Risiko erhitzter Lebensmittel: gesundheitsschädliche Wirkungen von Glykierungsprodukten nicht belegt
Auswirkungen von Glykierungsprodukten: DFG-Senatskommission zur gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln veröffentlichte systematische Übersichtsstudie
Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen oder Nierenschäden – diesen und weiteren gesundheitlichen Risiken ist man laut verschiedenen Ratgeberplattformen durch den übermäßigen Verzehr von erhitzten Lebensmitteln, die sogenannte Glykierungsprodukte enthalten können, ausgesetzt. Die Wissenschaftlichkeit dieser Aussagen ist jedoch umstritten. In einer umfassenden systematischen Literaturauswertung hat jetzt die Senatskommission zur gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln (SKLM) der DFG untersucht, ob es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Glykierungsprodukten über die Nahrung und negativen Einflüssen auf die Gesundheit gibt. Das Ergebnis: Anhand der verfügbaren wissenschaftlichen Daten fanden die Wissenschaftler*innen keine überzeugenden Belege für einen solchen Zusammenhang. Die Ergebnisse der Auswertung wurden in der Fachzeitschrift „Critical Reviews in Toxicology“ veröffentlicht.
Der Begriff „Glykierungsprodukte“ umfasst ein breites Spektrum strukturell sehr unterschiedlicher Verbindungen. Diese entstehen sowohl endogen im menschlichen Körper als auch beim Erhitzen von Lebensmitteln durch die Maillard-Reaktion, eine chemische Reaktion zwischen reduzierenden Zuckern und Aminosäuren. In den vergangenen Jahren hat sich in Wissenschaft und Öffentlichkeit vermehrt der Begriff „Advanced glycation end products“ (AGEs) durchgesetzt. Er steht für eine Vielzahl an Produkten der Maillard-Reaktion, in erster Linie für stabile Endprodukte. Als Überbegriff wird er allerdings der Vielfalt und Heterogenität der Substanzen kaum gerecht.
Um der Frage nach möglichen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit nachzugehen, fasste die SKLM jetzt die in der Literatur verfügbaren Daten zu Bildung, Vorkommen, Exposition und Toxizität von Glykierungsverbindungen systematisch zusammen und untersuchte, ob deren Aufnahme mit Krankheiten wie Allergien, Diabetes, gastrointestinalen Störungen, kognitiven Beeinträchtigungen, Krebs sowie Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen zusammenhängt.
Nur wenige aussagekräftige Studien
Dazu beurteilten die Autor*innen die verfügbaren Human- und Tierstudien nach festgelegten Qualitätskriterien. Die Ergebnisse zeigten, dass nur wenige Humanstudien zum Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Glykierungsprodukten über die Nahrung und möglichen gesundheitlichen Risiken diese Qualitätskriterien erfüllen. Humanstudien hatten häufig zu kleine Stichprobengrößen oder eine unzureichende Studiendauer, charakterisierten die Glykierungsprodukten unzureichend oder berücksichtigten mögliche Störfaktoren nicht. „Die wenigen vorhandenen qualitativ hochwertigen Humanstudien mit für den Menschen realistischen Aufnahmemengen lieferten keine eindeutigen Beweise für gesundheitsschädliche Wirkungen durch Glykierungsprodukte aus der Nahrung“, betont Professorin Dr. Angela Mally von der Universität Würzburg, Mitglied der Senatskommission.
Aus den Tierstudien ergaben sich zwar Hinweise auf eine Beeinträchtigung von Glukosetoleranz, Insulinresistenz, Nierenschäden sowie auf nachteilige Effekte auf das Herz-Kreislauf-System bzw. den Stoffwechsel. Solche Wirkungen traten jedoch in der Regel erst bei Dosierungen auf, die weit über den für Menschen typischen Aufnahmemengen liegen. Bei Mäusen zeigte die Langzeitgabe einer typischen Dicarbonylverbindung über 18 Monate selbst bei hoher Dosierung keine nachteiligen Gesundheitseffekte.
Zusammenfassend kommt die SKLM zu dem Schluss, dass es derzeit keine überzeugenden Belege für einen kausalen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Glykierungsprodukten über die Nahrung und nachteiligen Gesundheitseffekten gibt. Gleichzeitig unterstreichen die Wissenschaftler*innen die Notwendigkeit der Durchführung qualitativ hochwertiger Human- und Tierstudien, die anerkannten Qualitätsstandards entsprechen.
„Problematisch ist in der Regel die Verwendung mangelhafter analytischer Methoden als Grundlage für die Abschätzung der Zufuhr individueller Glykierungsprodukte sowie die Überinterpretation toxikologischer Studien, in denen Glykierungsprodukte in teils extrem hohen Dosen eingesetzt werden, die mit üblichen Zubereitungsmethoden nicht erreicht werden können“, erläutert Professor Dr. Michael Hellwig von der TU Dresden, Mitglied der Senatskommission. „Bislang konnten wir keine überzeugenden Hinweise auf toxikologische Effekte einzelner Verbindungen ausfindig machen“, so Hellwig weiter.
Die SKLM weist darauf hin, dass beim Erhitzen von Lebensmitteln andere Prozesskontaminanten entstehen können, zum Beispiel Acrylamid, Furan und Nitrosamine, deren Gehalte in Lebensmitteln weiterhin zu minimieren sind.
Förderung
Die Studie wurde durch die DFG gefördert.
Originalpublikation
Hellwig, M., Diel, P., Eisenbrand, G., Grune, T., Guth, S., Henle, T., Humpf, H.-U., Joost, H.-G., Marko, D., Raupbach, J., Roth, A., Vieths, S. & Mally, A.: Dietary glycation compounds – implications for human health. Critical Reviews in Toxicology (2024), https://doi.org/10.1080/10408444.2024.236298(externer Link)
Sekretariat der Senatskommission zur gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln
Dr. Sabine Guth, Dr. Angelika Roth, Dr. María A. Villar Fernández: SKLM@ifado.d(externer Link)
Fachliche Ansprechpartnerin in der DFG-Geschäftsstelle
E-Mail: | anke.deggerich@dfg.de |
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