Ursula M. Händel-Tierschutzpreis 2024

Professor Dr. Peter Loskill und Dr. Silke Riegger von der Universität Tübingen erhalten den diesjährigen Ursula M. Händel-Tierschutzpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). 

Der Jury zufolge tragen sie mit der Entwicklung, Anwendung und Verbreitung von Organ-on-Chip-Systemen erheblich dazu bei, Tiermodelle durch geeignete Alternativen zu ersetzen. Der mit insgesamt 80 000 Euro dotierte Preis wird in diesem Jahr zum zehnten Mal an Wissenschaftler*innen verliehen, die den Tierschutz in der Forschung im Sinne des 3R-Prinzips verbessern. Die drei „R“ stehen dabei für Replace (Vermeiden), Reduce (Verringern) und Refine (Verbessern). Die Preisverleihung findet am 6. Juni in Würzburg im Rahmen eines Symposiums der dort ansässigen „Würzburg Initiative 3R (WI3R)“ statt.

Die Jury des Händel-Tierschutzpreises würdigte bei ihrer Entscheidung, dass das Team um Peter Loskill und Silke Riegger bereits eine Vielzahl von Organ-on-Chip (OoC)-Systemen als Alternativen zu Tierversuchen für verschiedene Organsysteme entwickelt hat. Dabei handelt es sich um Gewebemodelle, die in kleinen Zellkulturkammern gezüchtet werden, um die komplexen physiologischen und pathophysiologischen Funktionen von Organen zu simulieren. Die von Loskill und Riegger entworfenen OoCs können bei Versuchen zu Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie im Bereich der Augenheilkunde (Ophtalmologie) eingesetzt werden. Besonders hervorzuheben sei, dass die Preisträgerin und der Preisträger sich neben der Entwicklung neuer Modelle auch um die weitere Etablierung und Entwicklung standardisierter Verfahren in der Anwendung von OoCs kümmern und auch die Validierung der Systeme im Tierversuch vornehmen. Mit diesen Arbeiten legen sie aus Sicht der Jury wichtige Grundlagen, um Akzeptanz für die Alternativmethode zu schaffen und sie als verlässliche Methode in die breitere Anwendung zu bringen.

Professor Dr. Peter Loskill 

Händel-Tierschutzpreis Preisträger 2024 - Prof. Dr. Peter Loskill

Prof. Dr. Peter Loskill

© Patrick Hipp, Werbefotografie

Peter Loskill wurde 2012 an der Universität des Saarlandes in Physik promoviert und war im Anschluss einige Jahre an der University of California in Berkeley tätig. 

2018 wechselte er zunächst als Juniorprofessor an die Universität Tübingen, seit 2022 ist er Professor für Organ-on-Chip-Forschung. Loskill, der als Pionier der 3R-Forschung gilt, leitet die Abteilung Mikrophysiologische Systeme des Instituts für Biomedical Engineering sowie das 3R-Center für In-vitro-Modelle und Tierversuchsalternativen. Er engagiert sich wissenschaftlich auch auf europäischer Ebene und ist zudem in der Politikberatung tätig. 


Interview mit Prof. Dr. Peter Loskill 

Im Interview mit 3R-Forschung.de spricht Händel-Preisträger Professor Dr. Peter Loskill darüber, wie nach Tierversuchsalternativen gesucht wird, welche Alternativmethoden bereits nutzbar sind und erklärt, wie sich die Zahl der Versuchstiere in Deutschland im nächsten Jahrzehnt sogar halbieren ließe:

Dr. Silke Riegger

Händel-Tierschutzpreis Preisträgerin 2024 - Dr. Silke Riegger

Dr. Silke Riegger

© Patrick Hipp, Werbefotografie

Silke Riegger absolvierte ihre Promotion als Chemikerin an der Universität Stuttgart und am Fraunhofer Institute for Interfacial Engineering and Biotechnology. 

Seit 2020 arbeitet sie mit Peter Loskill in Tübingen und ist als Senior Scientist und Leiterin der „3R-Center Business Unit for In Vitro Models and Alternatives to Animal Testing“ integraler Bestandteil des dortigen 3R-Zentrums.

 

Preisverleihung und Rückblick auf 20 Jahre Tierschutzpreis

Gruppenbild: DFG-Vizepräsident Prof. Dr. Peter Seeberger, Dr. Silke Riegger, Prof. Dr. Brigitte Vollmar, Prof. Dr. Peter Loskill, Laudatorin Prof. Dr. Petra Dersch (v.l.)

© Sebastian Neubauer für Fraunhofer ISC/WI3R

Die Preisverleihung am 6. Juni 2024 war Teil des Symposiums der Würzburg Initiative 3R (WI3R) vom 5. bis 7. Juni im Rudolf Virchow Center Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Dr. Florian Groeber-Becker aus dem 2022 ausgezeichneten Team und Mitgastgeber des Symposiums sowie DFG-Vizepräsident Prof. Dr. Peter H. Seeberger begrüßten die Gäste. 

Die Ausgezeichneten stellten dem Publikum ihre Arbeiten vor, bevor Prof. Dr. Petra Dersch, Mitglied der DFG-Senatskommission für tierexperimentelle Forschung, im Gespräch mit Moderatorin Cornelia Lossau (DFG) die Gründe für die Auszeichnung benannte. Sie hob vor allem die Validierung und vielfältige Schulungsaktivitäten hervor, die eine breite Anwendung der Alternativmethoden unterstützen. 

Die Verleihung war die insgesamt zehnte und so bot die Veranstaltung auch Gelegenheit, auf 20 Jahre Ursula M. Händel-Tierschutzpreis zurückzublicken. Den Auftakt gab die Key Note von Prof. Dr. Christopher Baum, der über Verantwortung und Freiheit sprach. Das Podium umfasste neben Baum (2009 ausgezeichnet), Dr. Antje Appelt-Menzel (2022), Prof. Dr. Thomas Eschenhagen (2011), Prof. Dr. Peter Loskill, (2024) sowie Prof. Dr. Brigitte Vollmar, Vorsitzende der Ständigen Senatskommission für tierexperimentelle Forschung und Mitglied der Ursula M. Händel-Tierschutzpreis-Jury. Die Themen reichten von der Wirkung des Preises bis zur Akzeptanz tierexperimenteller Forschung in der Gesellschaft, über kommunikative Herausforderungen bis zu wissenschaftlichen Durchbrüchen. 

Zuvor hatten sich Ausgezeichnete aus 20 Jahren Händel-Tierschutzpreis getroffen, um über die Wirkung des Preises und ihre Erfahrungen zu sprechen. Dabei wurde klar, dass einige der ausgezeichneten Alternativmethoden mittlerweile sehr gut etabliert sind und mithin einen Beitrag für Tierschutz in der Forschung leisten. 

Weitere Informationen

Das Fraunhofer ISC hat das Symposium filmisch begleitet.