Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2005 geht an zwei Wissenschaftlerinnen und acht Wissenschaftler. Sie sind aus 130 Vorschlägen ausgewählt worden. Der mit 1,55 Millionen Euro dotierte Preis wurde am 2. März 2005 in Berlin verliehen. Er zeichnet hervorragende Wissenschaftler*innen für herausragende wissenschaftliche Leistungen aus.
Der Biochemiker Peter Becker beschäftigt sich mit der Dynamik von Chromatin-Strukturen, also mit Verpackungszuständen der DNA. Die menschliche Erbinformation liegt in den langen Fäden der DNA vor. Um in eine Zelle zu passen, müssen diese Fäden "verpackt" werden. Der Verpackungsgrad richtet sich unter anderem danach, wie häufig die Informationen benötigt werden. Diese komplexe Organisationsform der DNA wird als Chromatin bezeichnet. Peter Becker geht der Frage nach, wie sich die Verpackung der DNA im Zusammenhang mit der Regulierung von Genaktivitäten verändert. Es ist ihm mit seinen Arbeiten gelungen, ein neues Prinzip der Chromatin-Dynamik aufzudecken. So hat er unter anderem gezeigt, dass die Histone - Proteine, die wie eine Art Fadenrolle für die DNA fungieren - auf dem DNA-Faden verschoben werden, wenn sie etwa bei der Aktivierung bestimmter Genabschnitte "im Wege" sind. Diese Forschungsergebnisse sind von großer Bedeutung für das Verständnis der Genaktivitäten bei der Entstehung von Krebs oder der embryonalen Entwicklung.
Peter Becker hat in Heidelberg Biologie studiert und im Fach Biochemie promoviert. Nach einer dreijährigen Tätigkeit als Postdoktorand an den National Institutes of Health (NIH) in den USA war er von 1991 bis 1999 Gruppenleiter am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg. Seit 1999 hat er den Lehrstuhl für Molekularbiologie am Adolf-Butenandt-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München inne.
Ein erster wissenschaftlicher Durchbruch gelang Immanuel Bloch 1999, als er gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern den "Münchner Atomlaser" entwickelte. In diesem Experiment wurden erstmals Bose-Einstein-Kondensate genutzt, um einen kontinuierlichen Strahl kohärenter Materiewellen auszusenden. Diese ähneln dem Lichtstrahl eines Lasers, bestehen aber im Unterschied zu diesem aus ultrakalten Atomen. Durch Überlagerung zweier solcher Materiewellen erhält man, ähnlich wie bei herkömmlichen Lasern, ein Interferenzmuster wechselseitiger Verstärkung und Auslöschung der Materiewellen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt von Immanuel Bloch ist die Manipulation von ultrakalten Bose-Gasen mit Hilfe eines Gitters aus Lichtwellen. Durch den Einsatz von Laserstrahlen hat er dabei erstmals ein Bose-Einstein-Kondensat so verändert, dass es in einen neuen Materiezustand überführt wurde, den so genannten Mott-Isolator-Zustand. Dieser Materiezustand hat grundlegend neue Eigenschaften, die unter anderem für die Entwicklung von Quantencomputern genutzt werden.
Immanuel Bloch studierte von 1991 bis 1996 Physik an der Universität Bonn. Nach einem einjährigen Forschungsaufenthalt an der Stanford University in den USA schloss er 2000 in München seine Promotion ab. 2003 nahm er im Alter von nur 31 Jahren einen Ruf als C4-Professor an die Universität Mainz an.
Das Arbeitsgebiet von Stefanie Dimmeler ist die Biologie der Blutgefäße. Durch ein besseres Verständnis der biologischen und pathologischen Prozesse in der Gefäßwand will sie die Grundlage für neue Behandlungsmethoden von Herz-Kreislauf-Erkrankungen schaffen. Ihr zentrales Forschungsthema ist der programmierte Tod von Zellen im so genannten Endothel, einem Gewebe, das die Blutgefäße auskleidet. Jede Zelle hat im Erbgut eine Art Selbstzerstörungsprogramm, das auf bestimmte Signale hin ausgelöst wird und beispielsweise für die Erneuerung von Gewebe oder für das Wachstum notwendig ist. Die Selbstzerstörung der Zellen wird zumeist von Botenstoffen in Gang gesetzt, kann aber auch durch eine Schädigung der Zelle ausgelöst werden. Stefanie Dimmeler hat grundlegende Prozesse der Schädigung und Regeneration von Blutgefäßen untersucht und damit wesentlich zum Verständnis der Arteriosklerose (Arterienverkalkung) beigetragen. Darüber hinaus bildeten ihre Arbeiten zu den Vorläuferzellen (Progenitorzellen) der Blutgefäße, die aus dem Knochenmark gewonnen werden, die Grundlage für erste klinische Studien zur Stammzelltherapie bei Infarktpatienten.
Stefanie Dimmeler studierte Biologie in Konstanz und wurde dort 1993 promoviert. 1995 ging sie an die Universität Frankfurt, wo sie seit 1997 das Labor für Molekulare Kardiologie leitet. Sie habilitierte sich 1998 und nahm im Jahr 2000 den Ruf auf eine Professur für Molekulare Kardiologie der Universität Frankfurt an.
Das Arbeitsgebiet von Jürgen Gauß ist die Theoretische Quantenchemie. Diese spielt in der chemischen Forschung eine immer bedeutendere Rolle. Zunehmend werden experimentelle Untersuchungen mit quantenchemischen Rechnungen kombiniert, um experimentelle Daten zu bestätigen, deren Auswertung zu erleichtern beziehungsweise erst zu ermöglichen oder um zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen. Hier hat Jürgen Gauß grundlegende methodische Beiträge geleistet und in leistungsfähige Computerprogramme umgesetzt, die inzwischen weltweit von vielen Arbeitsgruppen genutzt werden. Seine Arbeiten wurden mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen gewürdigt, darunter dem renommierten Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft und der Medaille der International Academy of Quantum Molecular Science.
Jürgen Gauß studierte Chemie in Köln und promovierte dort 1988 mit einer Arbeit in der Theoretischen Chemie. Als Postdoktorand forschte er zunächst in den USA an der University of Washington in Seattle und am Quantum Theory Project der University of Florida in Gainesville. 1993 habilitierte er sich an der Universität Karlsruhe und nahm 1995 den Ruf auf eine Professur an der Universität Mainz an. Seit 2001 hat er dort den neu eingerichteten Lehrstuhl für Theoretische Chemie inne.
Günther Hasinger gehört weltweit zu den führenden Wissenschaftlern in der Röntgenastronomie. Im Jahr 2002 gelang es dem Astrophysiker und seinem Team zum ersten Mal, in einer fernen Galaxie das bevorstehende Verschmelzen zweier supermassiver Schwarzer Löcher nachzuweisen. In den letzten Jahren hat sich Günther Hasinger mit der Erforschung des Röntgenhintergrunds beschäftigt. Seine Untersuchungen halfen nachzuweisen, dass diese diffuse Röntgenstrahlung unter anderem von unzähligen leuchtkräftigen Galaxien auf die Erde trifft. Seine Forschung zur Entstehung von Galaxien hat maßgeblich dazu beigetragen, dass massive Schwarze Löcher in den Galaxiezentren weniger als Produkt der Entwicklung von Galaxien, sondern vielmehr als Keime für deren Ursprung verstanden werden. Aktuell befasst sich Günther Hasinger sowohl mit Untersuchungen Aktiver Galaxienkerne als auch mit der Suche nach der Dunklen Materie. In diesem Zusammenhang ist er mit der Entwicklung von Röntgenteleskopen befasst, die als Satelliten unter anderem auch Fragen nach der Verteilung von Materie und der frühen Entwicklung von Sternen und Galaxien beantworten sollen.
Günther Hasinger studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München Physik und schloss dort 1984 seine Promotion in Astronomie ab. Nach seiner Habilitation 1995 trat er zunächst eine Professur an der Universität Potsdam an und war dort gleichzeitig Direktor des Astrophysikalischen Instituts. Seit 2001 ist er Direktor des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching.
