Perspektiven für den brasilianischen Wissenschaftssektor 2019

(24.01.19) Im vergangenen Oktober wurde der Kandidat der rechtsgerichteten Sozialliberalen Partei (PSL), Jair Bolsonaro, zum neuen Präsidenten Brasiliens gewählt. Im Zuge der Regierungsübernahme gab es bereits personelle Veränderungen in den Leitungsebenen der Wissenschaftspolitik, die für die Forschungskooperation in den kommenden vier Jahren von Bedeutung sein werden.

Der Luftfahrtingenieur Marcos Pontes wird das Ministerium für Wissenschaft, Technologie, Innovation und Kommunikation übernehmen

Der Luftfahrtingenieur Marcos Pontes wird das Ministerium für Wissenschaft, Technologie, Innovation und Kommunikation übernehmen

© NASA Kennedy Space Center

Der Luftfahrtingenieur Marcos Pontes wird das Ministerium für Wissenschaft, Technologie, Innovation und Kommunikation von Gilberto Kassab übernehmen. Pontes wurde kurz nach dem Wahlsieg im Oktober benannt und ist in Brasilien weithin bekannt, da er als erster brasilianischer Astronaut überhaupt 2006 an einer Weltraummission an Bord des russischen Raumschiffs Soyuz TMA-8 teilnahm. Er studierte am Technologischen Institut für Aeronautik (ITA) und schloss einen Master in Systemtechnik an der Naval Postgraduate School in Kalifornien ab. Eine der größten Herausforderungen für den neuen Minister dürfte das sich im Laufe der letzten Jahre stetig verringernde Budget des Wissenschaftssektors werden – die aktuellen Investitionen entsprechen nach inflationärer Anpassung in etwa der Hälfte der Mittel, die 2013 ausgegeben werden konnten.

Für 2019 wurde noch von der Temer-Regierung ein Budget in Höhe von 15,3 Milliarden R$ festgelegt. Obwohl dieser Betrag eine Erhöhung um 2,4 Milliarden R$ gegenüber dem Vorjahr darstellt, dürften dem Ministerium für sämtliche Initiativen im kommenden Jahr nach allen Kostenabzügen nur knapp 4 Milliarden R$ zur Verfügung stehen. Damit bleibt der Wissenschaftshaushalt gegenüber 2018 weitgehend unverändert – das gilt auch für die Förderorganisation CNPq. Trotz der Mobilisierung der wissenschaftlichen Community wurden die Mittel für Stipendien um 26 Prozent gekürzt.

Pontes ist sich der Problematik bewusst und kündigte an, entsprechende Maßnahmen zur Ressourcenstärkung zu erarbeiten. Er vertritt unter anderem auch die Ansicht, dass Investitionen aus dem Privatsektor verstärkt in die Wissenschaft fließen sollen. „Der CNPq ist ein wesentlicher Antrieb für die Grundlagenforschung und im Laufe des Jahres werden wir dieses Problem angehen“, so Pontes in einem Interview mit dem brasilianischen Radiosender CBN. Erklärte Ziele seiner Amtszeit sind die Produktion von Wissen durch Forschung, die Generierung von Einnahmen mittels Start-Ups sowie eine Erhöhung der Lebensqualität in Brasilien durch verbesserte Produkte und Dienstleistungen.

Nach nur vier Tagen im Amt erließ die neue Regierung ein Gesetz zur Einrichtung von Stiftungsfonds, um auf diesem Weg neue und nachhaltige Finanzierungsquellen für den Wissenschaftssektor zu erschließen. Dabei wird ein Startkapital angelegt – beispielsweise durch private Spenden –, das durch neue Zahlungseingänge weiter erhöht werden kann. Die dadurch ausgeschütteten Gewinne können dann von den jeweiligen Organisationen kontinuierlich in die Forschungsförderung investiert werden. Der Gesetzesentwurf sah als Anreiz für die Schaffung neuer Ressourcen ursprünglich noch Steuervergünstigungen für die Geldgeber vor; der Präsident legte jedoch sein Veto ein und begründete dies mit dem enormen, zu bewältigenden Haushaltsdefizit. Diese Haltung führte zu Kritik vonseiten der Wissenschaftsinstitutionen.

Auch bei der DFG-Partnerorganisation CAPES, die dem Bildungsministerium untergeordnet ist, gab es bereits personelle Veränderungen. Der Bildungsminister Ricardo Vélez Rodríguez gab während seiner Amtseinführung den Namen des neuen CAPES-Präsidenten bekannt: Anderson Ribeiro Correia, Professor und Rektor am Technologischen Institut für Aeronautik (ITA) wird die Institution, mit der die DFG seit 1995 kooperiert, leiten. Correia studierte Bauingenieurwesen an der bundesstaatlichen Universität Campinas (Unicamp), erlangte einen Masterabschluss in Infrastruktureller Luftfahrttechnik am ITA und schloss seine Promotion in Verkehrstechnik an der Universität Calgary in Kanada ab. Er gilt als ein erfahrener Wissenschaftler und war bereits als Gutachter für die Förderorganisationen FAPESP, CNPq sowie auch für die CAPES selbst tätig.

Letztere ist im Gegensatz zu den an das Wissenschaftsministerium angegliederten Institutionen von den Kürzungen verschont geblieben und hat für das laufende Jahr einen gesicherten Haushalt zur Verfügung. Im Zuge des Beschlusses zur Mittelzuweisung für 2019 konnte die wissenschaftliche Community eine Budgetsteigerung um 6,77 Prozent und somit ein Plus von 2,682 Milliarden R$ für die Vergabe von Stipendien erwirken. Nach Einschätzung der Brasilianischen Gesellschaft für die Weiterentwicklung der Wissenschaft (SBPC) und anderer akademischer Einrichtungen wird aber auch diese Erhöhung dem großen Bedarf an Forschungsstipendien noch nicht gerecht.

Neben all den Variablen gibt es aber nach wie vor Konstanten: so zum Beispiel die DFG-CAPES-Ausschreibung zur Förderung bilateraler Projekte in den Rechtswissenschaften. Bis zu zehn deutsch-brasilianische Vorhaben können in diesem Rahmen finanziert werden; Ende der Antragsfrist ist der 28. Februar.

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