Die Geschäftsstelle

Die Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle haben unter sehr schwierigen Umständen – Besetzungschaos 1945, Berliner Blockade 1948-1949, Abwicklung der Geschäftsstelle ab 1950 – gearbeitet und zeitweise sogar nur ehrenamtlich, da ihre Gehälter nicht ausgezahlt werden konnten. Besonders die Lebensläufe der Angestellten Frau Schönwald, Herr Schröter und Frau Walczok geben Aufschluss über Arbeitsbereiche der Notgemeinschaft vor 1945 und gewähren einen Einblick in die schwierigen Arbeitsverhältnisse im gespaltenen Berlin. Sie legen nicht zuletzt Zeugnis darüber, wie tief die Angestellten mit der Notgemeinschaft verwurzelt waren und einen hohen Grad an Verantwortung zeigten.

1945-1951: Ein kleiner Stab

Der Stab der Berliner Notgemeinschaft umfasste von 1945 bis zu ihrer Auflösung 1951 um die vier bis sechs Mitarbeiter*innen.

Am 15. November 1948 sprach die Berliner Akademie der Wissenschaften zum 31. Dezember 1948 den Mitarbeiter*innen Margarete von Bardeleben, Hildegard Bienert, Willy Schröter und Herta Walczok die Kündigung ohne Angabe von Gründen und ohne Einhaltung von Kündigungsfristen aus.

Margarete von Bardeleben war zum Zeitpunkt der Kündigung beurlaubt und wohnte nicht mehr in Berlin.

Hildegard Bienert fand nach ihrem Ausscheiden aus der Notgemeinschaft im Dezember 1948 bald wieder eine Stellung in der Erwerbungsabteilung der Öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek.

Willy Schröter war seit 1935 bei der Notgemeinschaft in der Apparateverwaltung angestellt und arbeitete seit seiner Kündigung durch die Berliner Akademie der Wissenschaften im Dezember 1948 ehrenamtlich weiter bei der Notgemeinschaft. Erst Anfang Januar 1951 konnte Willy Schröter wieder von der Notgemeinschaft fest eingestellt werden, und wechselte 1952 zur Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bad Godesberg.

Eva Schönwald trat in die Notgemeinschaft 1923 ein und wurde im Juli 1945 von der amerikanischen Besatzungsmacht zu anderen Tätigkeiten zwangsverpflichtet und von der Notgemeinschaft beurlaubt. Nach Beendigung ihrer Arbeit bei den Amerikanern war sie bei verschiedenen anderen Stellen bis 1949 tätig. Anschließend arbeitete sie unentgeltlich bei Bedarfsfalle wieder bei der Notgemeinschaft, bis sie am 1. Januar 1951 wieder fest angestellt wurde. 1952 übernahm die Deutsche Forschungsgemeinschaft Eva Schönwald als Angestellte.

Herta Walczok arbeitete seit 1926 bis zu ihrer Entlassung durch die Berliner Akademie der Wissenschaften im Dezember 1948 bei der Notgemeinschaft. Anschließend war sie bei der Zeitschrift „Forschungen und Fortschritte“ der Berliner Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Handelszentrale in Ost-Berlin tätig. Ab 1. Januar 1949 führte sie für die Notgemeinschaft im auftretenden Bedarfsfall unentgeltlich Sekretariatsarbeiten aus. 1952 wurde sie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft übernommen.

Hier Auszüge ihrer Bewerbungsschreiben:

