Ausstellung auf der MS Wissenschaft

Future Rural Africa

Exponat von DFG-gefördertem Forschungsverbund

Die Ausstellung auf der MS Wissenschaft zeigt verschiedene Methoden, mit denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten und welche Fragen sie sich in aktuellen Forschungsprojekten stellen. Eines der Exponate stammt von dem DFG-geförderten Sonderforschungsbereich-Transregio (TRR 228) „Future Rural Africa“ der Universitäten Bonn und Köln. Der bisherige Sprecher des Verbundprojektes, der Bonner Professor für Entwicklungsgeographie Detlef Müller-Mahn, erläutert den Beitrag zur Ausstellung, berichtet von der Erforschung unterschiedlicher Zukunftsvorstellungen im ländlichen Afrika und den Herausforderungen der Corona-Pandemie für das internationale Projekt.

Ausstellungsansicht auf das Exponat

1. Was ist das Forschungsziel Ihres Verbundprojektes „Future Rural Africa“?

Wir befassen uns mit verschiedenen Aspekten des „future-making“, also der Frage, wie gegenwärtige Prozesse im ländlichen Afrika zur Gestaltung der Zukunft beitragen. Das subsaharische Afrika ist Schauplatz eines überaus dynamischen und konfliktreichen Wandels, zum Beispiel durch die Intensivierung der Landwirtschaft, die Ausweitung von Naturschutzgebieten, und den Ausbau von Infrastruktur entlang von länderübergreifenden Entwicklungskorridoren. Vor diesem Hintergrund begreift unser Projekt die Zukunft als eine Projektionsfläche für vielfältige und auch gegensätzliche Visionen, Wünsche, Planungen und Ängste. Die Zukunft ist einerseits vorgezeichnet durch langfristige Trends, etwa im Zusammenhang mit dem Klimawandel, andererseits steckt sie aber auch voller unvorhersehbarer Ereignisse, wie neue Infektionskrankheiten oder Konflikte. Wir wollen die Akteure und Mechanismen des „Zukunft-Machens“ verstehen, das heißt, welche Chancen und Risiken schon heute absehbar sind, wie Vorstellungen von einem besseren Leben politisch verhandelt werden, und in welcher Weise die Weichen für spätere Entwicklungen gestellt werden.

2. Was erfährt man anhand Ihres Exponates auf der MS Wissenschaft über Ihre Forschung?

Mit unserem Exponat antworten wir auf zwei Leitfragen der diesjährigen Ausstellung: „Was sind die drängenden Fragen der Zukunft?“, und „Wie funktioniert Wissenschaft?“ Das Exponat besteht aus drei Teilen, die verschiedene methodische Zugangsweisen zur Zukunft veranschaulichen sollen.

Wir werfen zunächst einen Blick auf „wahrscheinliche Zukünfte“ in Form von Karten, die auf modellbasierten Untersuchungen beruhen. Sie zeigen, mit welchen Veränderungen wir infolge von Klimawandel, Agrarentwicklung und Infrastrukturausbau demnächst rechnen müssen. Dann kontrastieren wir diese modellierten Zukunftsaussichten mit den Originalstimmen von Menschen aus Afrika, die in Videoaufzeichnungen über ihre Zukunftserwartungen und Wünsche sprechen. In den Videos kann man sehen, dass unsere Gesprächspartner die Zukunft mit ganz unterschiedlichen Assoziationen in Verbindung bringen. Die Regierungsvertreter sprechen über Jobs und Geld, die Kleinbäuerin verbindet die Zukunft mit dem Leben ihrer Kinder. Das muss kein Widerspruch sein, aber trotzdem zeigen sich hier sehr unterschiedliche Vorstellungen. Und schließlich laden wir die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung ein, sich in die Situation von exemplarisch ausgewählten fiktiven Charakteren zu versetzen und selbst zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen, beispielsweise aus Sicht einer Kleinbäuerin oder eines Regierungsvertreters. Das Exponat zeigt, dass Zukunftsgestaltung unvermeidlich mit Risiken einhergeht, und dass sie in Afrika vor ganz ähnlichen Herausforderungen steht wie bei uns, etwa in Hinsicht auf fortbestehende Ungewissheiten oder den Zusammenprall unterschiedlicher Zukunftsvorstellungen.

3. Sie arbeiten interdisziplinär und nutzen Methoden aus den Sozialwissenschaften und den Naturwissenschaften. Können Sie jeweils eine Methode näher beschreiben?

Die sozialwissenschaftlichen Projekte befassen sich mit den Menschen und gesellschaftlichen Strukturen im ländlichen Afrika. Sie verwenden verschiedene Typen von Interviews mit Einzelpersonen oder Gruppen. Das Spektrum reicht dabei von offenen, sogenannten „narrativen“ Interviews, bis zu einer standardisierten Haushaltsbefragung zur Erfassung quantitativer Daten. Die natur- und agrarwissenschaftlichen Projekte erforschen die Veränderung von Umweltbedingungen und die Transformation des Agrarsektors. Sie verwenden zum Beispiel Methoden der Fernerkundung, um großflächige Vegetationsveränderungen zu beobachten.

Kennzeichnend für unseren interdisziplinären Ansatz ist die Kombination von sozial- und naturwissenschaftlichen Methoden. Im Satellitenbild lassen sich beispielsweise verschiedene Zonen von Vegetationsveränderungen differenzieren, und in den Interviews mit den dort lebenden Menschen lassen sich die lokalen Ursachen und Folgen untersuchen.

4. Hat sich die Corona-Pandemie in den letzten Jahren auch auf Ihre Forschung, etwa auf die Kontaktaufnahme mit den Menschen in Afrika, ausgewirkt?

Corona war erstmal ein großes Stopp-Signal für die Forschungsarbeit vor Ort. Wegen der Reisebeschränkungen mussten wir kurzfristig alle SFB-Mitglieder von ihren Forschungseinsätzen zurück nach Deutschland holen. Die Kontaktbeschränkungen waren nicht zuletzt auch deshalb notwendig, weil wir darauf achten mussten, nicht selbst zu Überträgern zu werden und damit unsere Gesprächspartner zu gefährden. Insgesamt aber haben wir als großes Verbundprojekt die Corona-Krise erstaunlich robust überstanden. Das lag vor allem daran, dass viele Forschungskontakte aufgrund der bereits bestehenden engen Zusammenarbeit mit unseren afrikanischen Kolleginnen und Kollegen per Video fortgeführt werden konnten.

5. Welche Begegnung während Ihrer Forschungsreisen ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

In meiner Wahrnehmung zeichnet sich Forschung in Afrika heute nicht mehr durch einzelne besondere Begegnungen aus, oder gar durch irgendeine Art von „Exotik“, sondern durch eine charakteristische Veränderung der Beziehungen. Wir leben heute in einer permanenten virtuellen Präsenz nicht nur innerhalb der internationalen Wissenschafts-Community, sondern auch im Verhältnis zu lokalen Kontaktpersonen. Bei Bedarf kann ich die Leute einfach anrufen oder eine Nachricht schreiben. Mit manchen Kollegen in Afrika stehe ich permanent in Kontakt, so als wenn sie im Zimmer nebenan sitzen würden. Für mich sind insofern nicht einzelne Momente der Begegnung besonders eindrücklich, sondern die Kommunikation und persönliche Anteilnahme über einen längeren Zeitraum.