„In Amerika gewesen“: Deutsche Forschende in den USA und Kanada im Gespräch

Dr.-Ing. Henning Bonart

Dr.-Ing. Henning Bonart

© privat

(19.07.22) Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert mit dem Forschungsstipendium und seit 2019 mit dem Walter Benjamin-Stipendium die Grundsteinlegung für wissenschaftliche Karrieren durch Finanzierung eines eigenen, unabhängigen Forschungsvorhabens im Ausland und seit 2019 auch in Deutschland. Ein großer Teil dieser Stipendien wird in den USA und zu einem kleineren Teil auch in Kanada wahrgenommen, Ausdruck einer in vielen Disziplinen und in besonderem Maße in den Lebenswissenschaften herrschenden Überzeugung, dass es hilfreich für die Karriere sei, „in Amerika gewesen“ zu sein. In einer Reihe von Gesprächen möchten wir Ihnen einen Eindruck von der Bandbreite der DFG-Geförderten vermitteln. In dieser Ausgabe schauen wir, wer sich hinter der Fördernummer BO 5908 verbirgt.

DFG: Lieber Herr Dr. Bonart, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Gespräch mit dem Nordamerika-Büro der DFG nehmen. Ihr Familienname klingt nach Frankreich, in Ihrer Biografie vermerken Sie aber Marl als Geburtsort.

Henning Bonart (HB): In unserer Familie vermutet man hugenottische Vorfahren, aber ich glaube, niemand hat das bislang ernsthaft überprüft. Meine Frau ist aber tatsächlich schon häufiger beim Arzt zur Französin gemacht worden. Ich freue mich auf das Gespräch mit Ihnen und darüber, dass mir die DFG den Aufenthalt in den USA mit meiner Familie ermöglicht und ich dadurch am MIT forschen kann.

Die ganze Familie

Die ganze Familie

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DFG: Bevor wir darauf eingehen, lassen Sie uns noch kurz über Ihren Werdegang sprechen, also die Weichenstellung hin zu Verfahrenstechnik und Forschung.

HB: Wenn es um Chemie geht, gibt es so etwas wie eine Familientradition, die ein, zwei Generationen zurückreicht. Einer meiner beiden Großväter war etliche Jahre lang bei der Bayer AG in Leverkusen als Physiker beschäftigt und der andere Großvater legte bei der Hoechst AG in Frankfurt seine Gesellenprüfung als Elektriker ab. Mein Vater war einige Zeit für die Hüls AG in Marl und in Piscataway im US-Bundesstaat New Jersey tätig. Deswegen bin ich in Marl geboren und war mit der Familie schon früh in den USA. Hoechst ist seit den 90-er Jahren Teil des Sanofi-Konzerns und große Teile der Hüls AG sind in der heutigen Evonik AG aufgegangen. Irgendetwas davon hat sich wohl auch bei mir niedergeschlagen, ebenso bei meinen Brüdern. Wirtschaft, Naturwissenschaften, Mathematik und Technik sind uns allen sehr wichtig.

Aufgewachsen bin ich in Trier an der Mosel. In der Oberstufe wollte ich aber noch Medizin studieren, daher waren meine Leistungsfächer Deutsch, Biologie und Sport. Sowohl Literatur als auch Sport sind mir bis heute glücklicherweise als Ausgleich erhalten geblieben, bestimmt auch dank meiner Mutter, eine Sport- und Sozialkundelehrerin. Nach dem Abitur bin ich aber schnell in Richtung Technik gewechselt und habe statt Zivildienst ein Freiwilliges Ökologisches Jahr absolviert. Dazu bin ich an die Berliner Energieagentur gegangen, eine Einrichtung, die Energiesparpotenziale vor allem bei Gebäuden und deren Betrieb erschließt. Berlin war damals, und ist es vielleicht immer noch, meine Lieblingsstadt. Dafür gibt es viele Gründe und der hervorragende öffentliche Personennahverkehr gehört sicherlich mit dazu. Ich fahre sehr gerne mit Bus oder Bahn durch Städte und habe auch schon meine beiden Söhne, einen Berliner und ein Darmstädter „Heiner“, so nennt man geborene Darmstädter, dafür begeistern können. Glücklicherweise hat der Großraum Boston auch ein ganz gutes Nahverkehrssystem.

