Pressemitteilung Nr. 51 | 9. Dezember 2021

Leibniz-Preise 2022: DFG zeichnet fünf Wissenschaftlerinnen und fünf Wissenschaftler aus

Wichtigster Forschungsförderpreis in Deutschland für herausragende Arbeiten aus allen Wissenschaftsgebieten / Je 2,5 Millionen Euro Preisgeld zur freien Verwendung für künftige Forschungen

Wichtigster Forschungsförderpreis in Deutschland für herausragende Arbeiten aus allen Wissenschaftsgebieten / Je 2,5 Millionen Euro Preisgeld zur freien Verwendung für künftige Forschungen

Die neuen Trägerinnen und Träger des wichtigsten Forschungsförderpreises in Deutschland stehen fest: Der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erkannte heute fünf Wissenschaftlerinnen und fünf Wissenschaftlern den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2022 zu. Sie waren zuvor vom zuständigen Auswahlausschuss aus 134 Vorschlägen ausgewählt worden. Von den zehn Preisträgerinnen und Preisträgern kommen je vier aus den Geistes- und Sozialwissenschaften und den Naturwissenschaften sowie zwei aus den Lebenswissenschaften. Die Ausgezeichneten erhalten jeweils ein Preisgeld von 2,5 Millionen Euro. Diese Gelder können die Preisträgerinnen und Preisträger bis zu sieben Jahre lang nach ihren eigenen Vorstellungen und ohne bürokratischen Aufwand für ihre Forschungsarbeit verwenden. Wann und in welchem Rahmen die Leibniz-Preise 2022 verliehen werden, steht wegen der Coronavirus-Pandemie noch nicht fest; hierzu erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt eine gesonderte Information.

Den „Förderpreis im Gottfried Wilhelm Leibniz-Programm“ der DFG für das Jahr 2022 erhalten:

  • Professorin Dr. Almut Arneth, Ökosystemforschung, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe
  • Professorin Dr. Marietta Auer, Rechtswissenschaften, Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie, Frankfurt/Main, und Justus-Liebig-Universität Gießen
  • Professor Dr. Iain Couzin, Verhaltensbiologie, Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie, Konstanz, und Universität Konstanz
  • Professorin Dr. Stefanie Dehnen, Anorganische Molekülchemie, Philipps-Universität Marburg
  • Dr. Eileen Furlong, Funktionelle Genombiologie, European Molecular Biology Laboratory (EMBL), Heidelberg
  • Professor Dr. Peter Hommelhoff, Experimentelle Physik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
  • Professor Dr. Gabriel Martínez-Pinedo, Theoretische Physik, GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung und Technische Universität Darmstadt
  • Professor Dr. Mischa Meier, Alte Geschichte, Eberhard Karls Universität Tübingen
  • Professorin Dr. Karen Radner, Altorientalistik, Ludwig-Maximilians-Universität München
  • Professor Dr. Moritz Schularick, Wirtschaftswissenschaften, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis wird seit 1986 jährlich von der DFG verliehen. Pro Jahr können bis zu zehn Preise mit einer Preissumme von jeweils 2,5 Millionen Euro verliehen werden. Mit den zehn Preisen für 2022 sind bislang insgesamt 398 Leibniz-Preise vergeben worden. Davon gingen 127 in die Naturwissenschaften, 115 in die Lebenswissenschaften, 95 in die Geistes- und Sozialwissenschaften und 61 in die Ingenieurwissenschaften. Da Preis und Preisgeld in Ausnahmefällen geteilt werden können, ist die Zahl der Ausgezeichneten höher als die der Preise. Insgesamt haben bislang 425 Nominierte den Preis erhalten, darunter 358 Wissenschaftler und 67 Wissenschaftlerinnen.

