Pressemitteilung Nr. 2 | 25. Januar 2019

Trauer um Wolfgang Frühwald

Früherer DFG-Präsident im Alter von 83 Jahren verstorben

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) trauert um ihren Altpräsidenten Professor Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Frühwald. Der Literaturwissenschaftler, der von 1992 bis 1997 an der Spitze der DFG stand, ist am 18. Januar 2019 im Alter von 83 Jahren verstorben.

„In gesellschaftlich und wissenschaftlich besonders gestaltungsoffenen Jahren hat Wolfgang Frühwald mit geschliffener Intellektualität und konzeptioneller Gestaltungskraft, mit besonderem ethischem Anspruch und ebensolcher Autorität und mit seiner Gabe der persönlichen Zugewandtheit die Geschicke der Deutschen Forschungsgemeinschaft und mit ihr der Wissenschaft in Deutschland gestaltet. Seine Überzeugung, dass Grundlage aller Forschungsarbeit die wissenschaftliche Persönlichkeit sei, seine rigorosen Appelle an die Verantwortung der Wissenschaft und aller in ihr Tätigen und seine stete Mahnung, sorgfältig zu unterscheiden zwischen dem, was gemacht werden könne, und dem, was gemacht werden dürfe oder solle, sie können unverändert als Richtschnur einer verantwortlichen Forschung gelten – auch heute, da die Wissenschaften immer schneller und massiver in immer neue Bereiche des Wissens mit allen damit verbundenen Chancen und Risiken eindringen“, sagte der heutige DFG-Präsident Professor Dr. Peter Strohschneider zur Würdigung Frühwalds. „Die DFG erinnert sich mit großer Dankbarkeit und Hochachtung an Wolfgang Frühwald und wird ihm ein ehrendes Angedenken bewahren.“

Wolfgang Frühwald war der siebte Präsident der DFG seit deren Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg 1951. Am 2. August 1935 in Augsburg geboren, studierte er Germanistik, Geschichte, Geographie und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, an der er 1961 auch promoviert wurde und sich 1969, mit einem Stipendium der DFG, im Fach Neuere Deutsche Literaturgeschichte habilitierte. Anschließend war Frühwald Assistent und Dozent an der LMU sowie in Bochum, Erlangen-Nürnberg und Münster, bevor er 1970 ordentlicher Professor für Neue Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Trier-Kaiserslautern wurde. 1974 erhielt er für dasselbe Fach einen Lehrstuhl an der LMU, den er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2003 innehatte.

Als Wissenschaftler machte sich Frühwald vor allem mit seinen Arbeiten zur deutschen Literatur der Romantik und des Biedermeier weit über Deutschland hinaus einen Namen, allen voran durch seine Studien zu Clemens Brentano und Adalbert Stifter sowie die von ihm herausgegebenen Werkausgaben und Briefe beider Autoren. Großes Interesse brachte Frühwald aber auch der modernen deutschen Literatur entgegen, so etwa dem linksrevolutionären Schriftsteller Ernst Toller und den Autoren der deutschsprachigen Emigration nach 1933.

Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit engagierte sich Wolfgang Frühwald bereits früh in der wissenschaftlichen Selbstverwaltung und Politikberatung, unter anderem als Mitglied des Wissenschaftsrates (1982–87) und Prorektor an der Universität München (1989–91).

In der DFG war Frühwald bereits ab 1972 in der Senatskommission für Germanistische Forschung aktiv, später als gewählter Fachgutachter (1976–84) und als Vorsitzender des damaligen Fachausschusses Sprach- und Literaturwissenschaften (1980–84). Von 1986–91 gehörte Frühwald dem Senat und Hauptausschuss an, bevor er im Juli 1991 als Nachfolger des Zoologen Professor Dr. Hubert Markl ins Präsidentenamt gewählt wurde. Seine erste Amtszeit war zunächst geprägt durch das Bemühen um eine deutlich bessere finanzielle Ausstattung der DFG, die nach der Wiedervereinigung eine rapide Zunahme der Förderanträge zu verzeichnen hatte. Die weitere Integration der ostdeutschen Wissenschaft in die DFG war für Frühwald eines der wichtigsten Anliegen, vorangetrieben durch die unter seiner Ägide eingerichteten „Innovationskollegs“ und versinnbildlicht in der ersten DFG-Jahresversammlung in den neuen Bundesländern in Halle 1994, auf der Frühwald für eine zweite Amtsperiode wiedergewählt wurde.

Neuen Formen und Feldern der Forschungsförderung wandte sich die DFG während Frühwalds Präsidentschaft auch mit den 1994 erstmals ausgeschriebenen Großgeräteinitiativen, den 1995 aufgelegten Geisteswissenschaftlichen Zentren und der 1997 startenden Digitalisierung wissenschaftlicher Bibliotheken zu. Als überzeugter Advokat internationaler Kooperationen in Wissenschaft und Forschung brachte Frühwald neben der europäischen Forschungszusammenarbeit auch die trilaterale deutsch-israelisch-palästinensische Projektkooperation sowie eine Intensivierung der deutsch-chinesischen Wissenschaftsbeziehungen auf den Weg.

Den in die 1990er-Jahre fallenden rasanten wissenschaftlichen Entwicklungen vor allem in den Lebenswissenschaften entsprach die DFG unter Frühwalds Führung durch die Einrichtung einer Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung sowie eine Reihe von Stellungnahmen zu Fragen der Bioethik, so etwa gegen das Klonen von Menschen. Nach dem bis dahin größten Betrugs- und Fälschungsfall in der deutschen Wissenschaft entstanden gegen Ende seiner Präsidentschaft die bis heute maßstabsetzenden „Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“. Ein auch persönlich besonderes Anliegen Frühwalds war schließlich die von ihm eingeleitete Auseinandersetzung mit der Geschichte und Rolle der DFG im Nationalsozialismus.

Als der DFG-Präsident Ende 1997 aus dem Amt verabschiedet wurde, betonte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, Frühwald habe „in einer Zeit dramatischer Veränderung an einer zentralen Schnittstelle von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft Großes bewirkt“. Frühwald kehrte danach zunächst an die LMU München zurück, um seine Studien zu Johann Wolfgang von Goethe weiterzuführen, engagierte sich bald jedoch wieder im deutschen Wissenschaftssystem. 1999 gehörte er zu den Gründern der International University Bremen (heute Jacobs University), im selben Jahr wählte ihn die Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) zu ihrem Präsidenten, als der er sich bis zu seinem Ausscheiden 2007 für eine weltoffene und tolerante Wissenschaft einsetzte.

National wie international mit zahlreichen Ehrendoktorwürden und weiteren Auszeichnungen geehrt und hoch anerkannt, lebte Wolfgang Frühwald bis zu seinem Tod mit seiner Frau in Augsburg. Dort wurde er nun auch bereits im Familien- und Freundeskreis beigesetzt.

Weiterführende Informationen

Medienkontakt:

  • Marco Finetti,
    Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG,
    Tel. +49 228 885-2230,

Weitere Informationen zu Wolfgang Frühwald und ein Portraitfoto finden sich unter