Für Sie gelesen: "Is It Time for a U.S. Department of Science?"

(09.07.21) In einem Beitrag für „The New Atlantis“ befasst sich M. Anthony Mills mit der Frage, ob die USA nun auch ein Wissenschaftsministerium brauche, nachdem Präsident Biden bereits dem Direktor des Office of Science and Technology Policy (OSTP) im Weißen Haus Kabinettsrang verliehen habe und eine Reihe erheblicher öffentlicher Neuinvestitionen in Forschung und Entwicklung beschlossene Sache zu sein scheine.

Der Autor ist Mitarbeiter des American Enterprise Institute, eines Think-Tanks in Washington, DC, der insofern konservativ ist, als er staatliches Handeln tendenziell eher als Ursache von Problemen denn als Teil von Lösungen ansieht. Die vom Autor aufgeworfene Frage wird folgerichtig verneint. Wenngleich seine Antwort erwartbar ist, so sind die von ihm genutzten Argumente lesenswert, teils, weil sie einen historischen Abriss der Rolle des Staates in der Entwicklung der USA zu einem Hochtechnologieland skizzieren, teils, weil die fragile Balance zwischen Zentralismus (zentripetale Kräfte) und Vielfalt (zentrifugale Kräfte) auch außerhalb der USA immer wieder diskutiert werden muss. An der Erhaltung der Vielfalt ist dem Autor sehr gelegen. Der Ist-Zustand mit den zahlreichen Forschungs- und Fördereinrichtungen, den Regulierungsbehörden, Ministerien mit Forschungsportfolio und der Vielzahl der in beiden Kammern des Parlaments mit Forschungs- und Finanzierungsfragen befassten Ausschüsse sei in der Tat gleichermaßen komplex wie verwirrend. Dennoch wäre eine Flurbereinigung per Konzentration von Zuständigkeiten und Finanzen in einem Wissenschaftsministerium, wie sie ein Beitrag im „Scientific American“ mit dem Titel „The U.S. Needs a Federal Department of Science and Technology“ vorschlage, weder effektiv, noch effizient.

Zur Begründung seiner These schaut Mills in die Vergangenheit und durch die Linse des Historikers A. Hunter Dupree, der mit den Worten zitiert wird: „Throughout American history the people who have been concerned with the relation of science to the national government have searched for some form of central scientific organisation.” Der jüngere Teil der Geschichte beginne mit dem wohl prominentesten Befürworter einer vom Bund finanzierten und gesteuerten Forschungspolitik in den USA, Vannevar Bush, dessen „Science – The Endless Frontier“ zur Gründungsurkunde der National Science Foundation (NSF) wurde. Er schreibt: „The NSF would be a brand-new executive agency, politically independent and staffed by scientists, that would oversee all federal research – a bureau of science, at last.” In der Tat sei aus der NSF allerdings kein Forschungsministerium geworden. Die NSF wurde neben den National Institutes of Health (NIH), den National Labs des Department of Energy, den Einrichtungen der Militärforschung und zahlreichen anderen Institutionen eine Einrichtung unter vielen in einem heterogenen System von Finanzierung und Forschung. Das mache die Stärke des Systems aus, nicht eine Zentralisierung.

Schließlich befasst sich der Autor mit dem prominentesten Gegenargument, dem Moonshot-Argument. Es besagt mit Rekurs auf den Wettlauf zum Mond, dass ein vielschichtiges Ökosystem von Forschung und Förderung den gegenwärtigen Herausforderungen vor allem im Wettbewerb mit China nicht effektiv genug entgegentreten könne. Angesichts des Kalten Krieges einen Pakt zwischen Regierung und Wissenschaft zu schmieden, sei durchaus nachvollziehbar, um den technologischen Wettlauf zu gewinnen, für den das Rennen zum Mond Aushängeschild gewesen sei. Aber es war eben nicht nur die Konzentration aller Mittel auf dieses Ziel, sondern auch eine Förderung der Wissenschaftslandschaft insgesamt: „[It] stimulated scientific research of all kinds, and inspired a generation of young researchers to pursue careers in science, mathematics, and engineering.“

Auf der anderen Seite habe der Schulterschluss von Wissenschaft und Politik während des Kalten Krieges freilich auch eine begründete Skepsis gegenüber einer neuen technokratischen Elite befördert, in der eine eigentlich als frei verstandene Wissenschaft zu sehr mit jeweils aktuellen politischen, ökonomischen und militärischen Zielen verwoben sei. Für Verfechter eines anders verstandenen gesellschaftlichen Fortschritts sei das Rennen zum Mond und dessen Ausgang weniger eine Quelle nationalen Stolzes als vielmehr ein „moondoggle“, also eine eklatante Verschwendung von Ressourcen.

Im Hinblick auf die gegenwärtig durch Covid-19 (akut) und Konkurrenz mit China (vermutlich schon chronisch) geprägte Situation warnt Mills schließlich davor, anstehende Entscheidungen im Krisenmodus zu treffen. Er wirbt vielmehr für den Gedanken eines vernünftigen Ausgleichs der zentripetalen Kräfte (Gesetzgeber) mit den zentrifugalen (Vielfalt des Forschungs- und Fördersystems) und schreibt: „As we emerge from our own war against Covid-19, today’s scientific advocates are following their predecessors’ lead in seeking a prominent place for science in our government. Will they, too, recognize the danger of aligning science too closely with federal power, and the need to preserve that institutional pluralism that has made the American research establishment so successful? The future of federal science may well depend on it.”