Information für die Wissenschaft Nr. 16 | 18. Februar 2021

Schwerpunktprogramm „Eigenschaftsgeregelte Umformprozesse“ (SPP 2183)

Der Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat im März 2018 die Einrichtung des Schwerpunktprogramms „Eigenschaftsgeregelte Umformprozesse“ (SPP 2183) beschlossen. Als Laufzeit sind sechs Jahre, bestehend aus drei je zweijährigen Förderperioden, vorgesehen. Die DFG lädt hiermit ein zur Antragstellung für die zweite Förderperiode.

Problemstellung

Die Produktionstechnik wird aktuell durch den Übergang von automatisierten Systemen zu Cyber-Physischen Produktionssystemen (CPPS) geprägt, deren wesentliches Merkmal die räumliche und zeitliche Integration der Informations- und Planungssysteme mit den Produktionsanlagen ist. CPPS sollen im Rahmen der resilienten Fabrik der Zukunft eine robuste und gleichzeitig wandlungsfähige Produktion ermöglichen. Diese aktuellen Anforderungen betreffen die gesamte Fertigungstechnik und machen somit auch ein Umdenken in der Gestaltung von Umformprozessen erforderlich. Bauteile, bei denen es auf eine hohe Zuverlässigkeit und Lebensdauer ankommt, erfordern häufig eine umformtechnische Herstellung. So bilden geschmiedete Hochleistungskomponenten die Grundlage technischer Innovationen in der Energie- und Verkehrstechnik. Umgeformte Blechbauteile vereinen Leichtbau, Crashsicherheit und Recyclierbarkeit im Fahrzeugbau.

Umformprozesse haben sich seit den Ursprüngen vor mehreren tausend Jahren kontinuierlich weiterentwickelt und den Bedarfen angepasst. Zu Beginn der umformtechnischen Metallverarbeitung wurden flexible manuelle Verfahren (Schmieden, Dengeln, Treiben) eingesetzt, bei denen das Prozessergebnis durch die manuellen Fertigkeiten und kognitiven Fähigkeiten des Menschen im Sinn eines Regelkreises beeinflusst wurde.

Im Laufe der Industrialisierung wurden Umformprozesse zunehmend auf Umformmaschinen durchgeführt und automatisiert. Hierbei blieb der Einsatz der Regelungstechnik überwiegend auf die Regelung der Bewegungsabläufe der Umformmaschinen beschränkt. Umformprozesse laufen somit hinsichtlich der Produkteigenschaften überwiegend gesteuert ab und können daher nicht oder nur sehr eingeschränkt auf Schwankungen in den Werkstückeigenschaften oder Störungen im Prozess reagieren. Für den Einsatz in resilienten Fabriken der Zukunft muss in der Umformtechnik der Übergang von gesteuerten zu geregelten Prozessen vollzogen werden, die sich auf veränderliche Randbedingungen und Störungen einstellen können. In Hinblick auf die Erhöhung der Ressourceneffizienz erscheint ein weiterer Schritt hin zur Eigenschaftsregelung von Umformprozessen erforderlich, um auch bei Schwankungen im Ausgangsmaterial und in den Prozessrandbedingungen Bauteileigenschaften innerhalb der jeweils geltenden Spezifikationen einzustellen und Ausschuss zu reduzieren. Die Herausforderungen für die Entwicklung eigenschaftsgeregelter Umformprozesse resultieren daraus, dass die Wirkung des Werkzeugs auf das Werkstück hochgradig nichtlinear sowie zeitlich und örtlich verteilt ist. Für eine Eigenschaftsregelung müssen Umformprozesse somit als örtlich verteilte und zeitlich veränderliche Systeme verstanden und auf ihre Regelbarkeit hin untersucht werden. Für das Design effizienter Regler muss der Umformprozess in seiner Wirkung auf die Produkteigenschaften mathematisch beschrieben werden und für eine systematische Entwicklung von Reglern zugänglich gemacht werden.

Wissenschaftliche Ziele

Ziel des Schwerpunktprogramms ist es, die wissenschaftlichen Grundlagen der prozessintegrierten Eigenschaftsregelung von Umformprozessen zu erforschen und neue Ansätze der Eigenschaftsregelung zu erproben und zu validieren. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Produktionstechnik ist die Eigenschaftsregelung von Umformprozessen als Emerging Field anzusehen. Für die Umformtechnik entsteht aus der Kooperation mit der Regelungstechnik erstmals die Möglichkeit, regelbare Umformsysteme methodenbasiert auszulegen und die für die Eigenschaftsregelung notwendigen Sensoren und Aktoren im Systemdesign zu berücksichtigen. Aus dieser Zusammenarbeit wird ein grundlegender Erkenntnisgewinn über die Gestaltung resilienter, mikrostruktur- und eigenschaftsgeregelter Umformprozesse erwartet.

