Pressemitteilung Nr. 55 | 11. November 2019

DFG fördert 16 neue Graduiertenkollegs

Themen von der Quantenfeldtheorie über Medienanthropologie und kollektives Entscheiden bis zum inflammatorischen Tumorsekretom / 72 Millionen Euro für zunächst viereinhalb Jahre

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zur weiteren Stärkung des wissenschaftlichen Nachwuchses 16 neue Graduiertenkollegs (GRK) ein. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss in Bonn. Die neuen GRK werden ab der ersten Jahreshälfte 2020 zunächst viereinhalb Jahre lang mit insgesamt rund 72 Millionen Euro gefördert. Darin enthalten ist eine 22-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Projekten. Ein Verbund ist ein Internationales Graduiertenkolleg (IGK) mit Partnern in Großbritannien.

Zusätzlich zu den 16 Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 11 GRK für jeweils eine weitere Förderperiode. Graduiertenkollegs bieten Doktorandinnen und Doktoranden die Möglichkeit, in einem strukturierten Forschungs- und Qualifizierungsprogramm auf hohem fachlichem Niveau zu promovieren. Aktuell fördert die DFG insgesamt 221 GRK, darunter 36 IGK.

Die 16 neuen Graduiertenkollegs im Einzelnen

(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen, unter Nennung der Sprecherinnen oder Sprecher sowie der weiteren antragstellenden Hochschulen und der Kooperationspartner):

Jüngste Erkenntnisse legen nahe, dass das sogenannte Standardmodell der Teilchenphysik – in dem das heutige Verständnis der Elementarteilchenphysik in einer Quantenfeldtheorie zusammengefasst ist – überdacht werden muss. Dieser Aufgabe widmet sich das GRK „Überdenken der Quantenfeldtheorie“, indem es mit einem breit angelegten Forschungsansatz die Grundprinzipien der Theorie hinterfragen und einen Beitrag zu ihrer Weiterentwicklung leisten will. (HU Berlin, Sprecher: Prof. Dr. Jan Plefka)

Stochastische Prozesse dienen der mathematischen Beschreibung komplexer Systeme, deren Verhalten zufällig und volatil erscheint. In den Natur-, Ingenieur- und Finanzwissenschaften haben diese Prozesse zunehmend an Bedeutung gewonnen. Das deutsch-britische IGK „Stochastische Analysis in Interaktion“ legt seinen Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung der mathematischen Methoden auf diesem Feld, die für die Grundlagenforschung wie für weitere Anwendungsfelder wichtig ist. (TU Berlin, Sprecher: Prof. Dr. Peter Bank, ebenfalls antragstellend: HU Berlin, Kooperationspartner: University of Oxford, Großbritannien)

Indem Individuen in unterschiedlichen sozialen Kontexten agieren, entwickelt sich ihr Selbstkonzept. Individuelles Verhalten richtet sich dabei oftmals an Annahmen darüber aus, was angemessen ist. Diese Annahmen sind Teil des eigenen Selbstkonzepts, unterliegen gleichzeitig einem Wandel und tragen so ihrerseits zu gesellschaftlichen Veränderungen bei. Die Wechselwirkungen zwischen Selbst und Gesellschaft wie auch die Analyse ihrer Auswirkungen stehen im Zentrum des GRK „Soziale Dynamiken des Selbst“. (Jacobs University Bremen, Sprecher: Prof. Dr. Ulrich Kühnen; ebenfalls antragstellend: Universität Bremen).

Neben einer erblichen Veranlagung gelten Bewegungsmangel und pränatale oder kindliche Überernährung als die wichtigsten Verursacher für Diabetes Typ 2. Die Zusammenhänge zwischen ungünstigen Lebensstilfaktoren in Schwangerschaft und Kindheit und dem Einsetzen einer gestörten Insulinwirkung in frühen Lebensphasen sowie die darauffolgende Funktionsstörung der insulinproduzierenden Zellen sind jedoch bislang nicht hinreichend verstanden. Das GRK „vivid – in-vivo-Untersuchungen der frühen Entwicklung des Typ-2-Diabetes“ nimmt deshalb die molekularen Mechanismen der frühen Diabetesentstehung in den Blick. (Universität Düsseldorf, Sprecher: Prof. Dr. Hadi Al-Hasani)

