Information für die Wissenschaft Nr. 7 | 16. Januar 2020

Schwerpunktprogramm „Robust Argumentation Machines (RATIO)“ (SPP 1999)

Der Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat im März 2016 die Einrichtung des Schwerpunktprogramms „Robust Argumentation Machines (RATIO)“ (SPP 1999) beschlossen. Als Laufzeit sind sechs Jahre vorgesehen. Die DFG lädt hiermit ein zur Antragstellung für die zweite dreijährige Förderperiode.

In komplexen Entscheidungssituationen stehen Individuen und Organisationen vor einer Vielzahl von Alternativen. Aufgrund der Menge der zur Verfügung stehenden Informationen ist eine automatisierte Unterstützung unabdingbar, um entscheidungsrelevante Fakten und Argumente zu finden, sie in einem gegebenen Kontext zu analysieren und sie zusammenzufassen. Allerdings mangelt es dafür bisher an geeigneten Technologien.

Argumentationsmaschinen sind Systeme, die Argumente analysieren, aggregieren, zusammenfassen und bewerten. Sie können Argumente kontextualisieren, auf die persönlichen Bedürfnisse von Nutzern anpassen beziehungsweise aus existierenden Daten neue Argumente hervorbringen. Sie unterstützen deliberative Prozesse und befördern die informationelle Souveränität und freie Meinungsbildung. Demokratien leben von freier Meinungsbildung. Allerdings wird diese durch die Fülle an Informationen und Perspektiven, die im World Wide Web und in den sozialen Medien verbreitet werden, erheblich erschwert: Echokammern und Filterblasen verstärken bestehende Meinungen und können die Informationsdiversität einschränken. Angesichts der zahlreichen und teils umfangreichen Diskussionen im Web ist es für Nutzer schwierig, die ausgetauschten Argumente nachzuvollziehen, sie einzusortieren, Qualität und Wahrhaftigkeit der Prämissen einzuschätzen sowie Framing oder Biases in Argumenten zu erkennen. Argumentationsmaschinen können einen Beitrag zur informationellen Souveränität leisten, zur Erklärbarkeit und Transparenz maschineller Entscheidungen beitragen und letztendlich die Autonomie der Nutzer intelligenter Systeme stärken. Allerdings müssen sie robust, skalierbar und verlässlich auf unterschiedliche Themen, Genres und Domänen anwendbar sein.

Im Schwerpunktprogramm wird Argumentation als ein kommunikativer und interaktiver Prozess verstanden, in dem eine Menge von Propositionen verhandelt wird, die bestimmte Schlussfolgerungen erlauben – mit dem Ziel, die eigene Position für einen rational agierenden Dritten schlüssig, nachvollziehbar und akzeptabel zu machen. Akteure argumentieren mit und gegeneinander, verfolgen bestimmte Absichten und operationalisieren komplexe, fachwissenschaftliche Begriffe auf unterschiedliche Weise. Argumente sind im Regelfall subjektiv geprägt und imperfekt in dem Sinne, dass sie implizite oder gar faktisch falsche Annahmen machen, vage und ambig bleiben oder lückenhaft formuliert sind. Dadurch wird die systematische Analyse von natürlichsprachlichen Argumenten vor große Herausforderungen gestellt. Sie erfordert konzertierte Forschungsanstrengungen und Innovationen, die Methoden aus verschiedenen Kerndisziplinen kombinieren: Information Retrieval, Computerlinguistik, Wissensrepräsentation und Inferenz, Semantic Web und Mensch-Maschine-Interaktion.

Es sollen im Rahmen des Schwerpunktprogramms Methoden entwickelt werden, um deliberative Prozesse insbesondere hinsichtlich folgender fünf Aspekte/Funktionen zu unterstützen:

  • Argumentgewinnung: Argumentationsmaschinen sollen zu einem gegebenen Thema, einer Initiative oder einer These alle Für- und Gegenargumente aus relevanten Quellen extrahieren, aufbereiten, aggregieren und in Zusammenhang bringen.
  • Argumentbewertung: Argumentationsmaschinen sollen die Plausibilität, Konsistenz, Kohärenz von Argumenten und die Qualität der Argumentationsführung und Faktizität bewerten können, aber auch Biases und Framings einschätzen können.
  • Kontextualisierung/Personalisierung: Argumentationsmaschinen sollen die Relevanz von Argumenten in einem bestimmten Kontext einschätzen und bewerten können, Argumente nach Stärke/Relevanz sortieren und auf die Präferenzen, Interessen und informationelle Bedürfnisse von Anwendern hin adaptieren.
  • Argumentsynthese: Argumentationsmaschinen können durch Methoden der Synthese neue Argumente hervorbringen und maschinelle Entscheidungen oder Empfehlungen erklären.
  • Interaktion: Argumentationsmaschinen sollen Interaktionen ermöglichen und die Exploration von Argumenten in unterschiedlichen Modalitäten und mit unterschiedlichen Interaktionsstilen entsprechend nutzerzentrierter Qualitätskriterien unterstützen.

Von Projekten wird ein neuer methodischer Beitrag erwartet, der (1) die genannten Aspekte/Funktionen über den Stand der Technik hinaus erweitert und verbessert und (2) die Anwendung auf Argumente erlaubt, die in realen zwischenmenschlichen Diskussionen hervorgebracht werden. Der Aufbau von Korpora und Ressourcen kann auch gefördert werden, sofern auch ein genuiner methodischer Beitrag vorhanden ist. Fachübergreifende Kooperationen sind erwünscht. Die Entwicklung von gemeinsamen Shared Tasks ist ein erklärtes Ziel des Schwerpunktprogramms; von allen Projekten werden entsprechende Beiträge sowie eine Vernetzung mit anderen Projekten erwartet. Projektanträge sollten darstellen, zu welchen Shared Tasks beigetragen werden soll beziehungsweise welche neuen Tasks von Projekten veranstaltet werden sollen und mit welchen Projekten eine Zusammenarbeit erfolgen soll. Es wird Antragstellern geraten, im Vorfeld der Antragstellung diesbezüglich Kontakt mit dem Koordinator Prof. Dr. Philipp Cimiano aufzunehmen.

Reichen Sie Ihren in englischer Sprache verfassten Antrag für die zweite Förderphase bitte bis spätestens 3. Juni 2020 bei der DFG ein. (Angesichts der Auswirkungen der Corona-Pandemie wird die Frist bis zum 7. Juli 2020 verlängert.)

Die Antragstellung erfolgt ausschließlich über das elan-Portal zur Erfassung der antragsbezogenen Daten und zur sicheren Übermittlung von Dokumenten. Sofern Sie beabsichtigen, einen Neuantrag einzureichen, wählen Sie bitte unter „Antragstellung – Neues Projekt – Schwerpunktprogramm“ im elektronischen Formular aus der angebotenen Liste „SPP 1999 – Robust Argumentation Machines (RATIO)“ aus.

Handelt es sich bei dem Antrag innerhalb dieses Schwerpunktprogramms um Ihren ersten Antrag bei der DFG, beachten Sie, dass Sie sich vor der Antragstellung im elan-Portal registrieren müssen. Ohne Registrierung bis zum 20. Mai 2020 ist eine Antragstellung nicht möglich. Bitte wählen Sie im Registrierungsformular bei den abschließenden Angaben ebenso wie bei der Antragstellung Ihr Schwerpunktprogramm aus der angebotenen Liste der Ausschreibungen aus. Die Bestätigung der Registrierung erfolgt in der Regel bis zum darauffolgenden Arbeitstag.

Antragstellerinnen und Antragsteller, die bereits gefördert werden und einen Fortsetzungsantrag stellen wollen, müssen den Antrag über die Registerkarte „Antragstellung – Antragsübersicht/Fortsetzungsantrag“ einreichen. Hier wird Ihr in der Förderung befindliches Projekt angezeigt, und Sie können Ihren Fortsetzungsantrag stellen.

Berücksichtigen Sie bitte beim Aufbau Ihres Antrags das DFG-Merkblatt 54.01 zu Sachbeihilfen mit Leitfaden für die Antragstellung und die Hinweise im Merkblatt Schwerpunktprogramm 50.05, Teil B. Bitte senden Sie ein weiteres Exemplar des Antrags in elektronischer Form an den Koordinator des Programms.

Der Termin der Begutachtung wird zu gegebener Zeit bekannt gegeben.

Weiterführende Informationen

Detaillierte Informationen zum Schwerpunktprogramm erhalten Sie im Internet unter:

Das elan-Portal der DFG zur Einreichung der Anträge finden Sie unter:

Die Merkblätter DFG-Vordruck 50.05 und 54.01 stehen unter:

Inhaltliche Fragen beantwortet Ihnen der Koordinator des Schwerpunktprogramms:

  • Prof. Dr. Philipp Cimiano
    Universität Bielefeld, Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie 
    Inspiration 1, 33615 Bielefeld, 
    Tel. +49 521 106-12249 

Auskünfte zur Antragstellung bei der DFG erteilen:

Fachlich:

Formal: