamentenstudie. Zum Zeitpunkt der Analyse wurden insgesamt 19 067 Studienteilnehmer (9531 Geimpfte und 9536 Placebo-Geimpfte) mindestens zwei Monate nach der zweiten Impfdosis auf Verträglichkeit untersucht. Dabei zeigten die eingesetzten mRNA-Impfstoffe eine sehr gute Reaktion des Abwehrsystems, sodass sie bei relativ vielen Geimpften eine Impfreaktion auslösten. Zu den Impfreaktionen zählt man Symptome einer gewünschten natürlichen Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff, die letzten Endes zur Produktion schützender Antikörper und spezifischer Immunzellen führen soll. Hierzu zählen etwa lokale Schmerzen an der Einstichstelle, Rötung und Überwärmung sowie systemische Beschwerden wie Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Muskel- und Gliederschmerzen und seltener auch Fieber. Damit gleichen die Symptome einem milden Virusinfekt. Diese Impfreaktionen dauerten meist ein bis zwei Tage an. Je nach Alter berichten bis zu 80 Prozent der Geimpften von lokalen oder systemischen Impfreaktionen nach einer SARS-CoV-2-Impfung, wobei jüngere Personen häufiger und etwas stärkere Impfreaktionen zeigen als ältere Menschen. Ernste Nebenwirkungen der SARS-CoV-2-Impfungen konnten in den bisher veröffentlichten Ergebnissen nicht nachgewiesen werden.

Langzeitdaten zur Sicherheit liegen zwar noch nicht vor, da die ersten klinischen Studien an Menschen zu den SARS-CoV-2-Impfstoffen erst im April 2020 begannen. Allerdings treten die meisten Impfnebenwirkungen innerhalb eines Jahres auf. Alle Studienteilnehmer*innen werden deshalb weiter beobachtet. Generell zählen Impfstoffe zu den sichersten Medikamenten überhaupt. Die nun weltweit beginnenden Impfprogramme werden intensiv durch Studien im Rahmen der sogenannten Pharmakovigilanz (Überwachung der Impfstoffsicherheit) und zur Erhebung weiterer Daten wie die Dauer des Impfschutzes begleitet. Somit zeigen die mRNA-Impfstoffe bislang ein sehr gutes Sicherheitsprofil. Das Restrisiko von etwaigen Spätfolgen wird wie bei anderen Impfungen als gering eingestuft, muss jedoch sehr gründlich weiter beobachtet werden.

Für Aufsehen – und weitere Beunruhigung – hatten kurz nach der Einführung der mRNA-Impfung von BioNTech/Pfizer Berichte über einzelne schwere allergische Reaktionen gesorgt. Diese traten zumeist bei Menschen auf, bei denen bereits eine Veranlagung für schwere allergische Schockreaktionen bekannt war. Wahrscheinlich reagierten diese Menschen auf Zusatzstoffe in der Lipidhülle der mRNA-Impfung. Bisher traten diese allergischen Reaktionen bei ca. 1:100 000 Geimpften auf und konnten alle gut behandelt werden. Es handelt sich also um sehr seltene Nebenwirkungen, die bei anderen Impfstoffen und Medikamenten wie Antibiotika oder Schmerzmittel deutlich häufiger auftreten. Menschen mit leichten Allergien wie etwa Gräserpollenallergie können sich daher durchaus impfen lassen. Wenn man zu schweren allergischen Schockreaktionen neigt, sollte die Impfung nur unter enger medizinischer Überwachung gegeben werden.

Noch keine verlässlichen Aussagen lassen sich zur vielfach gestellten Frage machen, wie lange der Impfschutz gegen SARS-CoV-2 anhält. Aus der Erfahrung mit anderen Impfstoffen weiß man zwar, dass Impfungen, die hochwirksam sind, in der Regel mehrere Jahre bis Jahrzehnte schützen können. Allerdings ist dies für die SARS-CoV-2-Impfungen noch nicht bekannt, da die bisherigen Studien die Geimpften im Schnitt nur über einige Wochen beobachtet haben. Es ist ebenfalls nicht bekannt, wie lange eine Person nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion vor COVID-19 geschützt ist. Bislang wurde für den mRNA-Impfstoff von Moderna gezeigt, dass die Antikörperspiegel im Blut über mindestens vier Monate stabil blieben. Weitere Studien müssen nun zeigen, ob der Impfschutz über längere Zeit aufrecht erhalten bleibt.

Weitgehender Konsens besteht hingegen bei der zuletzt diskutierten Frage, ob die Impfung auch vor neuen Varianten von SARS-CoV-2 schützt. Viren können sich bei der Vermehrung verändern und durch Mutationen (Veränderungen) in ihrem Erbgut neue Varianten bilden. Zuletzt wurden zwei Varianten von SARS-CoV-2 in Großbritannien beschrieben, die durch mehrere Mutationen möglicherweise eine höhere Ansteckungsfähigkeit erlangt haben. Dies geschieht meist durch den Austausch einzelner Bausteine in den Eiweißen, in diesem Fall auch im Spike-Protein. Kleine Veränderungen an einzelnen Bausteinen verhindern in der Regel aber nicht, dass die gesamte Immunantwort, bestehend aus Antikörpern und T-Zellen, Coronaviren weiterhin erkennen und neutralisieren können. Die Immunantwort richtet sich dabei gegen viele verschiedene Stellen des Coronavirus und macht es so dem Virus schwer, der Immunantwort zu entgehen. Einige Viren, wie Influenzaviren, sind dafür bekannt, dass sie durch starke Veränderungen in ihren Oberflächenproteinen dem Impfschutz komplett entweichen können. Coronaviren sind prinzipiell nicht so variabel wie Influenzaviren. Generell gehen Wissenschaftler*innen nicht davon aus, dass SARS-CoV-2 sich in der nächsten Zeit so stark verändert, dass die Impfstoffe unwirksam werden. Nach einiger Zeit, wenn sehr viele Menschen geimpft sind, könnten sich eventuell Varianten bilden, gegen die die Impfungen nicht mehr so effektiv schützen. Dann könnte eine Anpassung der Impfstoffe erfolgen, so wie dies jährlich bei der Influenzaimpfung geschieht. Gerade die mRNA-Impfstoffe sind für Anpassungen hervorragend geeignet, da sie technologisch eine rasche Anpassung der Sequenz der mRNA-Moleküle erlauben.

Möglichst fundiertes Wissen um diese und andere Fragen wird in Deutschland vor allem mittel- und langfristig für einen Großteil der Bevölkerung relevant werden. Der Impfstrategieentwicklung liegen ethische Überlegungen zugrunde, dass primär durch die Impfung gesundheitlicher Schaden durch die COVID-19-Pandemie von der Bevölkerung abzuwenden ist. Das bedeutet, dass in der ersten Phase Menschen geschützt werden müssen, die aufgrund des Alters oder Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) besonders gefährdet sind. Dabei gilt es aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit der Impfstoffe, insbesondere die Anzahl der Sterbefälle und schwere Krankheitsverläufe zu verhindern. Wie dargestellt, zeigen die bislang vorliegenden Studien, dass gerade ältere Menschen ein deutlich erhöhtes Risiko haben, an der Erkrankung zu sterben. Zusätzlich gilt es, schon anfänglich Erkrankungen bei Personen zu vermeiden, die berufsbedingt ein besonders hohes Expositionsrisiko tragen und für die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung relevant sind. In weiteren Schritten sollen dann die Nächst-Jüngeren sowie weitere Risikogruppen geimpft werden – ein hohes Sterberisiko haben zum Beispiel Organtransplantierte und Menschen mit Trisomie 21.

In der letzten Phase gilt es dann, die Unterbrechung der Übertragung des Virus zu erreichen und die Pandemie möglichst zu beenden. Dies wird erreicht, wenn der Impfstoff allen Menschen gleichberechtigt zur Verfügung steht und sich besonders viele Menschen impfen lassen. So kann es zu dem viel zitierten Gemeinschaftsschutz (Herdenimmunität) kommen. Aktuelle Umfragen zeigen bei der COVID-19-Impfung eine Impfbereitschaft von 50 bis 60 Prozent der Deutschen. Um sie auf ein möglichst hohes Niveau zu bringen, kann fundiertes – und wirkungsvoll kommuniziertes – Wissen der Wissenschaft in den folgenden Monaten einen entscheidenden Beitrag leisten.

Redaktioneller Stand: 13. Januar 2021

  • Susanne Herold ist Professorin für Infektionserkrankungen der Lunge an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Abteilungsleiterin des Schwerpunkts Infektiologie des Universitätsklinikums Gießen-Marburg.
  • Britta Siegmund ist Direktorin der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Vizepräsidentin der DFG und Vorsitzende der DFG-Senatskommission für Grundsatzfragen in der Klinischen Forschung.
  • Leif-Erik Sander ist Professor für Infektiologie und Pneumologie sowie Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
  • Cornelia Betsch ist Heisenberg-Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt.

Susanne Herold, Britta Siegmund und Cornelia Betsch sind Mitglieder der interdisziplinären Kommission für Pandemieforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die Kommission dankt Leif-Erik Sander für seine Mitarbeit an diesem Text.

Weitere Informationen auch auf der Internetpräsenz der Kommission für Pandemieforschung

Das Dossier „Mehr wissen, informiert entscheiden“ ist auch als PDF-Dokument verfügbar.