Die Förderstrategie der DFG

Dem Selbstverständnis der DFG als Selbstverwaltungsorganisation folgend kann jede*jeder antragsberechtigte*r Wissenschaftler*in zu jeder Zeit und zu jedem Forschungsthema einen Förderantrag stellen. Indem die DFG keine thematische Richtung vorgibt, sondern auf Anträge zu beliebigen Themen reagiert, fördert sie Forschung vorwiegend im so genannten response mode. So wenig es aber eine idealtypische, sich autonom fortentwickelnde Wissenschaft gibt, so wenig hat die DFG seit Jahrzehnten ausschließlich im response mode agiert. Der Auftrag der DFG zur Förderung der selbstbestimmten Entwicklung der Wissenschaft schloss immer auch einen Gestaltungsauftrag ein. Dieser Gestaltungsauftrag ergibt sich bereits aus der Ressourcen-Verteilung innerhalb des Wettbewerbs und den damit verbundenen Förderentscheidungen, die letztlich auch Auswirkungen auf den Gang der entsprechenden Wissenschaftsgebiete und Forschungsstandorte haben.

Gestalten durch Förderentscheidungen zeigt sich auf einer untersten Stufe bereits in einer immer häufiger erforderlichen Prioritätensetzung, die spätestens dann unumgänglich wird, wenn der finanzielle Rahmen eine Förderung aller positiv begutachteten Anträge nicht erlaubt. Die Bedeutung und Auswirkung beider Aspekte – fachstrategische oder strukturelle Programme und indirekte Gestaltung durch Prioritätensetzung in den Förderentscheidungen – sind im Lauf der Jahrzehnte angestiegen, und zwar in dem Maße, in dem das Fördervolumen der DFG und damit ihr Gewicht als Förderorganisation zugenommen haben.

Die Förderstrategie der DFG zeigt sich auf drei relevante Ebenen:

Förderentscheidungen der DFG werden maßgeblich nach dem Kriterium der wissenschaftlichen Qualität getroffen. Damit trifft die DFG bereits auf der ersten Ebene eine strategische Grundentscheidung, die als solche vor allem dann deutlich wird, wenn man sich andere denkbare Leitkriterien vergegenwärtigt, wie zum Beispiel regionaler oder fachlicher Proporz in der Verteilung der Fördermittel, gesellschaftliche Relevanz oder ökonomische Verwertbarkeit. Indem die DFG aber primär auf die wissenschaftliche Qualität setzt, legt sie sich zugleich auch auf die Grundlagenforschung fest, denn nur diese lässt eine Priorisierung des Kriteriums ‚wissenschaftliche Qualität’ letztlich in aller Konsequenz zu. Bereits die Setzung des Qualitätskriteriums als oberste Orientierung markiert eine klare strategische Ausrichtung.

Auf einer zweiten Ebene folgt die DFG fünf Querschnittzielen: Der Stärkung der interdisziplinären Forschung, der internationalen Kooperationen zwischen den Forscher*innen , der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, der Gleichstellung von Männern und Frauen in der Wissenschaft und der Vernetzung über die institutionellen Grenzen des Wissenschaftssystems hinaus. Diese Ziele werden in allen Förderprogrammen mit unterschiedlicher Gewichtung verfolgt. Übergeordnetes Kriterium ist aber stets die Forderung nach wissenschaftlicher Qualität, andere Gesichtspunkte sind nachgeordnet. So kann ein Vorhaben, das zwar eine überzeugende Nachwuchsförderung verspricht, aber wissenschaftlich nicht so innovativ ist, nicht mit einer Förderung rechnen.

Ein Charakteristikum des strategischen Handelns der DFG lässt sich besonders anschaulich am Beispiel der strukturellen Ziele, denen einige Förderprogramme verpflichtet sind, verdeutlichen. Beispielsweise haben Sonderforschungsbereiche, Forschungszentren oder Klinischen Forschergruppen das Ziel eines Aufbaus von Forschungsschwerpunkten, also struktureller Veränderungen an den Forschungseinrichtungen. Die DFG verfolgt diese Schwerpunktsetzung nicht selbst, sie bietet den Hochschulen aber entsprechende strategische Instrumente an. Was für alle Förderprogramme zutrifft gilt bei diesen Programmen in besonderem Maße: Die DFG wirkt auf die Entwicklung eines Fachgebiets oder eines Standorts durch die Bereithaltung eines Angebots ein. Strategisches Handeln der DFG ist nie direkt oder direktiv, sondern erfordert immer andere, die die gebotenen Möglichkeiten aufgreifen. Weil sie nicht selbst Forschung betreibt und damit nicht direkt in den Fortgang der Forschung eingreift, setzt sie ihr Förderstrategie auch nicht unmittelbar um.

Im Zentrum der immer wieder aufkommenden Diskussion über die Frage nach dem Auftrag und den Grenzen der Förderstrategie und es strategischen Handelns der DFG steht aber die dritte Ebene, die fachbezogener Förderinitiativen. Auch diese Ebene ist für die DFG nicht neu, sie blickt vielmehr auf sechzig Jahre Erfahrung mit den Schwerpunktprogrammen zurück. Das Förderprogramm wurde 1952 dezidiert mit dem Ziel eingerichtet, „Förderung der Forschung auf solchen Gebieten anzuregen, auf denen im Vergleich mit dem Ausland ein besonders dringender Nachholbedarf besteht oder die sonst als besonders wichtig erscheinen“. Das Verfahren zur Einrichtung von Schwerpunktprogrammen wurde seither mehrfach modifiziert. Nach wie vor gilt aber die Grundstruktur, der zufolge Wissenschaftler*innen dem Senat zunächst Vorschläge für neue Schwerpunktprobleme unterbreiten, der Senat aus den Vorschlägen auf Basis einer vorhergehenden Begutachtung die Erfolgversprechenden auswählt, die Schwerpunktprogramme anschließend ausschreibt und damit zur Antragstellung auffordert. Mit dem Weg der doppelten Rückbindung an die Fachcommunities (Vorschlag aus den Communities und Antragsaufforderung an die Communities) wurde ein Handlungsmuster gefunden, die seither das fachbezogene strategische Handeln prägt.

Initiativen zur eigenen fachlichen Akzentsetzung der DFG resultieren aus der Einsicht, dass ein reiner bottom-up-Ansatz zu ungewollten Brüchen und Blockaden führen kann, was sich letztlich wiederum hemmend auf eine selbstorganisierte Forschungsförderung auswirkt. Denn Selbstverwaltung ist nicht per se immun gegen Formen der Institutionalisierung, gegen Bildung personeller Netzwerke und Beharrungstendenzen im Innovationsfortschritt. Geeignete Gegenmaßnahmen dürfen jedoch dem Geist der Selbstverwaltung nicht widersprechen und müssen auch so etabliert werden. Deshalb hat die DFG ihr Peer Review-Verfahren laufend verbessert und darüber hinaus in den Gremien und in der Geschäftsstelle Vorkehrungen getroffen, die es erlauben, entsprechenden Tendenzen frühzeitig entgegenzuwirken. Strategisches Handeln ist jedoch nicht ausschließlich durch die Neutralisierung von unerwünschten Nebeneffekten motiviert. Wenn die DFG aber fachbezogene strategische Impulse setzt, dann können Initiativen nur ausschließlich wissenschaftsinhärent begründet sein. Konkret leitet sich das fachbezogene Handeln primär aus den beiden entscheidenden Elementen eines Wettbewerbs ab, nämlich Geschwindigkeit und Vergleich. Den Referenzrahmen bildet dabei immer die globale Entwicklung der Grundlagenforschung. Forschungsstrategische Aktivitäten in einem fachbezogenen Sinne haben ihren Ausgangspunkt immer in den Perspektiven der Hauptfragen, die wie folgt formuliert werden können:

  • Wo lassen sich Stärken der Wissenschaft in Deutschland unterstützen, um international führend zu werden oder zu bleiben?
  • Wo gibt es Schwächen, die behoben werden müssen, um notwendige wissenschaftliche Entwicklungen nicht zu blockieren?
  • Wo werden international erkennbare Entwicklungen nicht oder nur zögernd aufgenommen?
  • Wo verhindert ein oftmals disziplinär ausgeprägter Konsens eine Unterstützung abweichender risikoreicher Forschungsansätze?

Für die Umsetzung einer fachstrategischen Initiative steht der DFG ein vielfältiges Instrumentenrepertoire zur Verfügung. Grundsätzlich eignen sich alle Förderprogramme zur Realisierung strategischer Impulse. Als besonders wirksam haben sich in den vergangenen Jahren folgende Instrumente herausgestellt:

  • Stellungnahmen und Denkschriften
  • Rundgespräche und Workshops
  • Bi- und multilaterale Ausschreibungen
  • Nachwuchsakademien
  • Ideenwettbewerbe
  • Ausschreibungen zur Einrichtung von Forschergruppen
  • Schwerpunktprogramme
  • DFG-Forschungszentren

Bei den strategischen Aktivitäten auf ausgewählten Forschungsfeldern geht es häufig nicht ausschließlich um reine Neuerschließung, sondern vielfach um einen gezielten Ausbau und die Etablierung eines im Wachstum befindlichen Forschungsfelds.

So vielfältig die verschiedenen Förderformate für die Umsetzung fachstrategischer Initiativen sind, ist auch die Gruppe derer, die diese Initiativen anstoßen. Es ist Ausdruck des Selbstverständnisses der DFG als Selbstverwaltungsorganisation der Wissenschaft und Stärke ihres Gremiengefüges, dass strategische Initiativen weder von einem starren Prozessweg ausgehen noch immer nur von einem Gremium, dem das Initiativrecht vorbehalten wäre, sondern sich aus verschiedenen Quellen speisen. Die Legitimation für strategisches Förderhandeln der DFG, nämlich dass es wissenschaftsgeleitet sein muss und in enger Rückkoppelung mit den Communities erfolgt, führt dazu, dass entsprechende Initiativen auch von verschiedener Seite angeregt werden. Anregungen kommen daher

  • direkt aus den Fachcommunities
  • aus den Fachkollegien
  • von der Geschäftsstelle in Absprache mit den Fachkollegien
  • aus den vom Präsidium eingesetzten Projektgruppen
  • von den Senatskommissionen bzw. Unterausschüssen des Senats und Hauptausschusses
  • unmittelbar aus dem Senat
  • aus dem Präsidium.

In dem Bemühen um eine möglichst große Offenheit für Anregungen aus allen Kreisen der Wissenschaft nimmt die DFG dabei bewusst in Kauf, dass auch die Prozesswege flexibel bleiben müssen. Aus welcher Richtung die Anregungen auch kommen, am Ende steht eine Beratung und Entscheidung im Präsidium und Senat.

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