Zwei Leibniz-Preisträgerinnen und acht Leibniz-Preisträger haben nach der Auszeichnung mit dem wichtigsten Forschungsförderpreis in Deutschland auch den Nobelpreis erhalten: 1988 Professor Dr. Hartmut Michel (Chemie), 1991 Professor Dr. Erwin Neher und Professor Dr. Bert Sakmann (beide Medizin), 1995 Professorin Dr. Christiane Nüsslein-Volhard (Medizin), 2005 Professor Dr. Theodor W. Hänsch (Physik), 2007 Professor Dr. Gerhard Ertl (Chemie), 2014 Professor Dr. Stefan W. Hell (Chemie), 2020 Professorin Dr. Emmanuelle Charpentier (Chemie) und Professor Dr. Reinhard Genzel (Physik) sowie 2021 Professor Dr. Benjamin List (Chemie).

Die Leibniz-Preisträgerinnen und -Preisträger 2022 im Kurzporträt:

Professorin Dr. Almut Arneth (53), Ökosystemforschung, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe

Almut Arneth erhält den Leibniz-Preis 2022 für ihre herausragenden Forschungsarbeiten zu den Wechselwirkungen und Rückkopplungen zwischen Landökosystemen und dem Klimawandel. Ihre Arbeiten haben erheblich zu einem besseren Verständnis dieser Abhängigkeiten beigetragen, denn zum einen wirken sich Klimaveränderungen auf Ökosysteme aus, zum anderen verändert die Landnutzung das regionale Klima. So konnte Arneth zeigen, dass terrestrische biogeochemische Klima¬rückkopplungen zusammengenommen eine ähnliche Größenordnung haben wie die Rückkopplungen im physikalischen Klimasystem. Sie nahm die erste globale prozessbasierte Bewertung der von Pflanzen an die Atmosphäre abgegebenen sogenannten Isopren-Emissionen vor und konnte nachweisen, dass diese sich mit der globalen Erwärmung und dem Anstieg des Kohlendioxidgehalts erheblich verändern würden. In jüngster Zeit erforschte Arneth die Rolle von Bränden und Landnutzungsänderungen als globale Kohlendioxidquellen. Mit ihren Forschungsarbeiten verknüpft sie die bisher nur lose verbundenen Bereiche der Biodiversität und der Klimawissenschaft.

Arneth wurde 1998 an der Universität Lincoln in Neuseeland im Fach Umweltwissenschaften promoviert, bevor sie Emmy Noether-Nachwuchsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena wurde. Nach einem weiteren Postdoc-Aufenthalt am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg wechselte sie 2004 an die Universität Lund, wo sie 2011 Professorin wurde. Seit 2012 ist sie Professorin am Institut für Meteorologie und Klimaforschung des KIT und leitet dort die Arbeitsgruppe Modellierung Globaler Landökosysteme.

Professorin Dr. Marietta Auer (49), Rechtswissenschaften, Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie, Frankfurt/Main, und Justus-Liebig-Universität Gießen

Für ihre herausragenden Arbeiten auf dem Gebiet der Rechtstheorie und der Rechtsgeschichte, mit denen sie zur Herausbildung eines umfassenden rechtsphilosophischen Verständnisses des Privatrechts im Verhältnis zum öffentlichen Recht beigetragen hat, wird Marietta Auer mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet. Bereits ihre Doktorarbeit und ihre Habilitationsschrift gelten als bahnbrechende Arbeiten der Rechtstheorie: In Ersterer zeigt Auer die grundlegenden Spannungen zwischen individueller Freiheit und „kollektivistischer“ Sorge für die Schwächeren, zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit und zwischen Gesetzgeber und Richter auf. In der darauf aufbauenden Habilitation erarbeitet sie eine Philosophie des Privatrechts der Moderne, in der das Recht – insbesondere das Recht auf Eigentum – als grundlegend für die Konstitution sozialer Beziehungen und des modernen Selbst angesehen wird. Damit eröffnete sie eine neue Perspektive auf die Beziehung zwischen dem Privatrecht einerseits, das die Freiheit des Individuums garantieren soll, und dem öffentlichen Recht andererseits, das soziale Ordnung schaffen soll.