Die Entwicklung eigenschaftsgeregelter Umformprozesse erfordert eine thematische Eingrenzung und Strukturierung der Forschungsarbeiten. Aus umformtechnischer Sicht soll eine Fokussierung auf Blech- und Massivumformverfahren für metallische Werkstoffe erfolgen, bei denen neben der Erzeugung einer vorgegebenen Bauteilgeometrie eine geregelte Eigenschaftseinstellung im Bauteil erfolgt. Bei der Warmumformung stehen hier die durch die Mikrostruktur bedingten Eigenschaften im Vordergrund. Bei den Kaltumformverfahren soll der Fokus auf Verfahren liegen, mit denen eine gezielte Einstellung eigenschaftsbestimmender Merkmale wie Härte/Verfestigung, Textur o.Ä. möglich ist. In der Prozesskette vor- und nachgelagerte Urform-, Trenn- und Fügeprozesse werden nicht behandelt. Verfahren der Randschichtbeeinflussung ohne makroskopische Umformung werden ebenfalls nicht gefördert. Wärmebehandlungen können im Sinne einer thermomechanischen Behandlung oder bei direkter Wärmebehandlung aus der Umformhitze untersucht werden.

In der ersten Phase des Schwerpunktprogramms wurden grundlegende Erkenntnisse über die Regelbarkeit bestimmter, für das spätere Produkt wesentlicher Eigenschaften in Umformprozessen gesammelt. Hierbei wurden Prozesse betrachtet, bei denen die Umformung eine unmittelbare Wirkung auf die Produkteigenschaften hat. In der ersten Phase wurde somit der Nachweis erbracht, dass Umformprozesse gezielt für eine Eigenschaftsregelung ausgelegt oder neu entwickelt werden können, dass Regelstrategien und neue Mess- und Aktorprinzipien in Werkzeuge und Umformmaschinen integriert und dass Softsensoren basierend auf schnellen, robusten Prozess- und Werkstoffmodellen bereitgestellt werden können, die im Rahmen der Eigenschaftsregelung zur Schätzung des Werkstückzustands eingesetzt werden.

Aus den Erkenntnissen der ersten Phase hat sich für die zweite Phase insbesondere die Zielsetzung ergeben, die Erforschung von Softsensoren und deren Integration in fortgeschrittene Regelungskonzepte für Umformprozesse zu intensivieren. Die Softsensoren sollen es ermöglichen, die für die Eigenschaftsregelung zentralen Größen (z. B. Mikrostruktur, Oberfläche) aus im Prozess messbaren Größen in Verbindung mit geeigneten Prozess- und Eigenschaftsmodellen zu schätzen und stellen daher eine Schnittstelle zwischen den am Schwerpunktprogramm beteiligten Disziplinen dar. In der zweiten Phase sollen neben den Grundlagen der Softsensoren, das heißt der Kombination von Messprinzip und Modell beziehungsweise Filter, insbesondere die Unsicherheiten der mit den Softsensoren vorhergesagten eigenschaftsbestimmenden Größen untersucht werden, sodass konkrete und quantifizierbare Aussagen über die Genauigkeit der Messungen mit Softsensoren gewonnen werden. Diese Informationen sollen in der Eigenschaftsregelung im Zusammenspiel mit den Fertigungsmitteln und der Anlagensteuerung geeignet berücksichtigt werden. Hierbei soll ergänzend zu den methodischen Entwicklungen untersucht werden, welche örtliche und zeitliche Auflösung der Eigenschaften im Zusammenspiel von Umformprozess, Regelungskonzept und (Soft-)Sensoren erzielt werden kann und wie diese durch die optimale Platzierung und Selektion von Aktoren und Sensoren verbessert werden können. Die zweite Phase hat somit zum Ziel, die Softsensoren und Regelstrategien zu validieren und die hinsichtlich der Regelung von Eigenschaften erzielbaren Verbesserungen zu quantifizieren sowie die fertigungstechnische Umsetzung zu verfeinern.

Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen konzentrieren sich dann die Arbeiten der dritten Phase auf die robuste Gestaltung, Auslegung und Optimierung der Umformprozesse, -anlagen und -werkzeuge im Sinne eines quantitativen Nachweises der Eigenschaftsregelung produzierter Bauteile und die Ableitung von Gestaltungsprinzipen eigenschaftsgeregelter Umformprozesse.

