„Wissenschaft im Fadenkreuz“ – DFG-Jahresversammlung im Zeichen der weltweit zunehmend bedrohten Wissenschaftsfreiheit
Förderorganisation beriet über Maßnahmen angesichts autoritärer Angriffe in den USA und wissenschaftsfeindlicher Strömungen in Deutschland / Dreitägiges Treffen in Hamburg

© Adobe Stock / Silke Koch
Die weltweit zunehmenden Angriffe auf die Wissenschaft und die Wissenschaftsfreiheit waren das beherrschende Thema auf der Jahresversammlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die am Mittwoch, den 2. Juli 2025, in Hamburg zu Ende gegangen ist. Während des dreitägigen Treffens diskutierten die Gremien der größten Forschungsförderorganisation und zentralen Einrichtung für die Selbstverwaltung der Wissenschaft in Deutschland insbesondere über die aktuelle Situation in den USA seit dem Antritt der Trump-Administration, aber auch über wissenschaftsfeindliche Strömungen in anderen Staaten, so auch in Deutschland.
Neben den Folgen für die Wissenschaften und die Wissenschaftler*innen in den betroffenen Ländern sowie für die weltweite wissenschaftliche Zusammenarbeit ging es dabei zugleich um mögliche Unterstützungsangebote und Abwehrmechanismen – letzteres mündend in der Frage, wie auch das deutsche Wissenschaftssystem resilienter gegenüber zunehmenden Bedrohungen gemacht werden kann.
Die Präsidentin der DFG, Professorin Dr. Katja Becker sprach in Hamburg mit Blick auf die USA von einem „Krieg gegen die Wissenschaft“. In ihrer Rede auf der Festveranstaltung im Rahmen der Jahresversammlung sagte Becker am Dienstagabend vor rund 400 Gästen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft: „Demokratie und Wissenschaft befinden sich im Fadenkreuz. Gestrichene Gelder, verbogenes Recht und aufgezwungene Ideologie werden systematisch eingesetzt, um unabhängig und eigenständig denkende Menschen in die Knie zu zwingen.“ Gezielte Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit seien derzeit jedoch auch in vielen anderen Staaten der Welt zu beobachten, so Becker weiter: „Zusammen mit Anfeindungen gegen das Gerichtswesen und die freie Presse dienen sie dem Machtaufbau nach autokratischer Methode.“
Fokus Solidarität, Unterstützung, Resilienz
Diesen Entwicklungen dürfe die Wissenschaft nicht tatenlos zusehen, unterstrich die DFG-Präsidentin: „Jetzt ist die Zeit aufzustehen und Zeichen zu setzen!“ Die nun gebotene Solidarität müsse sich dabei auch in konkreter Unterstützung ausdrücken, wie sie die DFG selbst beispielsweise durch zusätzliche Forschungsabkommen mit betroffenen Organisationen, gemeinsame Publikationen oder durch den Austausch von Forschungsdaten und Einladungen zu gemeinsamen Konferenzen mit betroffenen Wissenschaftler*innen anbiete.
Darüber hinaus will die DFG sich künftig auch an der geplanten „1000 Köpfe plus“-Initiative der neuen Bundesregierung beteiligen, mit der internationale Spitzenwissenschaftler*innen, denen dies in ihren Heimatländern und -forschungseinrichtungen verwehrt ist, ihre Arbeiten in Deutschland selbstbestimmt weiterführen können sollen. Auf Empfehlung des Präsidiums beschlossen der Senat und der Hauptausschuss der Organisation in Hamburg, entsprechende Förderungen im Rahmen der Personenförderung und der Verbundförderprogramme grundsätzlich zu ermöglichen. Die weiteren Details sollen nun in den kommenden Wochen ausgearbeitet werden. „Diese Initiative kommt als Unterstützungsmaßnahme genau zur richtigen Zeit und befördert zugleich das Konzept der weltweiten Brain-Circulation“, sagte hierzu Präsidentin Katja Becker.
Mit Blick auf wissenschaftsfeindliche Strömungen auch in Deutschland hat der Senat der DFG bereits Ende März eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die dazu beitragen soll, die Freiheit und institutionelle Autonomie der DFG und der Wissenschaft hier zu Lande insgesamt langfristig zu schützen. Hierbei, so Präsidentin Becker nun in Hamburg, gehe es etwa darum, „mögliche Einfallstore für die Einflussnahme auf die Inhalte und die Finanzierung der Forschung zu schließen“, indem Geschäfts- und Verfahrensordnungen von Gremien krisenfest gemacht würden. Bei zahlreichen Themen setzt die DFG zudem auf gemeinsames Vorgehen in der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, so etwa in der zentralen Frage der Sicherung von Forschungsdaten über den von ihr koordinierten Allianz-Schwerpunkt „Digitalität in der Wissenschaft“. Im Blick steht schließlich die Stärkung der individuellen Resilienz durch Beratungs- und Unterstützungsangebote für einzelne Wissenschaftler*innen.
In den Gremien
Weitere Themen der Gremiensitzungen auf der Jahresversammlung waren unter anderem die ersten wissenschaftspolitischen Akzente der neuen Bundesregierung. Diese zeugen aus Sicht der DFG von einem klaren Bekenntnis zur Wissenschaftsfreiheit und zu einem starken Forschungsstandort sowie von hohem Vertrauen in die Innovationskraft wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik habe sich zuletzt in den einmütigen Auswahlentscheidungen über die künftig geförderten 70 Exzellenzcluster in der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder besonders eindrucksvoll gezeigt.