Marietta Auer studierte zunächst Rechtswissenschaften sowie im Anschluss Philosophie und Soziologie. 2003 erwarb sie den Titel des Doktors der Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München und 2012 den des Doctor of Juridical Science an der Harvard Law School. Nach ihrer Habilitation in München wurde sie 2013 Professorin an der Justus-Liebig-Universität Gießen, bevor sie 2020 zur Direktorin des Max-Planck-Instituts für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie in Frankfurt/Main berufen wurde. In Gießen hält sie parallel derzeit den Lehrstuhl für Privatrecht sowie internationale und interdisziplinäre Grundlagen des Rechts.

Professor Dr. Iain Couzin (47), Verhaltensbiologie, Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie, Konstanz, und Universität Konstanz

Der Leibniz-Preis für Iain Couzin würdigt dessen herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Verhaltensbiologie, die zu einem grundlegend neuen Verständnis von kollektivem Verhalten geführt haben. Couzin kombinierte in seinen Forschungsarbeiten bereits früh modernste Techniken von der automatisierten Erfassung von Bewegungsmustern über maschinelle Lernalgorithmen bis hin zu computergestützten Modellen. Auf diese Weise gelang es ihm, die Regeln zu identifizieren, nach denen kollektives Verhalten, etwa von Insekten-, Fisch- oder Vogelschwärmen, ermöglicht wird. Couzin konnte nachweisen, dass wenige Verhaltensregeln für jedes Gruppenmitglied die Bewegung der ganzen Gruppe voraussagen können. Bereits früh in seiner Karriere stellte er ein theoretisches Modell auf, das auf der Basis weniger Verhaltensregeln für jedes Gruppenmitglied die Bewegungsmuster der Gruppe prognostiziert. Es ist als „Couzin-Modell“ nicht nur in die Biologie eingegangen, sondern beeinflusst weit darüber hinaus auch in Physik, Robotik und Sozialwissenschaften das Verständnis von Entscheidungsfindungen und Gruppenstrukturen.

Couzin erhielt 1999 seinen PhD in Biologie von der University of Bath. Nach Postdoc-Aufenthalten in Leeds, Princeton und Oxford ging Couzin 2007 als Assistant Professor an die Princeton University, wo er 2013 zum Full Professor berufen wurde. 2014 folgte er einem Ruf nach Konstanz an das heutige Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie, wo er derzeit als Direktor der Abteilung Kollektives Verhalten tätig ist. Couzin ist zudem Inhaber eines Lehrstuhls an der Universität Konstanz. Neben wissenschaftlichen Auszeichnungen erhielt er mehrere Preise für sein Engagement in der Wissenschaftskommunikation.

Professorin Dr. Stefanie Dehnen (52), Anorganische Molekülchemie, Philipps-Universität Marburg

Stefanie Dehnen erhält den Leibniz-Preis für ihre herausragenden Beiträge zur Synthese von neuartigen Metallclustern sowie deren Anwendung zur Energiespeicherung und zum Energietransfer. Ihre chemischen Arbeiten basieren auf einem speziellen Synthesekonzept, das den Zugang zu einer Vielzahl neuartiger Verbindungen und Materialien ermöglicht. So verwendet sie binäre Aggregate aus Hauptgruppenelementen, die dann um mindestens eine Komponente – weitere Atome oder organische Gruppen – erweitert werden. Auf diese Weise gelang es Dehnen, neuartige Strukturen mit den besten bislang bekannten leitenden Eigenschaften herzustellen. Ihre Forschung passt dabei in kein herkömmliches Schema: Entscheidend in der „Dehnen-Chemie” ist die transdisziplinäre Vorgehensweise, insbesondere die Kombination von anorganischer und organischer Chemie, Komplexchemie und modernen theoretischen Methoden. Die Ergebnisse ihrer Forschung haben Einzug in die Lehrbücher der Chemie gefunden, und ihr Syntheseansatz wird mittlerweile weltweit genutzt.

Dehnen hat an der Universität Karlsruhe Chemie studiert und wurde dort 1996 auch promoviert. Nach ihrer Habilitation 2004 folgte sie ein Jahr später einem Ruf auf den Lehrstuhl für Anorganische Chemie an der Philipps-Universität Marburg. In Marburg ist sie bis heute Professorin. Dehnen engagiert sich für Chancengleichheit und erhielt dafür 2018 den Preis der Philipps-Universität zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft. Sie ist Mitglied der Leopoldina − Nationale Akademie der Wissenschaften. An ihrer Universität leitet sie das öffentliche Mitmachlabor Chemikum.