Zum Studium bin ich dann zusammen mit meiner jetzigen Frau an das Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) gegangen. Dort habe ich zwischen 2009 und 2012 meinen Bachelor in Chemieingenieurwesen und Verfahrenstechnik gemacht. Für das Masterstudium, den Doktor und natürlich zum U-Bahn-Fahren sind wir dann 2013 wieder nach Berlin gegangen, ich an die Technische Universität. Während meiner Promotionszeit war ich 2019 mit meiner Frau und meinem ältesten Sohn bereits für drei Monate mit einem DAAD-Stipendium am MIT. Und im Januar 2021 bin ich dann mit einer Arbeit zu Simulation und Optimierung von Flüssigkeiten auf Oberflächen von Feststoffen promoviert worden. Die Disputation fand damals wegen der Pandemie online und live aus meinem Wohnzimmer in Darmstadt statt. Darmstadt, weil ich dort bereits im Sommer zuvor an die Technischen Universität Darmstadt bzw. das Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz wechselte. Und seit Juni 2021 habe ich meine eigene Walter-Benjamin-Stelle an der TU Darmstadt inne.

DFG: In Ihrer Promotionsarbeit scheint es, wie wohl in vielen Bereichen von Physik, Chemie und Technik, darauf anzukommen, über welche Längenskalen gesprochen wird. War das für Sie auch relevant?

HB: Die Natur macht natürlich keine Einteilung, aber für uns ist es sinnvoll über die Zeit- und Längenskalen der Prozesse nachzudenken, da sich dadurch Fragestellungen vielleicht vereinfachen lassen. Nicht auf jeder Skala spielen alle Effekte und Kräfte eine Rolle für den Prozess. Aber diese Einteilung ist dadurch recht willkürlich und auch nicht scharf. In der Fluidverfahrenstechnik können wir oft die Fragestellungen in die drei wesentlichen Gruppen Makro, Mikro und Nano einteilen. Makro bedeutet dabei ganze Apparate wie Destillationskolonnen oder Reaktoren. Hier vernachlässigen wir oft die mikroskopischen Zusammenhänge, z.B. Vorgänge direkt an Phasengrenzen zwischen Flüssigkeit und Dampf. Diese wiederum spielen eine große Rolle in der Mikrofluidik. Wir sprechen hier von Längenskalen von wenigen Millimetern bis Mikrometer, also einem tausendstel Millimeter. Bei kleinen Tropfen oder dünnen Flüssigkeitsfilmen sind Kapillarkräfte und Oberflächenspannung sehr dominant. Nano wiederum geht dann noch eine Stufe runter und betrachtet auch z.B. einzelne Moleküle in Strömungen.

Ich interessiere mich besonders für den Mikrobereich, d.h. gleitende Tropfen auf mikrostrukturierten Oberflächen oder dünne, vibrierende Filme, aber auch Strömungen in Mikrokanälen. Hier gibt es so viel zu entdecken und viele Erklärungen für Effekte stehen noch aus. Dabei sind die Auswirkungen auf Prozesse enorm und viele spannende Anwendungen werden ermöglicht. Beispiele dafür sind z.B. hoch sensitive mikrofluidische Biosensoren für die Detektion von Viren oder rutschende Tropfen als elektrischer Generator oder Bioreaktor.

Im Home Office mit COVID

Im Home Office mit COVID

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DFG: Ihre Promotionsarbeit sieht aber eher nach angewandter Mathematik aus. Und auch im laufenden Walter Benjamin-Projekt scheint, neben einigen mikrofluidischen Experimenten, auch Statistik eine große Rolle zu spielen. Wie passt das mit Mikrofluidik zusammen?

HB: Das stimmt, ich habe während meiner Promotion kein einziges Laborexperiment durchgeführt. Dafür aber eine Menge Computerexperimente. Ich habe also z.B. die Bewegung von Tropfen mit mathematischen Modellen am Computer berechnet. Diese Modelle lassen sich aus physikalischen Grundprinzipien herleiten und bilden die Wirklichkeit oft sehr gut ab. Allerdings ist die Lösung dieser Gleichungen sehr schwierig und aufwändig. Wenn es dann aber funktioniert, dann spart man sich das teure Laborexperiment. Zusätzlich kann ich die Modelle und Lösungen verwenden, um z.B. Steuerungen der Tropfenbewegung zu entwerfen. Diese Steuerungen wiederum könnte man dann in Experimenten verwenden. Was mich zur Statistik in meinem Walter Benjamin-Projekt führt. Wenn man den Kreis aus Simulation des Modells und realen Experimenten schließen möchte, dann hat man schnell das Problem, dass die experimentellen Daten fehlerbehaftet und die mathematischen Modelle eben nicht ganz perfekt sind. Das Feld der Uncertainty Quantification liefert statistische Methoden, um systematisch diese Messfehler und Unsicherheiten erst zu quantifizieren und dann zu reduzieren. So können wir z.B. herausfinden, wo wir nochmal nachmessen sollten, damit wir eine sichere Aussage zu einem beobachteten Effekt treffen können. Und wir können nicht nur Prognosen zu Effekten machen, sondern auch sagen, wie sicher wir uns mit der Prognose sind. Im Sinne von Thomas Bayes, bei dem es zum Beispiel im Hinblick auf die Frage, ob es morgen regnet oder nicht, heißen würde: Ich bin zu 80 % sicher, dass es morgen regnet.