In der abschließenden Mitgliederversammlung berichteten Präsidentin Becker und Generalsekretärin Dr. Heide Ahrens zum Förderhandeln und zu den Aktivitäten der DFG seit der Mitgliederversammlung 2024 in Potsdam. Im Anschluss beschlossen die Vertreter*innen der Mitgliedseinrichtungen die Anpassung des Verfahrensablaufs und der Kriterien für das Mitgliedschaftsverfahren; hierzu sollen nähere Informationen für an einer Mitgliedschaft interessierte Einrichtungen in Kürze im Internetangebot der DFG zur Verfügung gestellt werden. Weitere Beschlüsse galten einer Änderung der Satzung hinsichtlich der näheren Ausgestaltung der Sitzungen und Beschlussfassungen durch die Gremien sowie einer Änderung der Verfahrensordnung für die Vorbereitung und Durchführung von Wahlen und Abstimmungen durch die Mitgliederversammlung, die vor allem die Abläufe der Wahlen betrifft.
Bei Wahlen zur Ergänzung der Gremien wurden die Paderborner Wirtschaftswissenschaftlerin Professorin Dr. Caren Sureth-Sloane neu und die Vizepräsident*innen Professorin Dr. Karin Jacobs und Professor Dr. Peter H. Seeberger für eine zweite Amtszeit in das Präsidium der DFG gewählt. In den Senat der Organisation wurden sechs Mitglieder erstmals und ebenfalls sechs Mitglieder für eine zweite Amtszeit gewählt.
Jahresbericht mit aktuellen Förderzahlen
Wie aus dem ebenfalls in der Mitgliederversammlung vorgelegten „Jahresbericht 2024“ hervorgeht, hat die DFG im vergangenen Jahr insgesamt 30 944 Projekte mit einer Gesamtsumme von rund 3,9 Milliarden Euro gefördert. Wie in den Vorjahren war dabei mehr als die Hälfte aller geförderten Projekte – 16 963 Projekte, das entspricht 54,8 Prozent – in der Einzelförderung angesiedelt; für sie wurden rund 1,4 Milliarden Euro Fördermittel bewilligt. In den Graduiertenkollegs, Sonderforschungsbereichen und anderen Koordinierten Programmen wurden 877 Verbünde mit insgesamt 11 979 Teilprojekten und einer Gesamtbewilligungssumme von rund 1,7 Milliarden Euro gefördert.
Aufgeteilt nach den großen Wissenschaftsbereichen erhielten die Lebenswissenschaften mit rund 1,4 Milliarden Euro die meisten Fördermittel (35,9 Prozent der Gesamtbewilligungssumme), gefolgt von den Naturwissenschaften mit rund 913 Millionen Euro (23,5 Prozent), den Ingenieurwissenschaften mit rund 780 Millionen Euro (20,1 Prozent) und den Geistes- und Sozialwissenschaften mit rund 656 Millionen Euro (16,9 Prozent); Projekte ohne fachliche Zuordnung wurden mit rund 146 Millionen Euro (3,7 Prozent) gefördert.
Verleihung des Communicator-Preises
Neben der Festveranstaltung in der Fischauktionshalle in Hamburg-Altona, auf der der Staatssekretär im Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR), Dr. Rolf-Dieter Jungk, und die Hamburger Wissenschaftssenatorin Maryam Blumenthal Grußworte hielten, fand mit der Verleihung des diesjährigen Communicator-Preises von DFG und Stifterverband eine zweite festliche Veranstaltung im Rahmen des Jahrestreffens statt. Die mit 50.000 Euro dotierte renommierteste Auszeichnung ihrer Art in Deutschland erhielt am Montagabend im Opernloft im Alten Fährterminal Altona die Deutschdidaktikerin Professorin Dr. Petra Anders. Die Wissenschaftlerin von der Berliner Humboldt-Universität wurde damit für ihre herausragende Wissenschaftskommunikation zur Förderung der Lese- und Sprachkompetenz von Schüler*innen in der Primarstufe geehrt.
Die Jahresversammlung 2026 der DFG soll in Bonn stattfinden.
Weiterführende Informationen
Die Rede von DFG-Präsidentin Katja Becker auf der Festveranstaltung mit dem Titel „Wissenschaft im Fadenkreuz(Download) ist ab sofort verfügbar.
Zu den wichtigsten Einzelentscheidungen der Jahresversammlung folgt nach dieser Zusammenfassung eine Reihe weiterer Pressemitteilungen. Sie finden sich fortlaufend aktualisiert auch in einer digitalen Pressemapp(interner Link). Dort stehen auch Fotos der Festveranstaltung sowie der Verleihung des Communicator-Preises zum Download zur Verfügung.
Begleitende Informationen auch im Internetangebot der DFG unter www.dfg.d(interner Link) und via Social Media auf
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Der DFG-Jahresbericht 2024 ist hier im Volltext zugänglic(interner Link), eine Druckfassung kann angefordert werden bei: presse@dfg.d(externer Link)
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