Dr. Eileen Furlong (51), Funktionelle Genombiologie, European Molecular Biology Laboratory (EMBL), Heidelberg

Mit Eileen Furlong wird eine herausragende Wissenschaftlerin für ihre entwicklungsbiologischen Arbeiten zu Funktionsmechanismen von Enhancern in der Genregulation mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet. Enhancer sind bestimmte Abschnitte in der eukaryotischen DNA, die die Genregulation, also die Aktivität von Genen steuern. Furlongs Arbeiten über die Eigenschaften dieser Enhancer konnten aufklären, wie Gene während der Embryonalentwicklung aktiviert werden. Insbesondere hat sie gezeigt, dass viele embryonale Enhancer zunächst ein Molekül programmieren, das die Transkription regulierter Gene steigert, ehe sie die Signale zum Anschalten erhalten. In ihren neuesten Arbeiten kombiniert Furlong Entwicklungsbiologie, Genomik und Populationsgenetik und klärt Mechanismen auf, die bei genetischer Variation, wie man sie in der freien Wildbahn findet, dafür sorgen, dass die genetische Information eines Gens in Erscheinung tritt. Sie hat zudem früh verschiedene Arten von Computermodellen wie maschinelles Lernen angewandt, um Entwicklungsverläufe zu verstehen. Damit konnte Furlong die populationsgenetische Entwicklungsbiologie auf ein neues Niveau heben.

Furlong wurde 1996 am Department of Pharmacology and Biotechnology des University College Dublin promoviert. Danach war sie bis 2002 Postdoktorandin am Department of Developmental Biology der Stanford University und wechselte dann ans European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg, zunächst als Gruppenleiterin. Seit 2009 leitet sie das Department Entwicklungsbiologie des EMBL. Sie hat bereits zwei ERC Advanced Grants eingeworben.

Professor Dr. Peter Hommelhoff (47), Experimentelle Physik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Für seine fundamentalen Beiträge zur von starken Lichtfeldern getriebenen Elektronendynamik und der Nutzung von optischen Wellenformen von Laserpulsen, um Elektronen im Vakuum und in Festkörpern und an Festkörperoberflächen zu untersuchen, wird dem Physiker Peter Hommelhoff der Leibniz-Preis zuerkannt. Die Elektronendynamik in Atomen und Molekülen findet typischerweise auf einer Zeitskala statt, die in der Größenordnung mehrerer 100 Attosekunden liegt – das ist ein Zeitbereich, der erst seit etwa 15 Jahren experimentell zugänglich ist. Hier knüpfen Hommelhoffs Forschungen an, denn er konnte Methoden entwickeln, die zur Kontrolle der Elektronendynamik mit Lichtfeldern auf der Attosekunden-Zeitskala beigetragen haben. Damit lieferte er grundlegende Beiträge zum Verständnis der Elektronendynamik in starken Feldern. Seine Arbeiten auf diesem Gebiet, mit denen er schon als Postdoktorand begann, begründeten ein neues Forschungsfeld: die Laserbeschleunigung von Elektronen an photonischen Strukturen. Dieses dehnte Hommelhoff zuletzt auch auf die Untersuchung von Ladungsträgerdynamiken in Festkörpern aus.

Hommelhoff wurde 2002 an der Ludwig-Maximilians-Universität München in Physik promoviert, kurz darauf wechselte er als Postdoc nach Stanford. 2007 kehrte er nach Deutschland zurück, leitete zunächst eine Max-Planck-Forschungsgruppe in Garching, habilitierte sich 2012 in München und wurde im gleichen Jahr an die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg berufen. Hommelhoff ist zudem Fellow am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, ebenfalls in Erlangen. Er erhielt einen ERC Advanced Grant. Zusammen mit einem Kollegen aus Stanford leitet er das mit fast 20 Millionen US-Dollar geförderte Projekt ACHIP (Accelerator on a Chip International Project).