Christian Jung beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturpflanzen. Dabei setzt er Methoden der molekularen Pflanzengenetik ein, die durch gezielte genetische Eingriffe unter anderem die Züchtung schädlingsresistenter Pflanzen ermöglicht. Ihm gelang es, ein Resistenz-Gen zum Schutz von Zuckerrüben gegen Fadenwürmer (Nematoden) zu bestimmen. Das ursprünglich aus einer Wildform der Zuckerrübe isolierte Gen macht Kultursorten vollkommen resistent gegen Fadenwürmer, einem der gravierendsten Pflanzenschädlinge an Zuckerrüben. Darüber hinaus befasst sich Christian Jung sehr erfolgreich mit Genen, die die Geschlechtsausprägung von Pflanzen bestimmen. Diese Arbeiten sind nicht nur für die molekulare Grundlagenforschung, sondern auch für die Pflanzenzüchtung von großer Bedeutung. Durch seine langjährige Tätigkeit in der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit und öffentliche Stellungnahmen zur Neuordnung des Gentechnikgesetzes hat Christian Jung darüber hinaus einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion um die Grüne Gentechnik geleistet.
Christian Jung studierte in Göttingen Agrarwissenschaften und arbeitete nach seiner Promotion zunächst an der Universität München, wo er sich 1992 mit einer Arbeit über molekulare Genomanalyse bei Nutzpflanzen habilitierte. 1993 ging er als Direktor an das Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Universität Kiel.
Axel Ockenfels beschäftigt sich mit dem Verhalten von Menschen bei ökonomischen Entscheidungen, genauer gesagt mit der Frage, welche strategischen und rationalen Parameter diese Entscheidungen beeinflussen. Mit Hilfe der Spieltheorie hat Axel Ockenfels ein Verhaltensmodell entwickelt, das scheinbar widersprüchliche ökonomische Entscheidungsmuster erklären und vorhersagen kann. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit sind Internet- und Auktionsmärkte. Mit innovativen Experimentaltechniken analysiert er das strategische Bietverhalten und die Auktionsregeln von Internetplattformen und hat damit hochkomplexe, reale Märkte einer wissenschaftlich fundierten Untersuchung zugänglich gemacht. Seine jüngsten Arbeiten beschäftigen sich mit der Erforschung der Marktarchitektur und versprechen nicht nur ein großes Potenzial für die Grundlagenforschung, sondern auch für die Organisation moderner Märkte. Axel Ockenfels hat mehrere bahnbrechende Arbeiten in international führenden wirtschaftswissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht und gehört derzeit zu den meist zitierten Autoren in seinem Arbeitsgebiet.
Axel Ockenfels promovierte 1998 in der Volkswirtschaftslehre an der Universität Magdeburg und habilitierte sich dort drei Jahre später. 2001 übernahm er die Leitung einer Nachwuchsgruppe im Emmy Noether-Programm der DFG, von 2002 bis 2003 die Leitung einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Wirtschaftssystemen in Jena. Seit 2003 ist er Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaft der Universität Köln sowie Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts und des Laboratoriums für Experimentelle Wirtschaftsforschung.
Der Erfolg ingenieurwissenschaftlicher Forschung wird unter anderem an ihrem Anwendungspotenzial gemessen. Forscher arbeiten darauf hin, die physikalischen und chemischen Grundlagen der Wechselwirkung zwischen Partikeln zu verstehen und diese anzuwenden mit dem Ziel, bestimmte Produkteigenschaften zu erhalten. Wolfgang Peukert hat an dieser Schnittstelle von Grundlagenforschung und Anwendung große Erfolge zu verzeichnen. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Partikeltechnik im Submikronbereich. Das Verhalten und die Wechselwirkung von Partikeln ist ausschlaggebend für die Eigenschaften eines Produktes. Während in der Vergangenheit die interessanten Partikelgrößen oberhalb eines Mikrometers lagen, fordern heute immer mehr Anwendungen wesentlich feinere Partikel. Durch seine Arbeiten zum Verhalten von Partikeln im Submikron- und Nanometerbereich hat Wolfgang Peukert die wissenschaftlichen Zusammenhänge geklärt und die Grundlagen für die gezielte Herstellung von Produkteigenschaften und damit für die Anwendung geschaffen.
