Drittes Deutsch-Russisches Wissenschaftsgespräch im DWIH-Moskau

(25.05.12) Zum Abschluss des Deutsch-Russischen Wissenschaftsjahres lud das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH-Moskau), vertreten durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das Deutsche Historische Institut (DHI) zu einem Kamingespräch in die Bibliothek ins Hotel Baltschug. Auf Initiative der Freien Universität Berlin diskutierten Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler beider Länder mit dem Präsidenten der Hochschule, Prof. Dr. Peter-André Alt, über die Rolle ihrer Fachdisziplin bei der Modernisierung Russlands.

Die Geisteswissenschaften spielen in den Entwicklungsplänen von Schwellenländern bis zu großen Industrienationen meist nur eine untergeordnete Rolle. So bezieht sich auch der aktuelle Diskurs zur Industrialisierung Russlands stärker auf die Aufgaben anwendungsnaher und innovationsbetonter Wissenschafts- und Wirtschaftsbereiche. Das Gespräch mit Vertretern verschiedener Fachrichtungen diente dazu, Rolle und Funktion der Geisteswissenschaften in Deutschland und Russland zu erörtern und ihren Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung zu skizzieren - vor allem auch in der Kooperation zwischen beiden Ländern.

Tobias Stüdemann (FU Berlin, Leiter Verbindungsbüro Moskau), Prof. Peter-André Alt (FU Berlin, Präsident), Prof. Tatjana Ilarionova (Moderation), Dr. Jörn Achterberg (DFG-Moskau)

Tobias Stüdemann (FU Berlin, Leiter Verbindungsbüro Moskau), Prof. Peter-André Alt (FU Berlin, Präsident), Prof. Tatjana Ilarionova (Moderation), Dr. Jörn Achterberg (DFG-Moskau)

Als Moderatorin des Abends konnte Frau Tatjana Ilarionova von der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Staatsdienst beim Präsidenten der Russischen Föderation gewonnen werden, die zugleich als Chefredakteurin der wissenschaftlichen Humboldt-Zeitschrift “Russland und Deutschland” tätig ist. Da die Gesprächsteilnehmer aus unterschiedlichsten Fachrichtungen kamen, wurde das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. So waren neben Slavisten und Germanisten, Sprach-, Literatur- und Kommunikationswissenschaftlern, auch Geschichts- und Osteuropawissenschaftler sowie Ökonomen und Philosophen anwesend.

Insbesondere die beiden Historiker Klaus Gestwa (Universität Tübingen) und Denis Sdvizkov (DHI Moskau), die gemeinsam im DFG-Sonderforschungsbereich „Bedrohte Ordnungen“ (SFB 923) forschen, zeichneten ein sehr positives Bild der bilateralen Zusammenarbeit in ihrem Bereich. Zum Gespräch reisten mit Svetlana Potapova und Evgenij Kazartsev auch Linguisten aus Jaroslavl‘ und St. Petersburg an und ergänzten die Aussagen der Germanistin Tatjana Yudina von der Moskauer Lomonosov Universität. Vladislav Belov vom Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften (Zentrum für Deutschlandstudien) und Aleksej Kruglov von der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität (RGGU) brachten wirtschafts- und sozialwissenschaftliche sowie philosophische Aspekte in die Diskussion ein.

Konsens und Fazit des Abends war, dass sich die Geisteswissenschaften in beiden Ländern stärker in den öffentlichen Diskurs einbringen müssen, um besser wahrgenommen zu werden. Dazu bieten die diesbezüglichen bilateralen Kooperationen genügend ungenutztes Potential, das es zu heben und zu fördern gilt, um gemeinsam konkrete Fragestellungen anzugehen.

Die Deutsch-Russischen Wissenschaftsgespräche unter dem Dach des DWIH wurden von Vertretern der DFG und der Deutschen Botschaft in Moskau initiiert. Die Gesprächsreihe soll beim Besuch hochrangiger deutscher Vertreter aus Forschung, Bildung und Wissenschaftspolitik die Gelegenheit bieten, Perspektiven bilateraler Beziehungen zu diskutieren. Die Gesprächsrunden werden in einem Kreis von Experten mit Vertretern russischer Forschungsinstitute, Universitäten und Ministerien geführt.

Den Auftakt der Gesprächsreihe machten im Juni 2010 die Spitzen von DFG und RFFI, der Russischen Stiftung für die Grundlagenforschung, als die beiden Förderorganisationen in einen offenen Dialog zum Thema „Wissenschaft als Motor von Modernisierung und Innovation“ traten. Im Mai 2011 beteiligten sich im Rahmen der Eröffnungsveranstaltungen zum Deutsch-Russischen Wissenschaftsjahr zehn hochrangige Experten aus den führenden russischen und deutschen Wissenschaftsorganisationen und diskutierten gemeinsam mit der EU-Delegation zum Thema „Deutschland und Russland im europäischen Forschungsraum“.

Insofern bildet die Veranstaltung vom 18. Mai in mehrfacher Hinsicht einen gelungen Abschluss des bilateralen Wissenschaftsjahres. Zum einen setzte es formal die Reihe der DWIH-Rundgespräche fort und ergänzte inhaltlich mit einer Diskussion zu den „Geisteswissenschaften“ die vorausgegangen Themen. Zum anderen ist mit Herrn Prof. Alt der Präsident der deutschen Universität nach Moskau gereist, die am 22. Mai in Berlin die Abschlussveranstaltungen zum Deutsch-Russischen Wissenschaftsjahr 2011/12 ausrichtet. Schließlich war der Abend nicht nur der Schlusspunkt in einer Reihe von Veranstaltungen, die die DFG und ihre Partner vor Ort unter dem Dach des DWIH im Laufe des Jahres organisierten, sondern zeigte gleichsam Perspektiven für das im Juni beginnende „Deutschlandjahr in Russland 2012/13“ auf.