Für Sie gelesen: “„Datenkrake“ NIH?”

Ein im DFG-Pressespiegel vom 28. September 2023 aufgeführter Beitrag von Science Business befasste sich mit Veränderungen von Förderrichtlinien für vom National Institute of Health (NIH) geförderte Forschungsprojekte außerhalb der USA. Zum Verständnis sollte man zwei Dinge wissen: Zum einen fördern die NIH schon seit Langem im Rahmen der von ihnen finanzierten Forschungsprojekte über sogenannte „sub-awards“ auch außerhalb der USA durchgeführte Teilprojekte. Zum anderen ging einer der „sub-awards“ in der Vergangenheit an das Wuhan Institute of Virology in China, das sich bei der Klärung der Frage nach dem Ursprung von COVID-19 nicht besonders kooperativ zeigte. Dieser „sub-award“ setzte die NIH unter erheblichen politischen Druck, und ein Ergebnis dieses Drucks ist die am 19. Mai dieses Jahres unter dem Titel „NIH Updated Policy Guidance for Subaward/Consortium Written Agreements“ veröffentlichte und zum 1. Oktober in Kraft getretene Neufassung der Richtlinien für NIH-geförderte Forschung, also auch der im Ausland durchgeführten „sub-awards“. In den Richtlinien heißt es neu: „For foreign subrecipients, a provision requiring the foreign subrecipient to provide copies of all lab notebooks, all data, and all documentation that supports the research outcomes as described in the progress report. These supporting materials must be provided to prime recipient with each scientific update (no less than once every three months) in line with the timelines outlined in the agreement.”

Am 15. September erschien dann auf der Webseite des NIH Office of Extramural Research eine ausführliche Erläuterung der neuen Richtlinien, zu der auch ein Video mit dem Acting Director der NIH, Laurence Tabak, gehört. Offensichtlich war die Kritik aus der wissenschaftlichen Community deutlich genug, um die Neuerungen von Tabak erläutern zu lassen. Er betonte dabei allerdings, dass es sich um keine Neuerungen handele, sondern lediglich um eine Präzisierung bereits bestehender Richtlinien. Es solle damit im Sinne des Steuerzahlers und auf Verlangen von Kontrollgremien der NIH sichergestellt werden, dass Empfänger von NIH-Projektmitteln uneingeschränkten und unmittelbaren Zugang zu den Daten und Unterlagen der Empfänger von „sub-awards“ haben. Er führt aus: „This is about stewardship, compliance and robust conduct of research.” Die präzisierten Richtlinien sollten den Empfängern von NIH-Projektmitteln die Zusammenarbeit mit internationalen „sub-awardees“ erleichtern, diese nicht verhindern. Zu Beidem gibt es laut Science Business abweichende Einschätzungen, nämlich zum einen bezüglich des erhöhten Compliance-Aufwands für die Empfänger von NIH-Mitteln und zum anderen im Hinblick auf eine mögliche prinzipielle Unvereinbarkeit mit gesetzlichen Vorschriften in den Ländern der „sub-awardees“, selbst wenn die Übermittlung von Daten und Unterlagen nicht mehr – wie ursprünglich geplant – alle drei Monate, sondern einmal im Jahr erfolgen solle. Im Beitrag heißt es, dass europäische Forschungseinrichtungen einen enormen Aufwand betreiben müssten, um die NIH-Anforderungen mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und Bedenken hinsichtlich des Umgangs mit geistigem Eigentum in Einklang zu bringen. 

Darf man nun den Ausführungen Tabaks Glauben schenken, müsste dieser Aufwand von „sub-awardees“ in Europa ohnehin geleistet werden, allerdings nennt der Beitrag in Science Business diesen Aufwand der Datenbereinigung und -übersetzung lästig und nach der Neufassung während der Laufzeit eines Projektes nun mehrfach notwendig. Es heißt weiter, dass sich europäische Einrichtungen derzeit in einem Wettlauf mit der Zeit befänden, um entsprechende Vereinbarungen für ihre „sub-awardees“ in Projekten an US-Universitäten neu auszuhandeln.

Fazit: Die auf politischen Druck hin präzisierten Förderrichtlinien für internationale Teilprojekte im Rahmen NIH-geförderter Forschung stellen zwar in dem Sinne eine quantitative Neuerung dar, dass nun Empfänger von „sub-awards“ im Ausland ihre Forschungsdaten, Laborbücher und andere Unterlagen einmal im Jahr an die NIH übermitteln müssen, was zu einem Compliance-Mehraufwand führen dürfte, doch qualitativ hat sich laut NIH nichts verändert, denn die Übermittlung der Daten sei elementarer Bestandteil der Nachvollziehbarkeit und entsprechend der guten wissenschaftlichen Praxis. Der Anlass der Präzisierung – ein stark in die Kritik geratener „sub-award“ an das Wuhan Institute of Virology – ist zweifelsohne politisch, doch bestanden die Richtlinien bereits vorher.  und sie machen NIH nicht zu einer „Daten-Krake“, die sie nicht schon vorher gewesen ist. 

Auch nicht verändert hat sich die angesichts eines derzeitigen Budgets von 47 Milliarden US$ pro Jahr nachvollziehbare Haltung der NIH, bei internationalen Kooperationen die jeweiligen Gegenüber eher als Junior-Partner zu betrachten.