DFG: Als Wuppertaler kann ich das leicht nachvollziehen. Da kommen die Kinder mit Regenschirmen zur Welt und nur wer Sonnenschein prognostiziert, wird überhaupt danach gefragt, wie sicher er sich dessen ist.

HB: Kinder sind ein gutes Stichwort. An ihnen kann man die Logik von Bayes gut erklären. Wenn Sie den Namen nachschlagen finden Sie einen englischen Statistiker, Philosophen und Geistlichen aus dem 18. Jahrhundert. Er beschrieb eine grundlegende Formel zur Berechnung bedingter Wahrscheinlichkeiten. Dieser Satz von Bayes liefert einen systematischen Weg, um Hypothesen oder Aussagen an gemachte Erfahrungen oder Erlebnisse anzupassen. Etwas, was ich bei meinen beiden Kindern täglich beobachten kann. Unserer Ältester wird im August fünf Jahre alt, das zweite Kind im Oktober zwei Jahre alt. Auch der jüngste weiß mittlerweile, dass wenn er ein zusammengebautes Lego vom Älteren kaputt macht, dieser dann sauer wird. Das hat allerdings einige Erfahrungen gebraucht. Der Ältere hat dabei gleichzeitig gelernt seine Aufbauten nicht herumliegen zu lassen, da sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit ein „Unglück“, sprich ein Eingriff des kleinen Bruders passiert. Beide Kinder haben also ihre jeweiligen Vorstellungen davon, wie es läuft, mittels Erfahrungen kalibriert. Und genauso wollen wir das in meinem Forschungsprojekt auch machen.

Mit beiden Kindern vor dem MIT, 77 Massachusetts Avenue

Mit beiden Kindern vor dem MIT, 77 Massachusetts Avenue

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DFG: Jetzt klingen Sie aber eher wie ein Verhaltensökonom und nicht mehr wie ein Verfahrenstechniker.

HB: Das liegt wohl daran, dass Bayesianer bei Ökonomen, Soziologen und Sozialwissenschaftlern deutlich integrierter sind als in der Verfahrenstechnik. Auch bei der Wettervorhersage kommt oft Bayes vor. Mein Eindruck ist aber, dass Statistik überhaupt bei vielen Ingenieuren nicht weithin bekannt ist und wenn doch, dann wird es oft sehr kompliziert ausgedrückt. Bayesche Statistik ist aber sehr intuitiv und führt zu leicht interpretierbaren Wahrscheinlichkeitsaussagen. Sie liegt näher am alltäglichen Sprachgebrauch und dem intuitiven Wahrscheinlichkeitsbegriff und ist damit perfekt für Ingenieure geeignet. Ich hatte zumindest bis vor drei Jahren noch nie etwas von Bayes gehört und bin erst durch Youssef darauf aufmerksam geworden.

DFG: Sie sind jetzt erneut Teil der Uncertainty Quantification Group von Youssef Marzouk am MIT. Wie läuft da die Zusammenarbeit ab?

HB: Die Gruppe hier ist sehr an der Entwicklung und Verbesserung von Methoden zur Lösung von komplexen Problemen der Uncertainty Quantification (UQ) interessiert und darin auch sehr erfolgreich. Dies bedeutet, dass ich zum Glück nicht alle Methoden neu erfinden muss – könnte ich auch gar nicht. Als Ingenieur sehe ich meine Aufgabe an der Schnittstelle zwischen den mathematischen Methoden und der mikrofluidischen Forschung. Ich möchte zeigen, dass diese modernen Methoden der Bayesian UQ auch auf mikrofluidische Fragestellungen aus Darmstadt oder Berlin Antworten geben können. Dabei hilft es, dass die Marzouk-Gruppe hier am MIT Teil des Department of Aeronautics and Astronautics ist, also auch durchaus etwas mit ingenieurwissenschaftlichen Fragestellungen anfangen kann. Damit ist auch viel Verständnis und Interesse für Fluiddynamik vorhanden. Die Diskussionen sind sehr angenehm und effizient. Meine Expertise, und darüber habe ich promoviert, ist dann eben eher im Bereich der Mehrphasen-Fluiddynamik. So können wir uns hier gegenseitig etwas beibringen und interdisziplinäre Fragestellungen bearbeiten, die alleine nicht zu lösen wären.

DFG: Zu welchen komplizierten Prozessen wollen Sie denn derzeit Aussagen machen und welche Prozesse wollen Sie verbessern?

HB: Ich möchte es zunächst allgemein halten, damit eine Übertragbarkeit auf viele Probleme der Mikrofluidik möglich ist. Zur Demonstration verwenden wir zwei verschiedene Beispiele jeweils mit Laborexperimenten. Im ersten Fall soll ein prädiktives Modell für die Stabilität von Löchern in dünnen Flüssigkeitsfilmen auf vibrierenden Oberflächen gefunden werden. Kenntnis über die Lochstabilität ist unter anderem wichtig beim Beschichten oder Säubern von Oberflächen. Dafür kombinieren wir Messdaten mit einer statistischen Beschreibung der Messfehler und vergleichen verschiedene Modelle miteinander. Im zweiten Fall wird ein automatisiertes Detektionsschema aus verrauschten Messdaten von Proben entwickelt, die mit geringer Konzentration in Mikrokanälen transportiert werden. Dazu wird das Verhalten des Detektors statistisch beschrieben, um rückverfolgbare und transparente Entscheidungen unter Unsicherheit zu ermöglichen. Dies erlaubt die Automatisierung von mikrofluidischen Detektionsschemata, beispielsweise in der medizinischen Diagnostik oder bei Hochdurchsatz-Screening-Anwendungen.

DFG: Und das wollen Sie alles innerhalb der kommenden acht Monate bewältigen, samt Umzug der Familie und Eingewöhnung an die neue Umwelt in Cambridge, Massachusetts?

HB: Nein, der Aufenthalt am MIT ist ja nur ein Teil meines zweijährigen Walter-Benjamin Projektes. Bevor ich hierhin kam, habe ich bereits 11 Monate in Darmstadt Laborversuche durchgeführt und Modelle entwickelt. Für die geplanten Arbeitspakete hier am MIT werden die acht Monate hoffentlich ausreichend sein. Einen wesentlichen Teil meines Walter-Benjamin Projektes verbringe ich allerdings an der Technischen Universität Darmstadt. Klar, Umzug und Eingewöhnung sind natürlich mit Familie nochmal extra anstrengend, besonders auch jetzt noch verstärkt durch die Pandemie. Dass es trotzdem funktioniert, hat viel mit meiner Frau zu tun, die sehr hilfreich und unterstützend ist. Mein ältester Sohn geht, finanziert von der DFG, zwei Tage pro Woche in ein Childcare Center am MIT. Mittlerweile haben wir uns gut eingelebt, aber der größte Stressfaktor ist und bleibt das Geld. Der Raum Boston ist extrem teuer, die Inflation hoch und der Wechselkurs schlecht. Insgesamt gesehen zeichnet sich aber schon jetzt ab, dass dies ein wunderschöner und erfolgreicher Aufenthalt mit unvergesslichen Erfahrungen und Erinnerungen wird. Der Aufenthalt am MIT mit seinen ganzen Diskussionen, Seminaren und Netzwerken war für mich und meine Forschung schon 2019 und ist es jetzt wieder ein Katalysator für viele neue Ideen. Danach nehme ich meine Walter Benjamin-Stelle in Darmstadt wieder auf.

In der Red Line mit Boston im Hintergrund

In der Red Line mit Boston im Hintergrund

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DFG: Dort wollen Sie auch nach Auslaufen des Walter Benjamin-Projekts Ihre Karriere fortsetzen?