Professor Dr. Gabriel Martínez-Pinedo (52), Theoretische Physik, GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung und Technische Universität Darmstadt

Gabriel Martínez-Pinedo wird für seine herausragenden Arbeiten in der theoretischen Astrophysik über die Entstehung der schweren Elemente mit dem Leibniz-Preis 2022 geehrt. Schwere Elemente mit Ordnungszahlen jenseits der von Eisen entstehen im Rahmen bestimmter astrophysikalischer Prozesse im Universum, wobei extreme Dichten von Neutronen notwendig sind. Wie diese astrophysikalischen Prozesse ablaufen, gehörte jedoch zu den ungelösten Problemen der Physik des 21. Jahrhunderts – hier führten die Forschungen von Martínez-Pinedo einen Paradigmenwechsel herbei: Nicht der Kollaps schwerer Sterne in Supernova-Explosionen ist der entscheidende Prozess, sondern die Verschmelzung von Neutronensternen. Auf dieser Erkenntnis aufbauend, konnte Martínez-Pinedo vorhersagen, dass ein solches Ereignis in der Beobachtung tausendmal heller als die in der Milchstraße bekannten Nova-Explosionen sein sollte; hierfür entstand der Begriff „Kilo-Nova“. Diese Vorhersage wurde tatsächlich verifiziert, als im Jahr 2017 erstmals eine Neutronensternverschmelzung mithilfe von Gravitationswellen und mit Teleskopen beobachtet werden konnte.

Nach seiner 1995 in Madrid abgelegten Promotion zog es Martínez-Pinedo zu Forschungsaufenthalten nach Kalifornien, Aarhus, Basel und Barcelona. Seit 2005 arbeitet er in Darmstadt, wo er Positionen an der Technischen Universität Darmstadt sowie am ebenfalls dort angesiedelten GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung übernahm. Heute ist Martínez-Pinedo Leiter der Theorieabteilung der GSI Darmstadt und Professor für Theoretische Nukleare Astrophysik an der TU Darmstadt. Seine Arbeiten wurden unter anderem 2008 mit dem Gustav-Hertz-Preis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft ausgezeichnet und mit einem ERC Advanced Grant gefördert.

Professor Dr. Mischa Meier (50), Alte Geschichte, Eberhard Karls Universität Tübingen

Der Leibniz-Preis für Mischa Meier würdigt dessen bahnbrechende Arbeiten zur Geschichte der Spätantike, mit denen er das Feld der Alten Geschichte und benachbarter Disziplinen national und international nachhaltig geprägt hat. Meiers Studien haben wesentlich zu einem neuen, differenzierteren Verständnis der sogenannten „langen“ Spätantike beigetragen, also der Zeit etwa vom 3. bis 8. Jahrhundert nach Christus. Diese Epoche umfasste weit mehr als den Untergang Roms. Sie war geprägt durch das Neben- und Gegeneinander konkurrierender Imperien, den parallelen Aufstieg unterschiedlicher monotheistischer Religionen, Erfahrungen von Umweltkatastrophen und Pandemien sowie erheblichen Migrationsbewegungen. Meier entfaltete dieses neue Bild der Spätantike erstmals in seinem grundlegenden Buch „Das andere Zeitalter Justinians“ (2003). Im Anschluss widmete sich Meier der Völkerwanderung, der Pest, dem Fall Roms im Jahr 410 und dem spätrömischen Kaiser Anastasius. In diesen Studien verknüpft Meier in maßstabsetzender Weise methodische Ansätze aus verschiedenen Disziplinen und konnte so oftmals die Modellhaftigkeit seiner Gegenstände auch für das Verständnis unsere Gegenwart sichtbar machen.

Seine wissenschaftliche Laufbahn begann Mischa Meier im Jahr 1998 mit der Promotion an der Universität Bochum. Er habilitierte sich 2002 an der Universität Bielefeld; seine dort eingereichte Arbeit wurde damals als beste historische Habilitationsschrift ausgezeichnet. Seit 2004 ist er Professor für Alte Geschichte an der Universität Tübingen, die er seither zu einem international anerkannten und hochproduktiven Zentrum der Spätantikeforschung ausgebaut hat.

Professorin Dr. Karen Radner (49), Altorientalistik, Ludwig-Maximilians-Universität München

Mit Karen Radner wird eine der weltweit führenden Expertinnen für die frühe Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens mit dem Leibniz-Preis geehrt. Sie erhält die Auszeichnung für ihre international einflussreichen Forschungen zur Assyriologie, mit denen sie die Geschichte und Kultur der Region neu erschlossen und vermittelt hat. Radner erforscht in ihren thematisch weit ausgreifenden und interdisziplinären Arbeiten die antike Kultur und Geschichte dessen, was heute „Naher und Mittlerer Osten“ heißt. Im Fokus steht dabei die Großmacht Assyrien im ersten Jahrtausend vor Christus. Die Relevanz für ein historisches Verständnis dieser Großregion auch für die Gegenwart erschließt sich bei der Lektüre ihrer bahnbrechenden Editionen und Analysen – darunter zehn Monografien sowie zwölf herausgegebene Bände. Radner hat Pionierarbeiten in der Erschließung assyrischer Quellen geleistet, und ihre Arbeiten haben das Potenzial, das gegenseitige Wissen und die Beziehungen zwischen Orient und Okzident neu zu definieren. Darüber hinaus setzt sie sich auch aktiv für die Förderung von jungen Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern unter anderem aus Irak oder Iran ein.

Nach ihrer mehrfach ausgezeichneten Dissertation an der Universität Wien verbrachte Radner ihre Postdoc-Zeit in Helsinki und Tübingen, bevor sie sich 2004 an der Ludwig-Maximilians-Universität München habilitierte. Danach lehrte sie am History Department des University College London, seit 2011 als Professorin. 2015 kehrte sie zurück nach München und ist dort Inhaberin der neu geschaffenen Alexander von Humboldt-Professur für die Alte Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens.

Professor Dr. Moritz Schularick (46), Wirtschaftswissenschaften, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Der Leibniz-Preis für Moritz Schularick würdigt seine herausragenden Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften. Dies gilt insbesondere für seine Neuverknüpfung der Makroökonomie mit der Wirtschaftsgeschichte und seine Einsichten in die Ursachen von Finanzkrisen und die historische Entwicklung der Vermögensverteilung. Während die Finanzkrise 2008 die Wirtschaftswissenschaften weitgehend unvorbereitet traf, gelang Schularick zeitnah der Nachweis, dass Finanzkrisen regelmäßig auf starke Wachstumsphasen folgen. Er entwickelte so ein grundlegenderes Verständnis der Krisendynamik, das dazu beitragen kann, zukünftige Finanzkrisen vorherzusehen und abzumildern. In jüngerer Zeit richtete Schularick sein Forschungsinteresse auf die Ursachen sozialer Ungleichheit. Dazu analysierte er die Entwicklung von Kapital- und Immobilienrenditen und konnte auf diese Weise Aspekte ungleicher Ressourcenausstattung als wesentlich für die Zunahme sozialer Ungleichheit herausarbeiten. Seine Arbeiten konnten insgesamt erheblich zum besseren Verständnis zentraler Probleme der Gegenwart beitragen und werden in vielen wirtschafts- und sozialpolitischen Debatten aufgegriffen.

Nach Masterstudienabschlüssen in Berlin, Paris und London schloss Schularick im Jahr 2005 seine Promotion an der Freien Universität Berlin ab, wo er anschließend fünf Jahre lang eine Juniorprofessur innehatte. Gastprofessuren führten ihn anschließend an das Center for European Studies der Harvard University, an das Institut d‘études politiques in Paris und an die Stern School of Business der New York University. Seit 2012 ist er Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bonn. Er leitet dort das MacroHistory Lab.

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Weitere Informationen zu den Preisträgerinnen und Preisträgern 2022 können ab Anfang des neuen Jahres bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG angefordert oder abgerufen werden unter:

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