Symmetrien und klassifizierende Räume sind grundlegende Konzepte zur mathematischen Ordnung der Welt. Sie stehen im Fokus des GRK „Symmetrien und klassifizierende Räume: analytisch, arithmetisch und deriviert“, das die Zusammenhänge und Übergänge zwischen diesen Konzepten aufzeigen will. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bedienen sich dabei eines breiten Methodenspektrums aus der Komplexen Analysis, der arithmetischen, klassischen und derivierten algebraischen Geometrie sowie aus der Topologie. (Universität Duisburg-Essen, Sprecher: Prof. Dr. Ulrich Görtz)

Im GRK „Kollektives Entscheiden“ untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Philosophie neue Fragen zu Wahlverfahren, komplexen deliberativen und Mehrebenen-Entscheidungsverfahren sowie zur Institutionenbildung. Ihr Ziel ist, zu einer Verknüpfung von theoretischer und empirischer Forschung über kollektives Entscheiden beizutragen. (Universität Hamburg, Sprecherin: Prof. Dr. Anke Gerber)

Im Zentrum des GRK „Modellierung, Simulation und Optimierung mit fluiddynamischen Anwendungen“ steht die Verbindung von Ansätzen aus der Mathematik in den Bereichen Modellierung, Simulation und Optimierung mit unterschiedlichen Anwendungen aus Klimaforschung und Meteorologie, Ingenieurwissenschaften und Medizin. Dies soll einen wechselseitigen Nutzen mit sich bringen: Die konkreten Anwendungen sollen mithilfe mathematischer Ansätze vorangetrieben werden, während diese durch die bei der Anwendung gewonnenen Einsichten weiterentwickelt werden sollen. (Universität Hamburg, Sprecher: Prof. Dr. Armin Iske, ebenfalls antragstellend: TU Hamburg)

Das GRK „Rolle von Biota im Kohlenstoffkreislauf von Ästuaren“ untersucht den Beitrag verschiedener Organismen wie Pflanzen, Tiere und Mikrobiota zum Kohlenstoffkreislauf in Flussmündungsgebieten, Ästuare genannt. Die Interaktionen dieser Biota beeinflussen den Kohlenstoffkreislauf durch Produktion, Transport und Abbau von organischem Material auch indirekt, was bisher kaum untersucht wurde. Das Kolleg konzentriert sich auf das Ästuar der Elbe als Modellsystem und untersucht es umfassend mit ökologischen, biochemischen und molekularen Ansätzen. (Universität Hamburg, Sprecher: Prof. Dr. Kai Jensen)

Im Zusammenwirken von Molekülchemie, physikalischer Chemie, Experimentalphysik und Theorie zielt das GRK „Hybridstrukturen auf der Nanometerskala: Chemische Konzepte zur Herstellung heterogener Nanostrukturen mit anisotropen Materialeigenschaften (NANOHYBRID)“ darauf ab, definierte nanoskopische anisotrope Hybridstrukturen durch chemische Synthesemethoden zu erzeugen. Außerdem will es die neuartigen – für die Display- und Sensortechnologie relevanten – Eigenschaften dieser Materialien durch spezielle physikalische Untersuchungsmethoden in Verbindung mit theoretischen Modellen verstehen. (Universität Hamburg, Sprecher: Prof. Dr. Alf Mews)

Ziel des GRK „Werkstoffverbunde aus Verbundwerkstoffen“ ist die Entwicklung neuartiger Verbundwerkstoffe, die eine starke Erhöhung der Temperaturen von Verbrennungsmaschinen und -prozessen unter extremen Umgebungsbedingungen, wie Oxidation oder Erosion, jenseits von 1300 Grad Celsius erlauben. Im Kontext der Energiewende hat dies ein hohes Anwendungspotenzial in Hochtemperaturprozessen. (Karlsruher Institut für Technologie, Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Martin Heilmaier, ebenfalls antragstellend: TU Darmstadt)

Proteine haben innerhalb einer Zelle nicht zwangsläufig nur eine Funktion, sondern können diese und ihren Standort sogar auf Außenreize hin wechseln. Zweck dieses Mechanismus ist es, die Komplexität des Proteoms – die Gesamtheit aller Proteine in der Zelle – zu erhöhen und die zelluläre Anpassung an eine Vielzahl von Signalen zu ermöglichen. Das GRK „Dynamische Regulation zellulärer Proteinlokalisationen“ befasst sich mit den bislang wenig erforschten Mechanismen hinter diesen (Re-)Lokalisierungsereignissen und ihren funktionalen und physiologischen Konsequenzen. (Universität zu Köln, Sprecher: Prof. Dr. Jan Riemer)

Ziel des GRK „Kontrolle über die Strukturbildung von weicher Materie an und mittels Grenzflächen“ ist es, das Potenzial von Grenzflächen zu erschließen, um den Herstellungsprozess und damit die physikalischen und chemischen Eigenschaften weicher Materialien – wie kolloidaler Kristalle und dünner Polymerfilme – besser zu kontrollieren. Dafür untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Dynamik der strukturbildenden Prozesse, die bisher nur unzureichend verstanden sind. (Universität Mainz, Sprecher: Prof. Dr. Thomas Speck)

Das Tumorsekretom ist die Gesamtheit der Substanzen, die von Krebs- und Wirtszellen innerhalb der unmittelbaren Umgebung des Tumors freigesetzt werden. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung bösartiger Krebserkrankungen wie das Ovarial- und Pankreaskarzinom und Leukämie. Doch ist weder die Zusammensetzung des Sekretoms vollständig bekannt noch ist dessen Einfluss auf das Zusammenspiel von Tumor- und Wirtszelle hinreichend verstanden. Das GRK „Das inflammatorische Tumorsekretom: Vom grundlegenden Verständnis zu neuen Therapien“ untersucht das Sekretom und dessen Einfluss auf die Größenzunahme des Tumors beziehungsweise die Steigerung seiner Metastasierung. Ferner beleuchtet es, welchen Einfluss dieses auf die Therapieresistenz hat. Nicht zuletzt will das GRK herausfinden, ob das Tumorsekretom relevante Biomarker enthält und diese für neue Therapieansätze genutzt werden können. (Universität Marburg, Sprecherin: Prof. Dr. Elke Pogge von Strandmann)

Das im Bereich der Medizintechnik angesiedelte GRK „Intraoperative multisensorische Gewebedifferenzierung in der Onkologie“ arbeitet an der Entwicklung neuer Sensoriken, die es Chirurginnen und Chirurgen ermöglichen sollen, während der Operation mit hoher Auflösung bösartiges von gesundem Gewebe zu unterscheiden und so zu entscheiden, ob das Gewebe entfernt oder erhalten werden soll. Langfristig will das GRK zu einer besseren Patientensicherheit beitragen und mittels der Echtzeitdaten lange Operationszeiten verkürzen. (Universität Stuttgart, Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Oliver Sawodny; ebenfalls antragstellend: Universität Tübingen)

Die umwälzende medientechnische Entwicklung ist unter anderem gekennzeichnet durch eine Tendenz zur Verschränkung von Natur und Technik, Biologie und Artefakt, von Menschlichem und Nicht-Menschlichem, die zu zahlreichen Verquickungen von Medien(-techniken) und menschlichen Existenzweisen führt. Das GRK „Medienanthropologie“ erforscht die sozialen, politischen und epistemischen Effekte solcher Hybridisierungen in ästhetischen Milieus wie Literatur, Kunst, Film, Theater, in Spielen, aber auch auf Plattformen der digitalen Kommunikation, auf Festivals sowie in Archiven und Museen. Ferner untersucht es, welche Existenzformen daraus resultieren, beispielsweise Gamerinnen und Gamer, Avatare, Fiktionen, Userinnen und User sowie Zuschauerinnen und Zuschauer. (Universität Weimar, Sprecherin: Prof. Dr. Christiane Voss)

Wegen des Mangels an Wirkstoffen gegen (multi)-resistente Erreger sucht die Wissenschaft nach alternativen Therapien zur herkömmlichen Antibiotika-Behandlung. Im Kontext dieses Forschungsfelds ist das GRK „Metabolismus, Topologie und Kompartimentierung membrannaher Lipid und Signalkomponenten in der Infektion“ angesiedelt. Das Kolleg will Ziele für neuartige antiinfektive oder immuntherapeutische Strategien auf der Ebene des Sphingolipidmetabolismus identifizieren. Sphingolipide sind Komponenten von Zellmembranen, die bei Infektion und Immunität eine wichtige Rolle spielen; die zugrundeliegenden Mechanismen sind jedoch nur unzureichend verstanden. (Universität Würzburg, Sprecher: Prof. Dr. Jürgen Seibel)

Die 11 für eine weitere Förderperiode verlängerten GRK

(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen, unter Nennung der Sprecherinnen oder Sprecher sowie der weiteren antragstellenden Hochschulen und der Kooperationspartner, mit Verweisen auf die Projektbeschreibungen in der DFG-Internetdatenbank GEPRIS zur laufenden Förderung):

GRK „Modelle für die Beschreibung der Zustandsänderung bei Alterung von Baustoffen und Tragwerken“ (TU Braunschweig, Sprecher: Prof. Dr. Manfred Krafczyk)https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/255042459

GRK „Privatheit und Vertrauen für mobile Nutzende“ (TU Darmstadt, Sprecher:
Prof. Dr. Max Mühlhäuser) https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/251805230

GRK „Verstehen von Sozialbeziehungen” (Universität Göttingen, Sprecherin:
Prof. Dr. Julia Fischer) https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/254142454

GRK „Strukturerkennung in komplexen Daten: Zusammenspiel von Statistik, Optimierung und inversen Problemen“ (Universität Göttingen, Sprecherin:
Prof. Dr. Gerlind Plonka-Hoch) https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/257660731

GRK „Die Integration von theoretischer und praktischer Wissenschaftsphilosophie“ (Universität Hannover, Sprecher: Prof. Dr. Torsten Wilholt, ebenfalls antragstellend: Universität Bielefeld) https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/254954344

GRK „High Resolution and High Rate Detectors in Nuclear and Particle Physics (HighRR)” (Universität Heidelberg, Sprecher: Prof. Dr. Hans-Christian Schultz-Coulon)https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/252537693

GRK „Modell Romantik. Variation – Reichweite – Aktualität“ (Universität Jena, Sprecher: Prof. Dr. Stefan Matuschek) https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/250805958

GRK „Starke und schwache Wechselwirkung – von Hadronen zu Dunkler Materie“ (Universität Münster, Sprecher: Prof. Dr. Michael Klasen)https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/269952272

GRK „Verknüpfung von Biodiversitätsforschung und Bewegungsökologie in dynamischen Agrarlandschaften (BioMove)“ (Universität Potsdam, Sprecher:
Prof. Dr. Florian Jeltsch, ebenfalls antragstellend: FU Berlin) https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/263283606

GRK „Naturgefahren und Risiken in einer Welt im Wandel“ (Universität Potsdam, Sprecherin: Prof. Dr. Annegret Thieken)
https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/251036843

GRK „Die deutsche Ostseeküste als terrestrisch-marine Schnittstelle für Wasser- und Stoffflüsse (Baltic Transcoast)“ (Universität Rostock, Sprecher: Prof. Dr. Bernd Lennartz)https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/240942083

Weiterführende Informationen

  • Medienkontakt:
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG,
    Tel. +49 228 885-2109,

Weitere Informationen erteilen auch die Sprecherinnen und Sprecher der Graduiertenkollegs.

  • Fachlicher Ansprechpartner in der DFG-Geschäftsstelle:
    Dr. Armin Krawisch
    Leiter der Gruppe Graduiertenkollegs, Graduiertenschulen, Nachwuchsförderung
    Tel. +49 228 885-2424

Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und zu den geförderten Graduiertenkollegs finden sich unter: