Wissenschaftliche Exzellenzprogramme in Deutschland und Brasilien

DFG und CAPES veranstalten Diskussionsforum zur geplanten Exzellenzstrategie Brasiliens mit Erfahrungswerten aus Deutschland

(21.11.2017) Die brasilianische Förderagentur Capes, mit der die DFG seit 1995 kooperiert, hat in der ersten Novemberwoche eine Ausschreibung für das neue Internationalisierungsprogramm an den brasilianischen Universitäten (PRINT) im Hinblick auf die Etablierung eines neuen Exzellenzprogramms veröffentlicht. „Einen besseren Moment hätte es für unser Symposium nicht geben können“, betonte die Leiterin des DFG-Büros Lateinamerika, Dr. Kathrin Winkler, bei der Eröffnung der Veranstaltung „The New Excellence Strategy of the Brazilian Universities and the German Excellence Initiative: Dialogue and Perspectives“ in Brasília, die eine knappe Woche nach der Bekanntgabe der Ausschreibung stattgefunden hat. An dem von DFG und Capes gemeinsam durchgeführten Symposium am 16. November waren unter anderem auch Dr. Klaus Wehrberger, stellvertretender Leiter der Abteilung Programm- und Infrastrukturförderung, und Dr. Oliver Wiegner, Programmdirektor aus der Gruppe Sonderforschungsbereiche, Forschungszentren, Exzellenzcluster, aus der Geschäftsstelle der DFG beteiligt. Beide waren direkt in die Exzellenzinitiative in Deutschland involviert und gaben dem Publikum einen Überblick über Hintergründe, Konzeption und Durchführung des Programms. Anwesend waren rund 95 Personen, darunter Prorektoren für Forschung und Postgraduierung sowie Vertreterinnen und Vertreter brasilianischer Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

Oliver Wiegner (DFG), Klaus Wehrberger (DFG), Abílio Baeta Neves (Capes), Thomas Schröder (Deutsche Botschaft in Brasília), Kathrin Winkler (DFG) und Concepta Pimentel (Capes) bei der Eröffnung der Veranstaltung

© Haydée Vieira CCS/CAPES

Die derzeitige Situation der Wissenschaft in Brasilien kann in Ansätzen mit der Lage des deutschen Hochschul- und Forschungssystems vor etwa 15 Jahren verglichen werden, die in Deutschland schließlich zur Implementierung der Exzellenzinitiative führte, um die Wettbewerbsfähigkeit und internationale Sichtbarkeit der deutschen Wissenschaft zu erhöhen. „Damals haben andere Länder bereits enorme Anstrengungen unternommen, um ihre Kompetenzen in der Forschung zu verbessern, und Deutschland musste mit dieser Entwicklung Schritt halten“, erläuterte Wehrberger. Die Einschätzung von Prof. Dr. Concepta Pimentel, Leiterin der Abteilung für Internationales bei Capes, fiel daher ähnlich aus: „Unsere größten Universitäten rutschen in internationalen Rankings ab, und der Impact der brasilianischen Forschung hat sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert – andere Länder hingegen verzeichnen Fortschritte. Verglichen mit den europäischen Industrienationen ist unser Impact nur halb so stark.“

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und ein exzellentes Niveau in der Forschung zu erreichen, wird bei Capes an der Konzeption eines Exzellenzprogramms – nach deutschem Vorbild und auf die Bedürfnisse in Brasilien zugeschnitten – gearbeitet. Die kürzlich erschienene PRINT-Ausschreibung ist ein erster Schritt in Richtung eines weitreichenderen Programms, das unter anderem institutionelle Strategiebildung im Bereich Internationalisierung umfasst. Eine der Herausforderungen hierbei ist die mangelnde Mobilität im brasilianischen Wissenschaftssystem: 63 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Brasilien haben noch nie einen Forschungsaufenthalt im Ausland absolviert und ihre akademische Karriere an einer einzigen Universität verfolgt. Anhand vorgestellter Elsevier-Daten wurde ersichtlich, dass der Impact wissenschaftlicher Veröffentlichungen in Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern doppelt so hoch ausfällt wie der weltweite Durchschnitt. „Die Qualität der brasilianischen Forschung hat sich nicht verschlechtert, aber wir bleiben hinter den Ländern zurück, die sich schneller internationalisieren. Wir brauchen daher Exzellenzprogramme mit internationalem Bezug und Investitionen in Wissenschaft und Technologie“, so die Capes-Vertreterin.