Nach den Studium des Chemieingenieurwesens an der Universität Karlsruhe und anschließender Promotion in der Mechanischen Verfahrenstechnik war Wolfgang Peukert zunächst in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Hosokawa Konzerns in Deutschland und Japan tätig. 1998 übernahm er den Lehrstuhl für Verfahrenstechnik an der Technischen Universität München und wechselte im Frühjahr 2003 an die Universität Erlangen-Nürnberg auf den Lehrstuhl für Feststoff- und Grenzflächenverfahrenstechnik.
Barbara Stollberg-Rilingers wissenschaftliches Interesse gilt den politischen und kulturellen Bewegungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert. Sie untersucht neben den großen ideen- und verfassungsgeschichtlichen Entwicklungen, wie etwa der Aufklärung, auch sozial- und kommunikationsgeschichtliche Innovationen. Dazu gehören religiöse Erneuerungsbewegungen ebenso wie neue Geselligkeits- und Familienformen. Ihre aktuellen Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf die Frage, wie die Ordnung der Stände und Ränge in der frühen Neuzeit durch symbolisches Handeln - beispielsweise Rituale und Zeremonien - konstituiert wurden. Barbara Stollberg-Rilinger schlägt in ihrer Arbeit immer auch Brücken in die Neuzeit und versucht, Bezüge zwischen Entwicklungen der frühen Neuzeit und Fragen der Moderne herzustellen. Viele ihrer historischen Interessen und methodischen Ansätze fließen auch in dem Münsteraner Sonderforschungsbereich "Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur französischen Revolution" zusammen, dessen Sprecherin sie ist.
Barbara Stollberg-Rilinger studierte in Köln Mittlere und Neuere Geschichte und schloss dort 1985 ihre Promotion mit einer Arbeit zur politischen Metaphorik des absoluten Fürstenstaats ab. Sie habilitierte sich 1994 und wurde 1996 als Hochschuldozentin an die Universität Köln berufen. Seit 1997 hat sie an der Universität Münster den Lehrstuhl für Neuere Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Frühen Neuzeit inne.
Andreas Tünnermann hat bahnbrechende Arbeiten zur Entwicklung von Hochleistungs-Faserlasern vorgelegt und damit die Grundlage für die Fertigung einfacher, kompakter und robuster Laser mit hoher Strahlqualität erarbeitet. Die geringe Nutzleistung herkömmlicher Faserlaser beschränkte ihren Einsatz bisher auf Verstärkeranwendungen in Kommunikationsnetzen. Erst durch die Arbeiten von Andreas Tünnermann gelang es, mit Faserlasern sowohl kontinuierliche Laserausgangssignale hoher Leistung als auch ultrakurze Pulse höchster Strahlqualität zu erzeugen. Entscheidende Pionierarbeiten gelangen ihm auch bei der Verbesserung der optischen Eigenschaften von Glasfasern zur Lichterzeugung und damit ihrer Funktionalität als Lasermedium. Erstmals stehen damit Konzepte für hocheffiziente Laserquellen zur Verfügung, die als Bauelemente in der integrierten Optik einsetzbar sind. Durch die Arbeiten von Andreas Tünnermann eröffnen sich neue Möglichkeiten für den Einsatz moderner Laserfasern, von der Grundlagenforschung über die Materialentwicklung bis hin zur Biophotonik.
Nach seiner Promotion in der Laserphysik an der Universität Hannover ging Andreas Tünnermann 1992 zunächst an das Laser Zentrum Hannover e.V., wo er als Leiter der Entwicklung tätig war. Er habilitierte sich 1997 in der Experimentalphysik und nahm 1998 im Alter von 34 Jahren einen Ruf an die Universität Jena an, wo er seither den Lehrstuhl für Angewandte Physik innehat. Gleichzeitig ist er Direktor am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik.