Information für die Wissenschaft Nr. 29 | 4. April 2022

DFG und Niels Birbaumer beenden Rechtsstreit durch Vergleich

Zustimmung des Hauptausschusses / Maßnahmen gegen Wissenschaftler haben in großen Teilen Bestand

Zustimmung des Hauptausschusses / Maßnahmen gegen Wissenschaftler haben in großen Teilen Bestand

Der Rechtsstreit zwischen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Tübinger Hirnforscher Professor Dr. Niels Birbaumer ist beendet. Der Hauptausschuss der größten Forschungsförderorganisation und zentralen Einrichtung für die Selbstverwaltung der Wissenschaft in Deutschland stimmte in seiner Sitzung vom 25. März 2022 einem Vergleichsentwurf zu, der nun wirksam geworden ist. Mit ihm hat eine frühere Entscheidung des Hauptausschusses der DFG gegen Birbaumer wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens in großen Teilen Bestand.

Der Hauptausschuss hatte am 19. September 2019 nach einer Untersuchung von zwei DFG-geförderten Publikationen Birbaumers und weiterer Autoren zur Kommunikation mit vollständig gelähmten (completely locked-in, CLIS) Patienten im Fachblatt „PLOS Biology“ in mehreren Fällen ein wissenschaftliches Fehlverhalten festgestellt und gegen den Wissenschaftler Maßnahmen gemäß der DFG-Verfahrensordnung zum Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens beschlossen. Er war damit einem Vorschlag des DFG-Ausschusses zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens gefolgt. Dabei ging es ausdrücklich nicht um die Überprüfung der Validität der aufgestellten Thesen zur Kommunikation mit CLIS-Patienten. Im Zentrum der Untersuchung und Feststellungen stand vielmehr der methodische Umgang mit Daten.

Birbaumer wurde deshalb für jeweils fünf Jahre von der Antragsberechtigung und von jeder Gutachtertätigkeit bei der DFG ausgeschlossen. Zudem behielt sich die DFG vor, an Birbaumer bewilligte Fördermittel aus dem betroffenen Projekt anteilig zurückzufordern. Schließlich wurde der Wissenschaftler aufgefordert, mit dem Fehlverhalten verbundene Publikationen zurückzuziehen, was letztlich durch den Verlag selbst erfolgte. Gegen diese Entscheidung des Hauptausschusses hatte Birbaumer 2020 juristische Schritte eingeleitet. Nach einer Verhandlung vor dem Landgericht Bonn kam schließlich ein Vergleichsentwurf zwischen der DFG und dem Wissenschaftler zustande, der nun den Hauptausschuss beschäftigte.

Die Beratung des Hauptausschusses fand im direkten zeitlichen Umfeld einer neuen Veröffentlichung von Birbaumer statt, in der von einem Behandlungserfolg im Zusammenhang mit der Kommunikation eines CLIS-Patienten berichtet wird. Auch die hier zugrunde liegenden wissenschaftlichen Vorarbeiten wurden unter anderem von der DFG gefördert, jedoch in einem anderen Förderprojekt als die 2019 untersuchten und mit Maßnahmen belegten Publikationen.

Die nun in „nature communications“ veröffentlichte Studie Birbaumers wurde unmittelbar Gegenstand umfangreicher fachwissenschaftlicher wie auch öffentlicher medialer Berichterstattung und Kommentierung. In dieser wurde die neue Arbeit teilweise in direkten Bezug zu den gegen Birbaumer ausgesprochenen Maßnahmen gestellt und als „Rehabilitierung“ gewertet. Dies geschah auch durch Birbaumer selbst, der auf dem biomedizinischen Onlineportal „statnews“ mit dem Satz zitiert wurde: „We won the case, and that means that the organization who was responsible for this judgment has to lift the retraction.” Die DFG hat daraufhin klargestellt, dass diese Äußerung in mehrfacher Hinsicht nicht den Tatsachen entspricht: Angestrebt wurde zu diesem Zeitpunkt ein Vergleich, und der Rechtsstreit mit Birbaumer dauerte bis zu einem entsprechenden Beschluss des Landgerichts Bonn zum Zustandekommen und zum Inhalt des Vergleichs an.

In seiner Beratung brachte entsprechend auch der Hauptausschuss seine Verwunderung über die vorangegangenen Abläufe zum Ausdruck. Zugleich äußerte er in deutlicher Form Kritik an den kolportierten Äußerungen zum Stand des Verfahrens und einer angeblichen Rehabilitierung Birbaumers. Gleichwohl stimmte der Hauptausschuss dem zuvor vereinbarten Rechtsstreitvergleich zu. Dieser sieht unter anderem eine öffentliche Information mit nachfolgendem Wortlaut vor:

„Deutsche Forschungsgemeinschaft und Herr Professor Dr. Dr. h.c. mult. Birbaumer beenden Rechtsstreit durch Vergleich:

In seiner Sitzung vom 19.09.2019 beschloss der Hauptausschuss der DFG im Zusammenhang mit zwei Veröffentlichungen gegen Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Birbaumer und einen weiteren Projektleiter Maßnahmen wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Hiergegen hatte Herr Professor Dr. Dr. h.c. mult. Birbaumer vor dem Landgericht Bonn Klage erhoben. Dieses Gerichtsverfahren ist nunmehr durch einen Vergleich beendet worden.

Zwischen der DFG und Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Birbaumer besteht dabei Einigkeit, dass das konkrete Verfahren der DFG wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens gegen Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Birbaumer auf Basis der Verfahrensordnung der DFG zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten ordnungsgemäß und entsprechend den Verfahrensvorschriften durchgeführt wurde.

Zur Vermeidung eines langwierigen Rechtsstreits haben sich die Parteien auf eine gütliche Einigung verständigt. Im Rahmen der gefundenen Einigung enden die durch den Hauptausschuss der DFG gegen Professor Dr. Dr. h.c. mult. Birbaumer beschlossenen Maßnahmen am 01.01.2023.

Aufgrund des Vergleichs ist seitens des Gerichts keine abschließende Sachverhaltsprüfung und Feststellung zu den streitgegenständlichen Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens sowie zur entsprechenden Bewertung durch den DFG-Ausschuss erfolgt. Hierzu bleiben beide Parteien bei ihren jeweiligen Auffassungen. Damit ist die Auseinandersetzung beendet.“