Eine Umfrage von Capes an den brasilianischen Hochschulen hat eine Tendenz zu einer passiven Internationalisierung ergeben – Studierende und Lehrende verbringen durchaus wissenschaftliche Auslandsaufenthalte, der Anteil ausländischer Forschender und Studierender ist jedoch gering. Gleichzeitig wurde dadurch eine gewisse Heterogenität des Internationalisierungsgrads an den jeweiligen Hochschulen deutlich, was die Capes dazu veranlasste, die Ausschreibung – wie in Deutschland auch – nach dem Modell „free painting“ zu gestalten. Über das Programm werden für die Förderung von bis zu 40 institutionellen Internationalisierungsprojekten mit einer Dauer von vier Jahren rund 300 Millionen Real jährlich zur Verfügung gestellt. Jede Hochschule soll unter Berücksichtigung der jeweiligen spezifischen Anforderungen ihre eigenen Maßnahmen erarbeiten, Prioritäten benennen und Mechanismen darlegen, um die Leistungen in Forschung und Lehre zu optimieren. Das Modell soll laut Capes auch in dem angekündigten Exzellenzprogramm zur Anwendung kommen: „Wir haben beobachtet, dass die Hochschulen nicht alle die gleiche Internationalisierungsstrategie benötigen. Als Förderinstitution auf Bundesebene stellt Capes zwar allen die gleichen Instrumente zur Verfügung, die aber im Rahmen der Initiative flexibel eingesetzt werden können“, erläuterte Pimentel.

Klaus Wehrberger, stellvertretender Leiter der Abteilung Programm- und Infrastrukturförderung, präsentierte Hintergründe, Konzeption und Ergebnisse der Exzellenzinitiative

© Haydée Vieira CCS/CAPES

Wehrberger erwähnte überdies, dass das „free painting“-Modell bei der Exzellenzinitiative in Deutschland grundlegend zur Spezialisierung und Profilbildung der Universitäten beigetragen hat, die dadurch gezwungen waren, eine kritische Selbsteinschätzung ihrer Stärken und Schwächen vorzunehmen. „Unser Ziel war es nicht, zwei oder drei Universitäten zu fördern, um sie gegenüber Harvard, dem MIT oder Oxford konkurrenzfähig zu machen. Das Anliegen war vielmehr, die besten Forscherinnen und Forscher, Hochschulen und Standorte für bestimmte Forschungsgebiete auszuwählen“, führte er aus. Laut Pimentel will die Capes mit dem neuen Programm Ähnliches erreichen: „Wir möchten eine klare Kompetenzdarstellung und Zielsetzung für das Erreichen der Exzellenz in der Forschung. Nur selten ist eine Universität auf allen Gebieten gleich gut, und oft ist das in den Hochschulen vorhandene Potenzial auch gar nicht so sichtbar.“

Neben institutionellen Maßnahmen zur Internationalisierung sieht die brasilianische Exzellenzinitiative zwei weitere Förderlinien vor. Zum einen sind sogenannte Hotspots geplant, die an die Erfordernisse des produktiven Sektors gekoppelt sind. Damit sollen mittels Exzellenz in erkenntnisgetriebener Forschung und neuen Technologien eine Annäherung zwischen universitärer Forschung und Industrie erreicht sowie Lösungen mit sozialer Relevanz geschaffen werden.

Zum anderen sollen Exzellenzcluster in der erkenntnisorientierten und angewandten Forschung gefördert werden, die aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern derselben Einrichtung oder einer Gruppe Forschender unterschiedlicher Institutionen in einer Region bestehen können und die Forschungsprojekte in international wettbewerbsfähigen Bereichen entwickeln sollen. Um internationale Standards zu gewährleisten, wird die Capes ausländische Gutachterinnen und Gutachter in den Auswahlprozess einbeziehen.

Capes-Präsident Abílio Baeta Neves präsentierte das Konzept eines privaten Fonds für die Forschungsförderung

© Haydée Vieira CCS/CAPES

Oliver Wiegner hat die Einführung der Exzellenzinitiative in Deutschland auf operativer Ebene begleitet und erklärte, dass knapp 90 Prozent der Gutachterinnen und Gutachter aus dem Ausland kamen. Ein Grund für diese Entscheidung war das Vermeiden von Interessenkonflikten: „In ganz Deutschland waren die besten Forscherinnen und Forscher in Anträge involviert, und wenn man in Konkurrenz zueinander steht, darf man sich nicht gegenseitig begutachten.“ In Deutschland gab es zwar keine spezifische Förderung für Internationalisierungsprojekte, dennoch war die internationale Ausrichtung ein wichtiger Aspekt für die Bewertung. Wiegner zufolge musste die Forschung ein internationales Exzellenzniveau vorweisen und neue Strukturen so gestaltet werden, dass sie sowohl für die besten Forscherinnen und Forscher im In- als auch aus dem Ausland attraktiv sind. Diese Vorgabe wurde zweifellos mit Erfolg umgesetzt: Es wurden insgesamt fast 6000 neue Stellen in der Forschung geschaffen neben denen, die auf indirektem Wege entstanden sind. Nahezu die Hälfte des neu angestellten Lehrpersonals kam aus dem Ausland, was vor Einführung des Programms nicht üblich war, als deren Anteil lediglich knapp 10 Prozent betrug.

Laut Wiegner können die vielen positiven Ergebnisse der Initiative der langfristigen und dauerhaften Förderung zugeschrieben werden: „Mit der Finanzierung aus dem Programm konnten die deutschen Universitäten Projekte durchführen, die vorher nicht möglich gewesen wären.“ Zwischen 2006 und 2017 wurden den Hochschulen Mittel in Höhe von insgesamt 4,6 Milliarden Euro für neue Graduierungsprogramme, Exzellenzcluster und institutionelle Strategien zur Förderung von Spitzenforschung zur Verfügung gestellt. In der neuen Phase des Programms, das nun Exzellenzstrategie heißt, werden zwischen 2019 und 2027 Exzellenzcluster und -universitäten mit 533 Millionen Euro jährlich gefördert. Trotz der positiven Ergebnisse der Exzellenzinitiative bestehen laut Wehrberger einige Herausforderungen weiterhin, so zum Beispiel die Einbindung einer höheren Anzahl von Frauen im deutschen Wissenschaftssystem.

Capes-Präsident Abílio Neves sprach sich für eine kontinuierliche Förderung des zukünftigen brasilianischen Programms aus, was angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Krise in Brasilien kein leichtes Unterfangen ist. „Es ist nicht möglich, Exzellenz zu schaffen, wenn wir keine langfristige Förderperspektive haben“, bekräftigte er. Man wolle für das Exzellenzprogramm auf Mittel zurückgreifen, die nicht aus der Staatskasse stammen und daher nicht beschränkt werden können. „Wir setzen uns dafür ein, dass ein privater und stabiler Fonds geschaffen wird, der sich durch Firmenspenden trägt und alle Wissensbereiche umfasst“, ergänzte Pimentel.

Im Rahmen der Veranstaltung konnte das Publikum Fragen stellen und verschiedene Aspekte der Programme in Deutschland und Brasilien mit den Vertreterinnen und Vertretern von Capes und DFG diskutieren. „Es war uns eine große Freude, diesen fruchtbaren Dialog mit den beiden Vertretern der DFG hier in der Capes zu realisieren, die dafür extra aus Bonn angereist sind. Dies ist mit Sicherheit das Ergebnis der hervorragenden Kooperation unserer beider Organisationen“, so Neves in seinem Schlusswort.