Leibniz Lecture des Immunologen Frank Kirchhoff in Brasilien

Prof. Frank Kirchhoff während der Leibniz Lecture bei der FAPESP in São Paulo

(11.09.15) Zum dritten Mal hat das DFG-Büro Lateinamerika in Brasilien eine Veranstaltungsreihe durchgeführt, in deren Rahmen ein Leibniz-Preisträger verschiedene Institutionen besuchte und so den deutsch-brasilianischen Dialog vorangebracht hat. Bei seinem Brasilien-Besuch vom 15. bis 22. August 2015 führte der Ulmer HIV-Forscher Professor Frank Kirchhoff intensive Gespräche mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Forschungsförderern. Unter dem Titel „Why Was HIV-1 Able to Cause the AIDS Pandemic?“ fand die obligatorische Leibniz Lecture in São Paulo und Rio de Janeiro über neue Erkenntnisse der Virologie statt. Frank Kirchhoff, Leibniz-Preisträger von 2009, erforscht das Nef-Protein der Immundefizienzviren und leistete damit einen Beitrag zum besseren Verständnis der Pathogenese von HIV/AIDS. Seine Untersuchungen zur Übertragung von HIV eröffnen außerdem neue Wege zur Verbesserung der AIDS-Prävention – ein Thema, das nicht nur für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in diesem Fachgebiet, sondern auch für die breite Öffentlichkeit von großem Interesse ist.

Eingerahmt wurde die Veranstaltung in São Paulo von Grußworten des ehemaligen FAPESP-Präsidenten Professor Celso Lafer, des Vize-Generalkonsuls Uwe Heye, der Leiterin des DFG-Büros Lateinamerika, Dr. Kathrin Winkler, und des wissenschaftlichen Direktors der FAPESP, Professor Carlos Henrique de Brito Cruz, wodurch die Bedeutung der Veranstaltung, aber auch der Kooperation zwischen FAPESP und DFG zum Ausdruck kam. Im Anschluss gab Professor Kirchhoff ein Interview bei FAPESP, das hier verfügbar ist.

Darüber hinaus hatte Kirchhoff die Gelegenheit, mehrere Institute, wie das Herzzentrum INCOR, die medizinische Fakultät der Universität von São Paulo und das Institut für Tropische Medizin zu besuchen. Dort traf er auch Professor Kallás, mit dem intensiv über laufende Forschungslinien und jüngste Ergebnisse diskutiert wurde. Bezüglich der besonderen Stärke der brasilianischen Forschung war man sich einig, dass diese auf dem Gebiet der Erforschung von Infektionskrankheiten, wie beispielsweise dem Denguefieber, liegt und dass die starke genetische Mischung der brasilianischen Bevölkerung einen interessanten Parameter für wissenschaftliche Untersuchungen darstellt.

Ganz besonders beeindruckt zeigte sich Professor Kirchhoff vom biomedizinischen Zentrum in São Paulo, dem Butantan-Institut, bei dessen Besuch nicht nur die verschiedenen Forschungsbereiche sehr positiv auffielen, sondern insbesondere die gute Kombination aus Grundlagenforschung, Entwicklung, Produktion und Öffentlichkeitsarbeit im Bereich der translationalen Infektiologie als erstklassig gelobt wurde.

Im Anschluss daran besuchte Professor Kirchhoff das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus in São Paulo. Hier konnte er die Kolleginnen und Kollegen der Mitgliedsinstitutionen kennenlernen und sich einen tiefer gehenden Einblick in die deutsch-brasilianischen Kooperationen verschaffen.

Am Mittwoch ging es dann nach Rio de Janeiro – ein Standort, der für eine starke Infektionsforschung bekannt ist. Dort präsentierte Frank Kirchhoff nochmals die allgemein verständliche Lecture, die von Grußworten der Vertreterinnen der Förderorganisationen FAPERJ und DFG, Leila Pontes und Kathrin Winkler, sowie des Generalkonsuls der Stadt, Harald Klein, eingeleitet wurde. Nach dem wissenschaftlichen Vortrag wurde im Podium, dem die Forscher Professor Bello Betancor (FIOCRUZ), Professor Soares (INCA), Professor Bou-Habib (FIOCRUZ) und Professor Jesus da Costa beiwohnten, sowie mit dem Publikum angeregt diskutiert, und es wurden mitunter sehr grundsätzliche Fragen der AIDS-Forschung und der möglichen Heilung von AIDS beleuchtet.

Ein besonderes Highlight bot sich dem deutschen Wissenschaftler dann an der Bundesuniversität von Rio de Janeiro (UFRJ): Kirchhoff hielt vor einem interessierten Fachpublikum einen Vortrag mit dem Thema „Relevance Beyond HIV/AIDS: Endogenous Inhibitors and Enhancers of HIV-1 Infection“, in dem es auch um die Rolle einzelner körpereigener HIV-relevanter Peptide für die Krebsforschung und -therapie ging. Nachmittags präsentierten die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ihre Forschungsprojekte und nutzten die Gelegenheit für einen wissenschaftlichen Austausch mit dem Leibniz-Preisträger, der sich von den dargebotenen Projekten sowie deren wissenschaftlichen und sprachlichen Präsentation beeindruckt zeigte.

Ebenso begeisterte auch die Besichtigung des FIOCRUZ, dem nationalen Gesundheitsinstitut Brasiliens. In Gesprächen erwies sich, dass es trotz unterschiedlicher Forschungsschwerpunkte interessante Interaktionsmöglichkeiten gibt und ein ausgesprochenes Interesse an Kooperationen mit Deutschland besteht. Am Nachmittag wurden verschiedene Labore des Nationalen Krebsforschungsinstituts INCA besucht, das auf Kirchhoff einen ebenso positiven Eindruck machte. Auch hier zeigten sich einige Schnittstellen und ein grundsätzliches Interesse zur Kooperation.

Auf die Frage, worin er die Stärken der brasilianischen Forschung auf dem Gebiet der HIV-Forschung beziehungsweise der Virologie sieht, antwortete Kirchhoff: „Insbesondere im klinischen Bereich sehe ich ein großes Potenzial für eine Kooperation und glaube, dass hier ein hoher Bedarf an Fördermöglichkeiten einer bilateralen Kooperation besteht. Das besondere Alleinstellungsmerkmal der brasilianischen Forschung sehe ich in der Verfügbarkeit von einer großen Anzahl von Proben infizierter Patienten, die für weiterführende Untersuchungen von großem Interesse sind. Auch verfügbare seltene oder neu auftretende Erreger sind ein Vorteil, den die brasilianischen Forscher hier vorfinden. Auf Grundlage meiner Einblicke sehe ich als besonderen Mehrwert einer Kooperation den Zugang zu interessantem Probenmaterial für die deutsche Seite und für die brasilianische Seite die Verfügbarkeit verschiedenster Techniken zur molekularen Charakterisierung der Erreger.“

Zur Leibniz Lecture

Mit den Leibniz Lectures schafft die DFG Räume für wissenschaftlichen Austausch und den Dialog zwischen den Trägerinnen und Trägern des wichtigsten deutschen Forschungsförderpreises, dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis, und weltweit tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie der interessierten Öffentlichkeit. Die mit der Leibniz Lecture verbundene Reise dient außerdem dazu, grenzüberschreitende Kooperationen anzuregen und aufzubauen.