Bewerbungsschreiben von Herta Walczok, 29. März 1951

„Seit Dezember 1926 bis 1935 habe ich in dem Apparate-Ausschuss (Leitung Prof. Stuchtey) zuerst als Stenotypistin und später als Buchhalterin gearbeitet. (…) Bei der Zentralisierung der Buchhaltung im April 1935 wurde mir die Leitung der Kredit- und Stipendienabteilung übertragen. Hier führte ich die ca. 1600 Konten der Kredit-Abteilung und ca. 400 Konten der Stipendien. (…) Seit dem Juni 1945 bis Dezember 1948 habe ich mit Fräulein Schönwald unter der Anweisung von Prof. Stuchtey eine Gelehrten- und Fachkartei aufgestellt und nebenbei den Schriftwechsel für die Zeitschrift „Forschung und Fortschritte“ erledigt. (…) Da ab 1. Januar 1951 die Zeitschrift „Forschungen und Fortschritte“ eingestellt wurde, hat die Akademie mein Dienstverhältnis zum 28.2. gekündigt. Meine Weiterbeschäftigung in der Akademie wurde von dem Direktor nicht genehmigt, da, wie ich erfahren habe, meine westliche Einstellung bekannt ist.

Zur Zeit bin ich in einer Deutschen Handelszentrale (Ostsektor Berlin) als Buchhalterin tätig. Sollte meine Beschäftigung in Godesberg zur Zeit nicht möglich sein, möchte ich hiermit die Bitte aussprechen, den jetzt freiwerdenden Posten von Fräulein Schönwald in der Geschäftsstelle Berlin der Notgemeinschaft übernehmen zu dürfen. Infolge meiner Entlassung durch die Deutsche Akademie der Wissenschaften befinde ich mich politisch in einer bedrängten Lage und hätte nur auf diesem Wege die Möglichkeit zu versuchen, in den West-Sektor zu wechseln.“

Bewerbungsschreiben von Eva Schönwald, 24. Februar 1951:

„1. April 1923 Eintritt in die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft als Sekretärin. Während meiner langjährigen Zugehörigkeit wurde ich hier in den verschiedensten Abteilungen eingesetzt, und zwar: 1923-1924 im Apparate-Ausschuß (…) Ende 1934 nach dem Ausscheiden von Prof. Stuchtey kurze Zeit als Sekretärin (…) Sommer 1935 (…) Versetzung an das Laboratorium der Notgemeinschaft in Berlin-Baumschulenweg, das von dem seinerzeitigen Präsidenten Stark zur Prüfung von Bodenproben aus dem Bayrischen Wald auf ihren Goldgehalt gegründet wurde. (…) Ende 1936 in das Stammhaus der Notgemeinschaft nach Berlin zurück versetzt und nach kurzer Übergangstätigkeit als Sekretärin im Referat für Volkskunde. April 1937 in die im Aufbau befindliche Zentral-Registratur eingewiesen. (…) Während des Krieges hatte die Registratur eine Kapazität von etwa 100-150 Eingängen täglich. (…)

Mai 1945 nach dem Zusammenbruch auf Aufforderung des Geschäftsführers Prof. Dr. Griewank Arbeit sofort wieder aufgenommen und noch während der Besetzung durch die Russen Beteiligung an den Aufräumungsarbeiten im Hause Grunewaldstraße 35. Nach Beschlagnahme des Grundstückes durch die amerikanische Besatzungsmacht Juli 1945 auf Anforderung der Letzteren zur Inventarisierung (…) verpflichtet. Anschließend im All-American-Club tätig. Für die Dauer meiner Tätigkeit bei der Besatzungsmacht war ich von Professor Griewank ohne Gehalt beurlaubt. (…)

Januar 1947 wieder zur Notgemeinschaft zurück (…)

Während meiner Beurlaubung Festsetzung der Planstellen durch die Berliner Akademie der Wissenschaften – bis Ende 1948 Geldgeberin der Notgemeinschaft; hierbei wurde irrtümlich eine Planstelle zu wenig vorgesehen, sodaß Prof. Stuchtey mich nach Rückkehr aus einem vorhandenen Barfonds bezahlte, der jedoch mit der Währungsreform Sommer 1948 eine Weiterzahlung des Gehalts unmöglich machte. Zur Abwendung der dringlichsten Not Überlassung einer Schreibmaschine (Wert 80.Mk), um mich mit eigenen Schreibarbeiten über Wasser halten zu können. Außerdem suchte ich mir notgedrungen Verdienst im Ostsektor, da mit Beginn der Blockade im Westsektor keinerlei Aussicht auf eine Stellung bestand. Antrag auf Unterstützung durch das Arbeitsamt verbot sich, da die Kündigung infolge der Währungsreform verboten war und ich Schwierigkeiten für die Notgemeinschaft vermeiden wollte.