Im Rahmen des Schwerpunktprogramms sollen Arbeiten gefördert werden, die die Entwicklung eigenschaftsgeregelter Umformprozesse zum Ziel haben und deutlich über den aktuellen Stand der Technik hinausgehen. Hierzu sind Kooperationen zwischen Arbeitsgruppen unterschiedlicher Disziplinen anzustreben. In jedem Antrag soll die praktische Umsetzung des zu entwickelnden eigenschaftsgeregelten Umformprozesses und somit die Möglichkeit der praktischen Validierung der angestrebten Eigenschaftsregelung vorgesehen sein.

Nicht gefördert werden:

  • Arbeiten zur Regelung rein geometrischer Größen des Werkstücks oder zum Einsatz von Regelungstechnik zur Vermeidung von Defekten,
  • Arbeiten zu den der Umformung in der Prozesskette vor- und nachgelagerten Prozessen,
  • Arbeiten zur Randzonenbeeinflussung ohne Umformung,
  • nichtmetallische Werkstoffe,
  • Entwicklung von Sensoren für die Offline-Messung von Produkteigenschaften,
  • ausschließlich mess- oder regelungstechnisch orientierte Vorhaben sowie Werkstoff- und Prozessmodellierung ohne Einbindung in die Eigenschaftsregelung von Umformprozessen.
  • Arbeiten zur Offline-/run-by-run-Regelung oder zur Lösung von Optimalsteuerungsproblemen

Arbeitsprogramm und Arbeitskreise

Für die geregelte Eigenschaftseinstellung in Umformprozessen ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Umform- und Regelungstechnik notwendig. Das Ziel, Umformprozesse mit Eigenschaftsregelung zu versehen, führt zu originären Forschungsfragen in den beteiligten Disziplinen und zu neuen Arbeitsrichtungen in der interdisziplinären Zusammenarbeit. Zu deren Intensivierung wurden in der ersten Phase drei Arbeitskreise eingerichtet: zur Regelungstechnik, zur Umformtechnik und zur Messtechnik.

Antragstellung

Reichen Sie Ihren Antrag für die zweite Förderphase bitte bis spätestens 21. April 2021 bei der DFG ein. Die Antragstellung erfolgt ausschließlich über das elan-Portal zur Erfassung der antragsbezogenen Daten und zur sicheren Übermittlung von Dokumenten. Sofern Sie beabsichtigen, einen Neuantrag einzureichen, wählen Sie bitte unter „Antragstellung – Neues Projekt – Schwerpunktprogramm“ im elektronischen Formular aus der angebotenen Liste „SPP 2183 – Eigenschaftsgeregelte Umformprozesse“ aus.

Handelt es sich bei dem Antrag innerhalb dieses Schwerpunktprogramms um Ihren ersten Antrag bei der DFG, beachten Sie, dass Sie sich vor der Antragstellung im elan-Portal registrieren müssen. Ohne Registrierung bis zum 12. April 2021 ist eine Antragstellung nicht möglich. Bitte wählen Sie im Registrierungsformular bei den abschließenden Angaben ebenso wie bei der Antragstellung Ihr Schwerpunktprogramm aus der angebotenen Liste der Ausschreibungen aus. Die Bestätigung der Registrierung erfolgt in der Regel bis zum darauffolgenden Arbeitstag.

Antragstellerinnen und Antragsteller, die bereits gefördert werden und einen Fortsetzungsantrag stellen wollen, müssen den Antrag über die Registerkarte „Antragstellung – Antragsübersicht/Fortsetzungsantrag“ einreichen. Hier wird Ihr in der Förderung befindliches Projekt angezeigt, und Sie können Ihren Fortsetzungsantrag stellen.

Berücksichtigen Sie bitte beim Aufbau Ihres Antrags das DFG-Merkblatt 54.01 zu Sachbeihilfen mit Leitfaden für die Antragstellung und die Hinweise im Merkblatt Schwerpunktprogramm 50.05, Teil B. Bitte senden Sie ein weiteres Exemplar des Antrags in elektronischer Form an den Koordinator des Programms.

Das Antragskolloquium sowie die Begutachtung des Schwerpunktprogramms wird am 29./30. Juni 2021 stattfinden.

Weiterführende Informationen

Das elan-Portal der DFG zur Einreichung der Anträge finden Sie unter:

Die Merkblätter DFG-Vordruck 50.05 und 54.01 stehen unter:

Inhaltliche Fragen beantwortet Ihnen der Koordinator des Schwerpunktprogramms:

  • Professor Dr.-Ing. Markus Bambach, Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV
    Am Technologiezentrum 10, 86159 Augsburg
    Tel. +49 821 90678-0

Auskünfte zur Antragstellung bei der DFG erteilen: