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Fragen und Antworten zur Impfung gegen SARS-CoV-2

Die größte gezielte Impfkampagne der letzten 50 Jahre hat begonnen – doch die Unsicherheit und der Informationsbedarf sind weiterhin groß: Wie sinnvoll ist die Impfung gegen COVID-19? Und wie sicher? Die Wissenschaft kann zu vielen Fragen auf unabhängiger und breiter Grundlage Informationen anbieten. Eine Auswahl

Bis Mitte Januar 2021 sind zwei Impfstoffe gegen SARS-CoV2 in Europa und damit auch in Deutschland zugelassen und werden für Impfungen genutzt, zum einen der von der Mainzer Firma BioNTech (gemeinsam entwickelt mit dem Pharmaunternehmen Pfizer), zum anderen der der amerikanischen Firma Moderna in Europa.

Beide Impfstoffe sind nukleinsäurebasierte, sogenannte messenger-RNA-Impfstoffe (mRNA-Impfstoffe). mRNA-Impfstoffe enthalten kein genetisches Material, da mRNA nur eine relativ kurzlebige Abschrift von Erbinformation ist. RNA ist in etwa vergleichbar mit dem Arbeitsspeicher (RAM) eines Computers, während die genetische Information sicher auf der Festplatte liegt – Letzteres ist bei Menschen und Tieren die DNA, die im Zellkern lagert. Jede Körperzelle bildet unentwegt mRNA. Im Durchschnitt enthält jede Körperzelle ca. 360 000 mRNA-Moleküle. Die Bildung fremder RNA in unseren Zellen geschieht bei jeder Virusinfektion, also auch bei jeder leichten Erkältung oder bei einer Coronavirus-Infektion. Da sich mRNA zudem in ihrer Molekülstruktur von DNA unterscheidet, kann sie keineswegs direkt in das menschliche Erbgut eingebaut werden. Auch gelangt die mRNA der Impfstoffe nicht in den Zellkern, also an den Ort, an dem sich das Erbgut befindet. Es herrscht daher unter Medizinerinnen und Medizinern sowie Biowissenschaftlerinnen und Biowissenschaftlern Einigkeit, dass keine Gefahr für eine erbgutschädigende Integration von mRNA-Impfstoffen in unsere DNA besteht.

Zwar wurden in den Zulassungsstudien bislang nur symptomatische SARS-CoV-2-Infektionen systematisch erfasst. Tierexperimentelle Studien legen jedoch nahe, dass durch die Impfung auch eine deutliche Reduktion und Verkürzung der Virusausscheidung erreicht werden kann. Allerdings wurde dies in den klinischen Studien am Menschen noch nicht ausreichend unter-sucht. Solche Studien sind sehr aufwendig, da sie regelmäßige Abstriche und PCR-Tests aller Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer sowie eine Einbeziehung des sozialen Umfelds der Probandinnen und Probanden erfordern. Zahlreiche Studien, die die nun startenden Impf-programme begleiten, werden diese Informationen in den nächsten Monaten liefern.

Den Nebenwirkungen der SARS-CoV2-Impfung gelten die wohl häufigsten Fragen und größten Sorgen. Zu ihnen lassen sich auf der Grundlage der in der Entwicklungs- und Testphase der Impfstoffe durchgeführten Impfungen durchaus belastbare Aussagen machen. Hierbei wurden 21 621 mit dem BioNTech-Impfstoff BNT162b2 geimpfte Personen beobachtet und mit 21 621 Probandinnen und Probanden verglichen, die ein Placebo erhielten. Eine solche Zulassungsstudie mit über 40 000 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern ist außergewöhnlich groß für eine Medikamentenstudie. Zum Zeitpunkt der Analyse wurden insgesamt 19 067 Studienteilnehmer (9531 Geimpfte und 9536 Placebo-Geimpfte) mindestens zwei Monate nach der zweiten Impfdosis auf Verträglichkeit untersucht. Dabei zeigten die eingesetzten mRNA-Impfstoffe eine sehr gute Reaktion des Abwehrsystems, sodass sie bei relativ vielen Geimpften eine Impfreaktion auslösten.

Zu den Impfreaktionen zählt man Symptome einer gewünschten natürlichen Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff, die letzten Endes zur Produktion schützender Antikörper und spezifischer Immunzellen führen soll. Hierzu zählen etwa lokale Schmerzen an der Einstichstelle, Rötung und Überwärmung sowie systemische Beschwerden wie Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Muskel- und Gliederschmerzen und seltener auch Fieber. Damit gleichen die Symptome einem milden Virusinfekt. Diese Impfreaktionen dauerten meist ein bis zwei Tage an. Je nach Alter berichten bis zu 80 Prozent der Geimpften von lokalen oder systemischen Impfreaktionen nach einer SARS-CoV-2-Impfung, wobei jüngere Personen häufiger und etwas stärkere Impfreaktionen zeigen als ältere Menschen. Ernste Nebenwirkungen der SARS-CoV-2-Impfungen konnten in den bisher veröffentlichten Ergebnissen nicht nachgewiesen werden.

Langzeitdaten zur Sicherheit liegen zwar noch nicht vor, da die ersten klinischen Studien an Menschen zu den SARS-CoV-2-Impfstoffen erst im April 2020 begannen. Allerdings treten die meisten Impfnebenwirkungen innerhalb eines Jahres auf. Alle Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer werden deshalb weiter beobachtet. Generell zählen Impfstoffe zu den sichersten Medikamenten überhaupt. Die nun weltweit beginnenden Impfprogramme werden intensiv durch Studien im Rahmen der sogenannten Pharmakovigilanz (Überwachung der Impfstoffsicherheit) und zur Erhebung weiterer Daten wie die Dauer des Impfschutzes begleitet. Somit zeigen die mRNA-Impfstoffe bislang ein sehr gutes Sicherheitsprofil. Das Restrisiko von etwaigen Spätfolgen wird wie bei anderen Impfungen als gering eingestuft, muss jedoch sehr gründlich weiter beobachtet werden.

Für Aufsehen – und zusätzliche Beunruhigung – hatten kurz nach der Einführung der mRNA-Impfung von BioNTech/Pfizer Berichte über einzelne schwere allergische Reaktionen gesorgt. Diese traten zumeist bei Menschen auf, bei denen bereits eine Veranlagung für schwere allergische Schockreaktionen bekannt war. Wahrscheinlich reagierten diese Menschen auf Zusatzstoffe in der Lipidhülle der mRNA-Impfung. Bisher traten diese allergischen Reaktionen bei ca. 1:100 000 Geimpften auf und konnten alle gut behandelt werden. Es handelt sich also um sehr seltene Nebenwirkungen, die bei anderen Impfstoffen und Medikamenten wie Antibiotika oder Schmerzmittel deutlich häufiger auftreten. Menschen mit leichten Allergien wie etwa Gräserpollenallergie können sich daher durchaus impfen lassen. Wenn man zu schweren allergischen Schockreaktionen neigt, sollte die Impfung nur unter enger medizinischer Überwachung gegeben werden.

Zur Dauer des Impfschutzes lassen sich bislang noch keine verlässlichen Aussagen treffen. Aus der Erfahrung mit anderen Impfstoffen weiß man zwar, dass Impfungen, die hochwirksam sind, in der Regel mehrere Jahre bis Jahrzehnte schützen können. Allerdings ist dies für die SARS-CoV-2-Impfungen noch nicht bekannt, da die bisherigen Studien die Geimpften im Schnitt nur über einige Wochen beobachtet haben. Es ist ebenfalls nicht bekannt, wie lange eine Person nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion vor COVID-19 geschützt ist. Bislang wurde für den mRNA-Impfstoff von Moderna gezeigt, dass die Antikörperspiegel im Blut über mindestens vier Monate stabil blieben. Weitere Studien müssen nun zeigen, ob der Impfschutz über längere Zeit aufrecht erhalten bleibt.

Bei dieser aktuell diskutierten Frage besteht wissenschaftlich weitgehender Konsens. Generell können Viren sich bei der Vermehrung verändern und durch Mutationen (Veränderungen) in ihrem Erbgut neue Varianten bilden. Zuletzt wurden zwei Varianten von SARS-CoV-2 in Großbritannien beschrieben, die durch mehrere Mutationen möglicherweise eine höhere Ansteckungsfähigkeit erlangt haben. Dies geschieht meist durch den Austausch einzelner Bausteine in den Eiweißen, in diesem Fall auch im Spike-Protein. Kleine Veränderungen an einzelnen Bausteinen verhindern in der Regel aber nicht, dass die gesamte Immunantwort, bestehend aus Antikörpern und T-Zellen, Coronaviren weiterhin erkennen und neutralisieren können. Die Immunantwort richtet sich dabei gegen viele verschiedene Stellen des Coronavirus und macht es so dem Virus schwer, der Immunantwort zu entgehen.

Einige Viren, wie Influenzaviren, sind dafür bekannt, dass sie durch starke Veränderungen in ihren Oberflächenproteinen dem Impfschutz komplett entweichen können. Coronaviren sind prinzipiell nicht so variabel wie Influenzaviren. Generell gehen Wissenschaftler*innen nicht davon aus, dass SARS-CoV-2 sich in der nächsten Zeit so stark verändert, dass die Impfstoffe unwirksam werden. Nach einiger Zeit, wenn sehr viele Menschen geimpft sind, könnten sich eventuell Varianten bilden, gegen die die Impfungen nicht mehr so effektiv schützen. Dann könnte eine Anpassung der Impfstoffe erfolgen, so wie dies jährlich bei der Influenzaimpfung geschieht. Gerade die mRNA-Impfstoffe sind für Anpassungen hervorragend geeignet, da sie technologisch eine rasche Anpassung der Sequenz der mRNA-Moleküle erlauben.

Redaktioneller Stand: 13. Januar 2021

  • Susanne Herold ist Professorin für Infektionserkrankungen der Lunge an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Abteilungsleiterin des Schwerpunkts Infektiologie des Universitätsklinikums Gießen-Marburg.
  • Britta Siegmund ist Direktorin der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Vizepräsidentin der DFG und Vorsitzende der DFG-Senatskommission für Grundsatzfragen in der Klinischen Forschung.
  • Leif-Erik Sander ist Professor für Infektiologie und Pneumologie sowie Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
  • Cornelia Betsch ist Heisenberg-Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt.

Susanne Herold, Britta Siegmund und Cornelia Betsch sind Mitglieder der interdisziplinären Kommission für Pandemieforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die Kommission dankt Leif-Erik Sander für seine Mitarbeit an diesem Text.

Weitere Informationen auch auf der Internetpräsenz der Kommission für Pandemieforschung

Die FQAs stehen auch als PDF-Dokument zur Verfügung: