„Wissenschaft trägt Verantwortung für die Einordnung des Wissens“

In Zeiten globaler Herausforderungen rücken Forschung und Wissenschaft stärker in den gesellschaftlichen Fokus. Deshalb wird es immer wichtiger, dass Wissenschaftskommunikation Forschungsergebnisse und wissenschaftliches Arbeiten verständlich vermittelt. Für herausragende Leistungen auf diesem Gebiet verleihen die Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Stifterverband auch 2022 wieder den Communicator-Preis. 2018 erhielt ihn Professorin Dr. Antje Boetius. Die Meeresforscherin und Geomikrobiologin spricht im Interview über die Rolle der Wissenschaftskommunikation in einer ungewissen Zukunft und ihre Leidenschaft für diese besondere Kommunikation.

Prof. Dr. Antje Boetius

Prof. Dr. Antje Boetius

© DFG / Rainer Unkel

Warum sind Sie in der Wissenschaftskommunikation aktiv?

Aus vielen Gründen. Mir macht es Freude, Wissen und auch Fragen zu teilen. Gerade weil ich in meiner Forschung so viel mit dem Unbekannten zu tun habe. Das unbekannte Leben in den Meeren und Polarregionen, die unbekannten Leistungen der Natur für die Bewohnbarkeit der Erde, die unbekannte Zukunft durch den Klimawandel und seine Folgen.

Das direkte Feedback des Publikums tut gut. Ich spüre dann die Lust auf Wissen, die natürliche Neugierde, die so viele Menschen haben. Das gibt Kraft für den Wissenschaftsalltag. Zudem gilt für mich: Wissenschaft trägt auch Verantwortung für die Einordnung des Wissens, das wir als Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erzeugen. Der gesellschaftliche Dialog ist wichtig. Wir müssen über Zusammenhänge und Risiken reden, damit die Gesellschaft wissensbasiert handeln kann.

Was macht gute Wissenschaftskommunikation für Sie aus?

Ein wichtiger Schlüssel für erfolgreiche Wissenschaftskommunikation ist Leidenschaft für die eigene Forschung. Dann gelingt eine authentische Kommunikation, die auch eine Botschaft vermittelt. Die Zuhörenden freuen sich, wenn sie von der "Methode" Wissenschaft erfahren und auch das Menschliche am Forschungsprozess sehen: die Ausdauer, das Scheitern, die Erkenntnis. Gute Wissenschaftskommunikation interessiert sich für das Publikum, hat ein Verständnis für den gesellschaftlichen Rahmen und den Kontext der eigenen Forschung. Sehr oft geht es ja eben um Einordnung der Forschungsergebnisse weit über die eigene Errungenschaft hinaus. Es hilft auch, die Anforderungen und Funktionsweisen des jeweiligen Kommunikationsmediums zu kennen und Experimente zu wagen.

Prof. Dr. Antje Boetius

Prof. Dr. Antje Boetius

© DFG / Rainer Unkel

Was bedeutet der Communicator-Preis für Sie?

Der Communicator-Preis ist einer meiner wichtigsten Preise. Diese besondere Anerkennung für meine Kommunikation von DFG und Stifterverband zu bekommen, hat mir sehr viel bedeutet, denn ich habe mit sehr verschiedenen Formaten experimentiert, auch in Bereichen, die eher als wissenschaftsfern gelten.

Welchen Mehrwert hat Wissenschaftskommunikation für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst?

Neben der gesellschaftlichen Bedeutung sehe ich auch Vorteile für Forschung und Karriere. Förderanträge, wissenschaftliche Vorträge und Artikel profitieren von der Fähigkeit, in wenigen Worten Kernbotschaften auf den Punkt zu bringen. Zudem werden Kommunikationsfähigkeiten immer wichtiger, sodass Medienkompetenzen ein echter Vorteil in Bewerbungsprozessen sind, wenn man dran denkt, sie im Lebenslauf aufzuführen.

Was wird zukünftig wichtig sein in der Wissenschaftskommunikation?

Wir stehen mitten in einem globalen Transformationsprozess, in dem wissenschaftliches Wissen mehr denn je eine Frage des Überlebens sein wird. Wissenschaftskommunikation ist ein essenzieller Teil des gesellschaftlichen Dialogs in der demokratischen Aushandlung der Zukunft. Damit dürfte sie insgesamt für wissenschaftliche Prozesse, Karrieren und Institutionen immer wichtiger werden. Dabei gilt natürlich die Vielfalt von Menschen in der Wissenschaft zu fördern: Manche sind gerne still und wenig sichtbar, alle brauchen auch Ruheräume. Bei Kommunikation geht es zudem um Qualität nicht Quantität. Mir ist auch wichtig zu betonen, dass Wissenschaftskommunikation eine große Rolle spielt bei der Entstehung systemischen Wissens und in der transdisziplinären Arbeit. Denn in dieser hoch spezialisierten Welt ist man schnell Laie – nur wenige Meter neben dem eigenen Fachgebiet.

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