Vermeidung von Bias in wissenschaftlichen Urteilsbildungsprozessen
Keine Person darf wegen wissenschaftsfremder Faktoren an einer wissenschaftlichen Karriere gehindert oder davon ausgeschlossen werden.

Für die Förderung der besten wissenschaftlichen Projekte ist es wichtig, alle Potenziale und Talente auszuschöpfen und Förderentscheidungen wissenschaftsgeleitet und diskriminierungsfrei zu treffen. Daher dürfen wissenschaftliche Urteilsbildungs- und Entscheidungsprozesse, zum Beispiel die Bewertung von bei der DFG eingereichten Förderanträgen, allein auf Basis von wissenschaftserheblichen Kriterien erfolgen. Gleichzeitig werden unvermeidbare, besondere persönliche Lebensumstände – sofern gegeben – ausschließlich zugunsten von Forschenden berücksichtigt.
Es können jedoch positive wie negative Voreingenommenheiten oder Wahrnehmungsverzerrungen (im Englischen "bias") im Prozess bestehen, beispielsweise hinsichtlich Geschlecht, Herkunft, Gesundheitszustand, familiären Verpflichtungen oder der wissenschaftlichen Herkunftsinstitution einer antragstellenden Person. Jeder Mensch hat Bias – in individuell verschiedener Art und Intensität. Dies gilt auch für die Wissenschaft und Forschende, die nach Objektivität und Evidenz streben. Auch bei der Begutachtung, Bewertung und Entscheidung von bei der DFG eingereichten Anträgen erhalten die Beteiligten Informationen über die antragstellende Person.
Um eine wissenschaftsgeleitete Befassung sicherzustellen, stehen ein kurzer Film, Handlungsempfehlungen sowie weiteres Hintergrundmaterial zur Verfügung. Die folgenden Hinweise und Informationen geben einen Einblick in die o.g. komplexen Prozesse und können für eine Reflexion genutzt werden:
Film "Vorurteilsfreie Begutachtung" der DFG
Hinweis: Der Film ist auch in einer barrierearmen Fassung mit Audiodeskription verfügbar; d.h. mit gesprochener Beschreibung visueller Inhalte.
Rahmenbedingungen der DFG zur Vermeidung von Bias
Transparente Verfahren und die Beachtung von vorgegebenen Standards tragen zur Verminderung von Bias bei. Insbesondere die festgelegten Bewertungskriterien werden daher für alle beteiligten Personen gleichermaßen angewendet.
Wissenschaftsgeleitete Beurteilung und Berücksichtigung der Lebenssituation zu Gunsten Antragstellender
Die DFG legt besonderen Wert darauf, dass in ihren Prozessen, auf deren Basis Förderentscheidungen getroffen werden, keine Benachteiligung aufgrund von wissenschaftsfremden Faktoren erfolgt. Entsprechend findet die Urteilsbildung zu Projektanträgen und zu wissenschaftlichen Leistungen wissenschaftsgeleitet statt. Ergänzend wird bei der Einschätzung der antragstellenden Personen die individuelle Lebenssituation (sofern angegeben) angemessen und ausschließlich zu ihren Gunsten berücksichtigt. Denn Begutachtung, Bewertung und Entscheidung dürfen sich nicht zum Nachteil Antragstellender auf unverschuldete Ausfallzeiten oder Zeiten eingeschränkter Forschungstätigkeit stützen. Insofern wird den Antragstellenden die Mitteilung zu ihrer besonderen persönlichen Situation angeraten.
Standardisierte Verfahrensabläufe
Die Verfahrensschritte Begutachtung, Bewertung und Entscheidung sind bei der DFG getrennt und unabhängig voneinander gestaltet, so dass bereits auf diese Weise eine Qualitätssicherung von Begutachtung und Bewertung durch die verschiedenen wissenschaftlichen Gremien der DFG untereinander stattfindet.
Darüber hinaus werden Bewilligungen und Ablehnungen vor der Entscheidung in der DFG-Geschäftsstelle hinsichtlich korrekter Verfahrensabläufe qualitätsgesichert. Werden hier Bias oder Diskriminierungen erkannt, können entsprechende Schritte eingeleitet werden.
Festgelegte Kriterien für die Begutachtung, Bewertung und Entscheidung
In den allgemeinen und in den verfahrensspezifischen Begutachtungshinweisen sind die Bewertungskriterien für Projektanträge, die vertrauliche Behandlung der zu begutachtenden Antragsdokumente sowie der Umgang mit wissenschaftsfremden Kriterien dargelegt. Voten sollen auf die Inhalte der Antragsdokumente, den Lebenslauf bzw. bei Vor-Ort- und Panelbegutachtungen auch auf die Präsentation der Antragstellenden sowie auf ihre Ausgewiesenheit für das Projekt gründen.
Auch das Vorgehen bei Befangenheiten ist geregelt, um Interessenkonflikte auszuschließen. Die Rahmengeschäftsordnung für die Fachkollegien gibt einheitliche Arbeitsgrundsätze für jedes Fachkollegium vor.
Die Kategorien des CV-Musters der DFG verdeutlichen, dass wissenschaftliche Leistungen in ihrer gesamten inhaltlichen Breite (ohne Metriken und ohne Foto) begutachtungsrelevant sind sowie ggf. auch die individuellen Lebenssituationen der Antragstellenden zu ihren Gunsten berücksichtigt werden sollen.
- Interner LinkAllgemeine Hinweise für die Begutachtung
- Interner LinkVerfahrensspezifische Begutachtungshinweise
- Interner LinkHinweise zu Fragen der Befangenheit
- Interner LinkFachkollegien
- Interner LinkRahmengeschäftsordnung für die Fachkollegien
- Interner LinkCV-Muster der DFG
- Interner LinkFAQ CV
- Interner LinkAusschluss von wissenschaftsfremden Kriterien in der Begutachtung
Kenntnis und Umgang mit Bias sind zudem Bestandteil guter wissenschaftlicher Praxis. Das Vorliegen von Faktoren, die den Eindruck der Befangenheit begründen können (siehe Merkblatt "Hinweise zu Fragen der Befangenheit"), ist der Fachabteilung der DFG-Geschäftsstelle mitzuteilen.
Prozessbeschreibung: Ausschluss unzulässiger wissenschaftsfremder Kriterien
Im Selbstverständnis der DFG heißt es: „Die Kernaufgabe der DFG besteht in der wettbewerblichen Auswahl der besten Forschungsvorhaben von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Hochschulen und Forschungsinstituten und in deren Finanzierung." Die zu den Anträgen eingeholten Voten bewerten ehrenamtlich tätige Gutachterinnen und Gutachter „nach ausschließlich wissenschaftlichen Kriterien". Doch wie geht die DFG-Geschäftsstelle damit um, wenn in extern eingeholten Gutachten wissenschaftsfremde Kriterien genannt werden und in die Bewertung einfließen?
Kodex "Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis"
Letztlich unterfallen Forschende im deutschen Wissenschaftssystem dem Kodex "Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" der DFG. Die darin enthaltenen Leitlinien legen Standards für wissenschaftliches Arbeiten und wissenschaftliche Integrität für das gesamt deutsche Wissenschaftssystem fest.
Die Vermeidung von Bias nimmt im Kodex als Ausdruck des guten wissenschaftlichen Handelns und Arbeitens eine zentrale Stellung ein und scheint in unterschiedlichen Kontexten auf.
Für wissenschaftliche Arbeitseinheiten sind Prozesse aufzulegen, die "nicht wissentliche Einflüsse" vermeiden helfen (Leitlinie 3). Im Falle von Bias sind Vorkehrungen zur Vermeidung zu treffen (hierzu beispielhaft auch der Film bzw. die Hinweise für die Vermeidung von Bias in wissenschaftlichen Urteilsbildungsprozessen oben auf dieser Webseite).
Im Rahmen der Begutachtung von wissenschaftlichen Anträgen stellen allgemeingültige Regelungen zum Ausschluss von Befangenheiten die Neutralität der Gutachtenden als Kernelement eines redlichen Begutachtungsprozesses sicher (Leitlinie 16). Im Falle (des Anscheins) von Befangenheiten müssen diese offengelegt werden. Das Prinzip der Unbefangenheit der gutachtenden Personen und Gremienmitglieder wird durch die DFG-Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten individuell abgesichert. Werden Umstände, die den Anschein der Befangenheit begründen können, nicht offengelegt, kann dies als wissenschaftliches Fehlverhalten geahndet werden.
Für eine angemessene Leistungsbewertung ist überdies erforderlich, dass allein auf wissenschaftsadäquate Bewertungskriterien in sachangemessener Breite zurückgegriffen wird, die überdies den individuellen Lebenswegen und -umständen Rechnung trägt (Leitlinie 5).
- Externer LinkZum Portal "Wissenschaftliche Integrität"
- Interner LinkDFG-Vordruck 80.01 - Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten - Abschnitt II Ziffer 2 Abs. 1 Nr. 4
- Interner LinkDFG-Vordruck 10.201 - Hinweise zu Fragen der Befangenheit
- Interner LinkDFG-Vordruck 10.20 - Allgemeine Hinweise für die Begutachtung
Studien zu Bias in der Wissenschaft und in Urteilsbildungsprozessen
Zu den Effekten von Vorurteilen in Begutachtungs-, Bewertungs- und Entscheidungsprozessen sowie in anderen Bereichen – z.B. in der Personalauswahl – gibt es zahlreiche Studien. Im Folgenden werden einige davon exemplarisch dargestellt.
Weitere Informationen
Webseiten zu Bias im Begutachtungs- und Beurteilungsprozess
- Externer LinkNWO, Inclusive assessment
(mit Film und Merkblatt zu schriftlicher Begutachtung und Begutachtungsgruppen) - Externer LinkFWF, Unconscious Bias in Entscheidungsverfahren
Filme zu Bias in der Wissenschaft
- Externer LinkNWO, Written assessment, 2021
- Externer LinkNWO, Interaction and group dynamics in evaluation committees, 2021
- Externer LinkRoyal Society Understanding Unconscious Bias, 2015
- Externer LinkCERCA, Recruitment Bias in Research Institutes, 2016
- Externer LinkUniversité de Lausanne, Eviter les biais de genre lors de nominations professorales, 2016
- DFG, Ausgelotet. Kommunikation und Wahrnehmung: Wie beeinflussbar sind wir?, 2022
Online-Kurse und Tests
- Externer LinkCIHR, Online Training Modul "Bias in Peer Review"
- Externer LinkCharta der Vielfalt 2022, Online-Toolbox "Antirassistische Bewusstseinsbildung"
- Externer LinkGender Diversity Impact 2018, Gender Diversity Index – How inclusive is your team? Policy Brief 6/6
- Externer LinkTrinity Center for Gender Equality and Leadership, Trinity College Dublin, Unconscious Bias
Weitere Beispiele für Handlungsempfehlungen
- Externer LinkFWF, Handlungsempfehlungen für die Begutachtung wissenschaftlicher Projektanträge
- Externer LinkGender Diversity Impact 2018, Implications for Research Group Leaders, Policy Brief 3/6
- Externer LinkLERU 2018, Implicit bias in academia: A challenge to the meritocratic principle and to women’s careers – And what to do about it