Für Sie gelesen: "Imagining the Role of the Research University Anew"

(19.10.21) In einem Beitrag für die Issues in Science and Technology (Imagining the Role of the Research University Anew), befassen sich Tim Lieuwen, Seth Marder und Chaouki T. Abdallah1 mit der Rolle von Forschungshochschulen bei der Bewältigung von durch Naturkatastrophen ausgelösten Krisensituationen. Zwar bräuchte man eigentlich angesichts der Covid-Pandemie kein fiktives Szenario mehr, doch könne anhand der möglichen Folgen eines schon lange erwarteten schweren Erdbebens in Kalifornien – hier datiert auf 2034 und in einer Stärke von 8,2 auf der Richterskala – noch deutlicher gemacht werden, dass im derzeitigen Zustand die Forschungshochschulen des Landes nicht ausreichend bei der Krisenbewältigung helfen könnten. Im geschilderten Szenario würde es gut ausgehen, denn bis 2034 könne die Hochschullandschaft durchaus noch entsprechend befähigt werden, damit man nach einem derartigen Ereignis resümieren könne: „The situation was still a disaster, requiring a large all-hands response coordinated by federal and state governments. But contributions of the university science and engineering network played a key role in saving lives and recovering the region’s essential functions.” Dazu habe man am Georgia Institute of Technology aus Anlass der Covid-Pandemie eine Untersuchung mit dem Ziel durchgeführt, die künftige Rolle von Forschungshochschulen bei der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen neu zu bestimmen, ganz unabhängig davon, ob es sich nun um Katastrophenfälle handele oder eher chronische Probleme wie Klimawandel, Verteilungsgerechtigkeit, Gesundheit oder Überalterung der Gesellschaft.

Die Autoren stellen fest: „Academia must be more adaptable – or agile, in business parlance – to an ever-changing environment than it has historically been.” Um dieses Ziel zu erreichen, bedürfe es Veränderungen in vier Handlungsfeldern.

  • Hochschulen müssten erstens besser um ihre komplexen Ziele herum aufgebaut werden und die Anreizsysteme in der Zusammenarbeit zwischen einzelnen Disziplinen, aber auch für die Zusammenarbeit mit außeruniversitären Akteuren, so ausgestaltet werden, dass jeder Beitrag entsprechend seiner Bedeutung gewürdigt würde. „In the language of sports, we must learn to reward the assists as well as the successful shots.”
  • Zweitens müssten sich Hochschulen in den Fragen, in denen ein mehr an Wissen nicht zu mehr Eindeutigkeit in der politischen Urteilsfindung führe (Abtreibung, Kernenergie, Forschung mit embryonalen Stammzellen etc.), nicht als Interessensgruppe zeigen, sondern eher als Vermittlerin zwischen den streitenden Parteien.
  • Drittens sollten Hochschulen noch besser in das Ökosystem von Regierung, Wirtschaft, Nichtregierungsorganisationen und regionalen bzw. lokalen Öffentlichkeiten integriert sein, wobei nicht so sehr jeweilige Partnerschaften im Mittelpunkt stehen sollten, sondern der Gedanke, dass die Hochschulen Kristallisationspunkte für umfassende Netzwerke sein sollten. Es heißt: „Research universities should envision themselves as conveners and partnership builders for local communities, government, industry, and other NGOs.”
  • Viertens müssten in den USA derzeit vieldiskutierten Ziele wie gesellschaftliche Teilhabe (Equity) und Integration (Inclusion) organisch in den Reformprozess eingewoben werden. Beide Ziele zu verfolgen, sei eben nicht nur aus Gründen von Gerechtigkeit notwendig, sondern auch im Hinblick auf eine bessere Qualität der Ergebnisse. Es heißt: „Not only are equity and inclusion core values that reflect our foundational assumptions about the dignity and equality of all people; they are also key strategies for enabling more innovative approaches and better solutions.”

Um die Ideen des Papiers bereits vor 2034 in einen erfolgreichen Reformprozess münden zu lassen, schlagen die Autoren ein Network of Agile Science and Engineering Centers (NASEC) vor. Zu ihnen heißt es: „Consisting of a highly coordinated group of centers of excellence directed by academic leaders, the proposed network would take a holistic approach to preparing for and addressing problems of critical global needs and developing rapid responses. It would address a wide range of issues including communication, supply chains, logistics, policy, regulation, information dissemination, scalability of approaches, and independent validation of approaches. NASEC’s efforts would need to be coordinated, not only to save lives and ensure well-being in difficult circumstances (e.g., disasters), but also to work on longer-term issues that are critical to national interests and the future of the planet (e.g., climate change). Rather than attempting to predict specific disasters, NASEC would focus on efforts to mitigate their impact.”

1 Tim Lieuwen ist Direktor des Strategic Energy Institute am Georgia Institute of Technology, Seth Marder ist Direktor des Renewable and Sustainable Energy Institute an der University of Colorado in Boulder und Chaouki T. Abdallah ist Executive Vice President for Research am Georgia Institute of Technology.