Für Sie gelesen: "How the COVID pandemic is changing global science collaborations"

(09.07.21) Am 16. Juni befasste sich Nature mit der Frage, ob Covid-19 internationale Forschungskooperation gebremst oder im Gegenteil beschleunigt habe, wie man vielleicht angesichts der Erfolge internationaler Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Impfstoffen vermuten sollte. Die Pandemie habe wegen der mit ihr verbundenen Reisebeschränkungen auf der einen Seite zwar neue Formen der Zusammenarbeit aufgezeigt und anekdotische Evidenz deutet in Richtung einer sehr ertragreichen Phase von Forschungskollaborationen, doch seien die Anreize zur Zusammenarbeit noch nicht überzeugend genug. Trudie Lang, eine klinisch arbeitende Lebenswissenschaftlerin an der University of Oxford und auf Fragen globaler Gesundheitsvorsorge spezialisiert, wird dazu mit den Worten zitiert: „The drivers and the rewards for team science just really aren’t there, yet.”

Um die wesentlichen Treiber der Internationalisierung zu verstehen, werfen die Autoren des Beitrags einen Blick zurück auf eine Untersuchung, die in den 1990er Jahren im Auftrag des US Office of Science and Technology Policy (OSTP) durch die RAND Corporation durchgeführt wurde. Sie zeigte nach Befragungen international kooperierender Forscher in den USA, dass etwa ein Drittel von ihnen international mobile Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren, die mit ihren jeweiligen Kolleginnen und Kollegen in den Heimatländern kooperierten; ein weiteres Drittel habe Kontakte zu Gastwissenschaftlerinnen und –wissenschaftlern in den USA zu Kollaborationen ausgebaut. 90 % der Kooperationen, so die wesentliche Einsicht der Studie, begännen „face-to-face or side-by-side“. Internationalisierung sei eine Funktion stärkerer Mobilität, also leichterer Reisemöglichkeiten, und durch das Internet deutlich verbesserter Kommunikationsmöglichkeiten.

Zwischen 2002 und 2020, so ein Schaubild, habe sich der Anteil von veröffentlichten Papers, die auf internationaler Kollaboration beruhten, von 14 % auf 24 % erhöht, von Papers, die auf einer Zusammenarbeit von Forschenden aus drei oder mehr Ländern beruhten, von 2 % auf 7 %. Ein wichtiger Faktor des Wachstums sei die Bedeutungszunahme Chinas innerhalb der globalen Forschung. Wenngleich dem weit überwiegenden Anteil der in China produzierten Papers keine internationale Kollaboration zugrunde liegt, sei es für „den Rest der Welt“ doch von zunehmender Bedeutung mit Forschenden im „Reich der Mitte“ zusammenzuarbeiten. Dieser Anreiz werde auch in einer Statistik zum Zusammenhang zwischen internationaler Kollaboration und Zitation deutlich, so deutlich, dass ein Paper, dessen Autoren Affiliationen in vier oder mehr Länder hätten, doppelt so häufig zitiert würde wie ein Paper mit Autoren von nur einer Einrichtung. Ob sich internationale Kollaboration allerdings auch in verbesserter Qualität niederschlage, könne dagegen nicht so deutlich entschieden werden. Eine diesbezügliche Untersuchung für den Bereich biomedizinischer Forschung habe keine Korrelation aufzeigen können.

Obgleich mit Covid-19 Forschende weltweit den Nutzen internationaler Zusammenarbeit hervorgehoben hätten, sei zwischen Frühjahr 2020 und Jahresende der Anteil international kollaborativer Papers deutlich zurückgegangen, von über 30 % auf 23 % bei Forschungsarbeiten zu Covid-19 und von 25 % auf 21 % in allen Fachgebieten. Dieser Widerspruch sei allerdings nur scheinbar. Blicke man auf die Bedeutung der beiden Zentren USA und China für die internationale Kollaboration, werde klar, dass derzeitige geopolitische Spannungen zwischen China und den USA sich statistisch deutlich auf das Gesamtbild niederschlagen würden. So habe etwa auf dem Gebiet der Virusforschung das Vereinigte Königreich (VK) im vergangenen Jahr China als bevorzugten Kooperationspartner US-amerikanischer Forschung überholt.

Insgesamt müsse allerdings betont werden, dass die explosionsartig gewachsene Popularität von Vorveröffentlichungen – im Bereich von Covid-19 von 5.000 Preprints in den ersten drei Monaten des Jahres auf mehr als 150.000 zum Ende des Jahres 2020 – eine statistisch genauere Erfassung von internationaler Kollaboration derzeit noch erschwere. Es heißt: „Preprints aren’t always included in the analyses, and comparing the massive infusion of coronavirus-related research with studies in other fields, many of which had to be put on hold owing to lockdowns, is difficult. The data also don’t typically capture industry collaborations and their impact.”