HB: Das ist noch nicht so klar. Bislang hatte mein Leben schon eine leicht nomadische Färbung, weshalb es mir schwerfällt, mich für längere Zeit an einem Ort vorzustellen. Aber es geht ja nicht nur um mich, sondern auch um meine Frau und ihre Interessen. Eine Mischung aus Stadt und Land wäre wegen der Kinder gut und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist mir sehr wichtig. Welche Stadt es denn werden wird, hängt daher von vielen Faktoren ab, privat wie beruflich. Auch ein Wechsel für einige Jahre in die USA ist nicht ausgeschlossen. Jetzt will ich aber erst einmal, interessante Forschungsergebnisse erzielen und sie auch entsprechend publizieren. Ich genieße die Universität mit ihrem offenen und internationalen Forschungsumfeld und ich würde gerne bald ein Team von Forschern führen. Daher schwebt mir im Augenblick eine erfolgreiche Bewerbung um eine Nachwuchsgruppenleitung vor. Als promovierter Ingenieur bin ich ebenso an technischen Verbesserungen interessiert wie ich auch das zugrundeliegende Verständnis erweitern will. In der Kombination lässt sich das in Deutschland an einigen Standorten realisieren, von denen mir Darmstadt mit am besten geeignet scheint. Exzellenz in einem Gebiet und eine mögliche Kombination aus Grundlagenforschung und Anwendung lässt sich aber bestimmt auch noch anderswo in Deutschland finden. Gleichzeitig hätte ich auch gerne mehr Planungssicherheit was meine Zukunft an der Uni betrifft. Ich denke daher oft und gerne über einen Wechsel in die chemische oder pharmazeutische Industrie nach. Dort werden sehr interessante und sinnvolle Forschungsprojekte durchgeführt. Ich denke, dass ich als Teamleiter in einer Firma ebenfalls sehr glücklich wäre.

DFG: Was ist in Ihren Augen der Unterschied zwischen deutschen Exzellenzzentren und Cambridge, also der Standort des MIT und der Harvard University?

HB: In Cambridge finden Sie vermutlich die weltweit größte Talentverdichtung in vielen Bereichen von Lebens-, Natur- und Ingenieurwissenschaften. Die Liste mit Top-Institutionen im Raum Boston ist lang. Und es ist sehr viel Geld in Bewegung. Harvard hat sich jüngst ein riesiges neues Engineering-Gebäude zugelegt, MIT das College of Computing. Das stampft man woanders nicht mal so einfach aus dem Boden. Zusätzlich reagiert man sehr schnell mit viel Geld auf neue Erkenntnisse, Entwicklungen und aufkommende Themen in Forschung und Lehre. Auf der anderen Seite gibt es vermutlich einen optimalen Grad an Verdichtung, jenseits dessen sich nichts mehr hinzugewinnen lässt. Vielleicht ist Cambridge an diesem Optimum, vielleicht ist es aber auch schon überschritten und anderswo ist man effizienter. Für mich stellt sich immer die Frage, mit wie vielen Leuten ich noch sinnvoll kooperieren kann. Durch Covid haben wir hinsichtlich von Videokonferenzen sicherlich noch einmal viel hinzugelernt. Man muss nicht unbedingt immer am selben Ort sein, um sinnvoll kooperieren zu können. Insgesamt gibt es daher auch in Europa und Deutschland exzellente Möglichkeiten Forschung zu betreiben. Dazu ist aber eine gewisse Planungssicherheit für Nachwuchsforscher nötig. Gerade für mich ist daher die Attraktivität des Forschungsstandorts sehr davon abhängig, welche Möglichkeiten es für den wissenschaftlichen Nachwuchs gibt. Da gibt es im Vergleich USA-Deutschland spezifische Vor- und Nachteile. Mein persönlicher Eindruck ist, dass es in den USA einfacher ist, auf eine entsprechende Stelle als Assistant Professor zu kommen als in Deutschland auf eine Nachwuchsgruppenleiterstelle. Dafür ist man in den USA vielleicht als Postdoc in einer noch stärkeren Abhängigkeit vom jeweiligen Forschungsgruppenleiter. Unser Lebensmittelpunkt ist allerdings derzeit Deutschland. Hier sind unsere Familien und Freunde. Zudem gefällt mir die Vielfältigkeit Europas sehr.

DFG: Eine letzte Frage: Worüber können Sie lachen?

HB: Besonders über und mit meinen beiden Kindern, zwei echte Quatschmacher. Und manchmal bin ich aber auch einfach froh, wenn die Kinder abends im Bett sind. Dann schaue ich gerne TV-Serien mit meiner Frau, gerade 30 Rock und The Office, und esse Mint Chip Ice Cream von Trader Joe‘s. Gemeinsames Lachen und Essen ist etwas Wunderbares.

DFG: Wir danken Ihnen für das interessante und sehr unterhaltsame Gespräch und wünschen Ihnen für die Zukunft viel Erfolg und alles Gute.