Im Fokus des ersten Workshops zum kollegialen Erfahrungsaustausch der DFG-Mitglieder am 2. Oktober 2019 standen zwei Themen: Entlastung von Wissenschaftlerinnen für die Gremienarbeit und Rekrutierungsverfahren zur Gewinnung von Wissenschaftlerinnen.
Rund 40 Vertreterinnen und Vertreter der Hochschulleitungen trafen sich im Bonner Hotel Collegium Leoninum, um über Erfolgsfaktoren und Herausforderungen zu den beiden Schwerpunktthemen zu sprechen. Der Workshop zielte zudem darauf ab, Empfehlungen für die Mitgliederversammlung 2020 zu den beiden Schwerpunktthemen zu formulieren, die anschließend auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen.
Von 2008 bis 2018 hatten die DFG-Mitglieder gemäß ihrer Selbstverpflichtung im Rahmen der „Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards“ zunächst ausführliche qualitative und später rein quantitative Berichte bei der DFG eingereicht. So ließ sich die Entwicklung der personellen und strukturellen Standards für eine nachhaltige Gleichstellungspolitik in der Wissenschafts- und Hochschullandschaft nachzeichnen. Das zentrale Ziel war und ist dabei, den Frauenanteil auf allen wissenschaftlichen Karrierestufen deutlich zu erhöhen. 2018 beschlossen die Mitglieder die Rückkehr zu qualitativen Berichten, allerdings in einer schlanken Form zu zwei wechselnden Schwerpunktthemen. Die neue Berichtspflicht soll ein offenes Voneinander-Lernen ermöglichen, hierbei war der Workshop zum kollegialen Erfahrungsaustausch ein Kernelement.
Einen Überblick zum Stand der Chancengleichheit in den Anträgen für Zukunftskonzepte im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gab eingangs die Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Prof. Dr. Martina Brockmeier, in ihrer Keynote. Moderiert von Prof. Dr. Roland Fischer, Leiter der AG „Forschungsorientierte Gleichstellungsstandards“ der Mitgliederversammlung und Vizepräsident der DFG, führten danach zwei weitere Mitglieder der AG in die Schwerpunktthemen des Tages ein. Über das Thema Gremienentlastung sprach Prof. Dr. Heike Solga vom Wissenschaftszentrum Berlin; Dr. Dagmar Simon, Evaconsult, gab einen Überblick zum Thema Rekrutierungsverfahren.
Die verschiedenen Impulsvorträge gaben reichlich Anknüpfungspunkte für die im Anschluss in Gruppen geführten Diskussionen unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Diese machten von der Gelegenheit, ihre Maßnahmen mit denen anderer Einrichtungen zu vergleichen und sich über die unterschiedlichen Facetten der Thematik auszutauschen, regen Gebrauch.
Die bis zu diesem Zeitpunkt gewonnenen Erkenntnisse und offenen Fragen zu den beiden Schwerpunktthemen wurden bei einer Podiumsdiskussion schließlich auch mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik sowie hochschulpolitischer Institutionen diskutiert. Darunter waren Sibylle Benning (CDU) und Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen), beide Mitglieder des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, sowie DFG-Präsident Prof. Dr. Peter Strohschneider, die bei der Hochschulrektorenkonferenz für Chancengleichheit zuständige Vizepräsidentin und Mitglied der AG „Forschungsorientierte Gleichstellungsstandards“, Prof. Dr. Eleonore Weber, und Prof. Dr. Bettina Keller, Mitglied der Jungen Akademie.
Auf die Eingangsfrage nach dem aktuellen Stand der Gleichstellung in der Wissenschaft sprach Kai Gehring zunächst einen Dank an die „Pionierinnen und Pioniere“ der „Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards“ in den Gremien und in der Geschäftsstelle der DFG aus. Die Standards seien ein wichtiger Impuls für die deutsche Wissenschaftslandschaft auf einem Feld gewesen, das mit Blick auf Gerechtigkeit, Vielfalt und Internationalisierung entscheidend sei. Gleichwohl könne man mit dem Erreichten im europäischen Vergleich auch heute noch nicht zufrieden sein: In Deutschland seien 24 Prozent der Professuren mit Frauen besetzt, während es EU-weit 30 Prozent seien.
DFG-Präsident Peter Strohschneider betonte, dass man immer auch die Machtdimension der Gleichstellungsförderung offen ansprechen müsse. „Es geht um Macht und Einfluss, die Verteilung von finanziellen und symbolischen Ressourcen.“ Umso wichtiger ein Teil des Wissenschaftssystems sei, desto geringer sei auch der Anteil an Frauen. Dies spiegele sich beispielsweise in den Rektoraten wider. Dort seien die Prorektorate für Forschung häufig männlich, die für Lehre weiblich besetzt, sagte Strohschneider. Strukturelle Rahmenbedingungen müssten auf Leitungsebene etabliert werden, sonst wirkten sie nicht. Dass Macht eine zentrale Kategorie in der Gleichstellungsfrage sei, ergänzte Eleonore Weber, zeige auch die Tatsache, dass an der Spitze der zehn Allianzorganisationen deutlich weniger Frauen als Männer vertreten seien.
Auf die Frage, wie man Frauen in Bezug auf die Gremienarbeit entlasten könne, sagte Weber, dass Frauen vor allem mehr in Gremien repräsentiert sein müssten, in denen wichtige Entscheidungen getroffen werden, damit sie von der zusätzlichen Arbeit stärker profitierten. Darüber hinaus müssten die Institutionen im Einzelfall klären, wie aus Sicht der Frauen ein geeigneter Ausgleich geschaffen werden könne, sei er finanzieller Art, ein Lehrdeputatsausgleich oder auch zusätzliche Hilfskraftstellen.
Das Podium war sich einig, dass auch bei der Frage der Rekrutierung von Wissenschaftlerinnen die strukturellen Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle spielen, beispielsweise bei der Bezahlung. Man wisse immer noch zu wenig über den „Gender-Pay-Gap“ auf den verschiedenen Karrierestufen. Weber sagte zudem, dass die Rekrutierung strategischer angegangen werden müsse. Die Fakultäten bräuchten mehr Spielraum, um offene Ausschreibungen machen zu können. Bettina Keller von der Jungen Akademie gab zu bedenken, dass die meisten Postdocs von einer wissenschaftlichen Karriere träumen – es sei daher keine Frage der frühen Ansprache von Frauen, sondern eine von attraktiven und möglichst sicheren Stellen.
Zum Abschluss der Diskussion wie auch des Workshops äußerte sich Weber erfreut: „Es ist toll, dass wir offen über Herausforderungen sprechen können und nicht mehr Erfolgsberichte abliefern müssen. Jeder hier hat sicherlich einen Punkt für sich mitgenommen. Das hilft – noch mehr als allgemeine Standards und Regulierungen.“
Zuletzt bat Herr Fischer die Mitglieder um Vorschläge für mögliche Themen für die kommenden Berichtszyklen. Hier wurde zum einen die frühe Karrierephase in der Wissenschaft vorgeschlagen, da dann ein besonders großer Anteil an Frauen das Wissenschaftssystem verlässt. Zum anderen sprachen sich die Mitglieder dafür aus, das Thema Chancengleichheit von Frauen und Männern auf weitere Ungleichheitsdimensionen auszuweiten, im Sinne einer Förderung von Vielfältigkeit.
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