Oktober 1949. Als die Arbeitsbedingungen im Ostsektor unerträglich wurden, gab ich auch diese Verdienstmöglichkeit auf und bezog seit dieser Zeit Unterstützung in der Hoffnung, nach der Freigabe der Mittel der Notgemeinschaft wieder eine bezahlte Stellung in ihr finden zu können.

Seit 1945 habe ich mich ununterbrochen für die Notgemeinschaft freiwillig und unentgeltlich zur Verfügung gestellt und für sie eingesetzt, auch in den Zeiten, in denen eine Bezahlung unmöglich war, und besonders seit dem Sommer 1950 intensiver an der Ordnung, Sichtung und Entrümpelung der Registratur gearbeitet.“

Willy Schröter, Lebenslauf vom, 31. März 1951 und Grüße aus Bad Godesberg

„September 1935 bis August 1936: Apparate-Ausschuss (Erledigung der Bestellungen, Schriftwechsel mit den Lieferanten, Apparate-Leihverkehr und Ueberwachung der ein- und ausgehenden Apparate.) September 1936 bis zum Zusammenbruch: Leitung der zentralen Registratur (durch Wehrdienst vom August 1939 bis Juni 1941 unterbrochen).

Mai 1945 bis Dezember 1948: als Angestellter und danach inoffiziell Erledigung aller im Hinblick auf die Erhaltung der Notgemeinschaft anfallenden Arbeiten.

Ab Januar 1951 wieder als Angestellter beschäftigt.“ [9]

Im März 1952 berichtet Herr Schröter von seiner neuen Arbeitsstelle in Bad Godesberg:

„Nachdem ich den Sturm der immer wieder auf mich einstürzenden neuen Eindrücke einigermassen überwunden habe, kann ich nur sagen: es gefällt mir hier sehr gut, sowohl in landschaftlicher, als auch in personeller, arbeitsmässiger Hinsicht. Ich habe ein für mich gänzlich neues, verantwortungsvolles Arbeitsgebiet zugeteilt erhalten, das mir zu bewältigen viel Spass macht. Und so denke ich, dass ich es hier schon aushalten werde.“

Die Geschäftsleitung

Dr. Karl Griewank, Juli 1945 – April 1947:

Karl Griewank war von 1926 bis Mai 1945 bei der Notgemeinschaft als Referent im Bereich Geisteswissenschaften und bis 1934 persönlicher Referent des Präsidenten Schmidt-Ott tätig. Ab 1943 lehrte er als Dozent Geschichtswissenschaften an der Universität Berlin.

Nach Kriegsende übernahm er die Leitung der Geschäftsstelle, um „die noch vorhandene Substanz an Werten, Material und guten, politisch einwandfreien Arbeitskräften zusammenzuhalten“ – so beschrieben in seinem Lebenslauf zu dem Entnazifizierungsfragebogen vom 19. November 1945. Er brachte in seinem Privathaus die Geschäftsstelle der Notgemeinschaft unter, nachdem ihr Gebäude in der Grunewaldstraße von der amerikanischen Besatzungsmacht beschlagnahmt wurde. Im April 1947 nahm er einen Ruf an die Universität von Jena an und verließ die Notgemeinschaft.

Prof. Dr. Karl Stuchtey, Mai 1947 – Februar 1950:

Prof. Stuchtey trat 1923 in die Notgemeinschaft ein und betreute bis zu seiner Entlassung durch die Nationalsozialisten den Apparateausschuss sowie die naturwissenschaftlich-technischen Fachgebiete. Im Sommer 1945 fand er sich wieder in Berlin bei der Notgemeinschaft ein und übernahm von Karl Griewank 1947 bis zu seinem Tode 1950 die Geschäftsführung. Von 1947 bis 1950 war er Schriftleiter der Schriftreihe „Forschungen und Fortschritte“ der Berliner Akademie der Wissenschaften.

In der Zeit als Geschäftsführer fiel die Kündigung seiner Mitarbeiter*innen durch die Berliner Akademie der Wissenschaften im November 1948. Er wandte sich an den Präsidial-Ausschuss der Notgemeinschaft mit der Bitte um eine - aus heutiger Sicht recht unkonventionelle, aber damals nicht ungewöhnliche - Unterstützung:

„Es ist auch meines Erachtens, ohne eine Wertung der rechtlichen Ansprüche in Betracht zu ziehen, eine moralische Verpflichtung für die Notgemeinschaft vorhanden, diesen treuen Mitarbeitern bei der schwierigen Lage, in die sie durch die plötzliche Kündigung geraten sind, eine wenn auch kleine Unterstützung zu gewähren. Es wird in Vorschlag gebracht, den Angehörigen der Geschäftsführung einen Betrag zur Verfügung zu stellen, aus dem Erlös eines verkauften Schrankes, der infolge Beschädigung auf dem Transport von der Verlagerungsstelle für die Notgemeinschaft nicht mehr brauchbar war, von Büromaterial und einer kleinen Handaddiermaschine.“

Oberregierungsrat Proestler, Kommissarischer Geschäftsführer der Notgemeinschaft, Juni 1950 – Januar 1951:

Oberregierungsrat Proestler wurde vom Treuhänder für NSDAP-Vermögen im amerikanischen Sektor am 9. Juni 1950 nach dem Tode Stuchteys zum kommissarischen Geschäftsführer eingesetzt. In dieser Funktion setzte er sich dafür ein, dass ein Teil des beschlagnahmten Vermögens für die ausstehenden Gehälter der Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle freigestellt wird:

„Ich darf besonders darauf hinweisen, daß die drei mit Genehmigung des Custodian beschäftigten Hilfskräfte bisher keinerlei Entlöhnung erhielten, so daß ich ihnen zum Teil aus Privatmitteln das Fahrgeld zur Arbeitsstätte bezahlen muß, um überhaupt – aus rein ideellen Gründen – die Aufarbeitung des vorhandenen Materials im Interesse der Berliner Wissenschaft vornehmen zu können.“

Dieses Amt führte er bis zur Wahl des Vorstands auf der Mitgliederversammlung in Heidelberg am 4. Januar 1951 aus. In der Wahl des Geschäftsführers der Notgemeinschaft unterlag er gegenüber Rechtsanwalt Grüner.

Rechtsanwalt K. Grüner, Geschäftsführer der Notgemeinschaft seit 1951 bis zu ihrer Liquidation 1953:

Rechtsanwalt K. Grüner war Syndikus der Freien Universität Berlin und wurde auf der Mitgliederversammlung in Heidelberg zum Geschäftsführer der Notgemeinschaft gewählt. Seine Hauptaufgabe war deren Liquidation. Er veranlasste Ende 1951 die Überführung von Akten und Materialien nach Bonn und die Schließung des Geschäftsraums in der Podbielskiallee 25. Ab 1.1.1952 wurden die Büroarbeiten der Notgemeinschaft von den Diensträumen des Geschäftsführers Grüner in der Boltzmannstr. 4 erledigt.

Ab Anfang 1952 war die Geschäftsadresse der „Notgemeinschaft in Liquidation“ bis zur endgültigen Auflösung sein Büro als Syndikus der Freien Universität Berlin in der Boltzmannstr. 4.

Weitere Informationen

Historische Förderfälle in GEPRIS Historisch

Die im Jahr 2020 anlässlich des hundertsten Gründungstages der DFG-Vorgängereinrichtung „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ veröffentlichte Datenbank GEPRIS Historisch macht mehr als 50.000 Förderfälle der Jahre 1920 bis 1945 unter Beteiligung von über 13.000 Wissenschaftler*innen recherchierbar. Das System wird ergänzt um einen umfangreichen Textapparat, der in mehreren Kapiteln auch auf Fragestellungen mit Bezug zur NS-Zeit eingeht.

Hinweise zur genutzten Literatur und den Fundorten

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