70. brasilianischer Botaniker-Kongress diskutierte aktuelle Probleme der Botanik und der Biodiversität

(06.11.19) Ein Thema, das der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der Gesellschaft allgemein besonders am Herzen liegt, sind unsere Umwelt und der Schutz unserer Wälder. Wir alle sind auf Pflanzen angewiesen und nutzen sie aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften als Lebensmittel, als Inhaltsstoffe in Arzneimitteln oder in Kosmetika. Häufig sind wir uns dabei gar nicht bewusst, in welchem Umfang wir pflanzliche Rohstoffe verwenden und welche Auswirkungen dies auf unsere Umwelt hat. Dieses und andere Themen standen auf der Tagesordnung des 70. brasilianischen Botaniker-Kongresses in Maceió, an dem auch die Initiative „Research in Germany“ teilnahm.

Eröffnung des Kongresses

© DAAD

Die traditionsreiche Veranstaltung der botanischen Gesellschaft (Sociedade Brasileira de Botânica), die vom 20. bis 25. Oktober zum zweiten Mal in Maceió stattfand, hatte die Bewahrung der Pflanzenvielfalt und den Schutz der Biome im Nordosten Brasiliens zum Hauptthema. Obwohl die Meeresbiome zunächst gar nicht im Blickpunkt standen, verstärkte die jüngste Ölpest an der Nordostküste Brasiliens die bereits bestehende Empörung noch weiter.

Während der Veranstaltung wurde vorgeschlagen, dass die botanische Gesellschaft Brasiliens zum Abschluss des Kongresses ein offizielles Schreiben an die brasilianische Regierung verfasst, in dem wirksamere Maßnahmen im Hinblick auf dieses Ereignis gefordert werden.

Zudem positionierten sich viele der an der Eröffnungsveranstaltung Teilnehmenden politisch und zeigten sich ablehnend gegenüber den jüngsten Kürzungen bei Forschungsgeldern und im Hinblick auf die Haltung der derzeitigen brasilianischen Regierung, die einer Delegitimierung der Wissenschaft, von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie deren akademischer Arbeit gleichkommt. Es gab außerdem einen Appell an die botanische Gemeinschaft, angesichts einer solchen Haltung standhaft zu bleiben.

In den Veranstaltungen des Workshops der Initiative „Research in Germany“, der im Rahmen des Kongresses stattfand, konnten brasilianische und deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich über ihre Erfahrungen in der Botanikforschung in Deutschland und die Finanzierungsmöglichkeiten von Forschungsprojekten austauschen. Prof. Dr. Thomas Stützel, Professor am Lehrstuhl für Evolution und Biodiversität der Pflanzen an der Ruhr-Universität Bochum, berichtete in seinem Vortrag über „Die Auswirkungen der Forschungskooperation zwischen Brasilien und Deutschland auf Wissenschaft und Forschung“. Dabei thematisierte er auch seine persönlichen Erfahrungen in der deutsch-brasilianischen Forschungsarbeit: Sie reichten mehr als 30 Jahre zurück, als Stützel mit einem DAAD-Forschungsstipendium nach Brasilien entsandt worden war. Mehrere gemeinsame Arbeiten mit brasilianischen Forscherinnen und Forschern folgten darauf, unter anderem mit Prof. Dr. Marcelo Trovó, der in der Botanischen Abteilung des Biologischen Instituts der UFRJ in Rio de Janeiro tätig ist und ebenfalls einen Vortrag auf dem Kongress hielt.

Trovó war als Postdoktorand in Deutschland und wurde dort von Stützel betreut. Er illustrierte die Erfahrungen der bilateralen Zusammenarbeit aus brasilianischer Sicht sehr anschaulich. Die beiden Wissenschaftler schlossen 2013 gemeinsam ein Projekt zur Struktur der Blütenstände bei Eriocaulaceae (Pfeifenwurzgewächse) ab, mit dem Stützel bereits im Jahr 1987 begonnen hatte. Trovó sprach über seine praktischen Erfahrungen mit der Forschung und über sein Leben in Deutschland. Er hob besonders positiv die unterstützende und anerkennende Haltung seines Betreuers während seines Postdoc-Stipendiums hervor, die eine lange Zusammenarbeit der beiden Wissenschaftler ermöglichte. Stützel habe langfristig gedacht, als er Trovó damals gestattete, die Forschung für zwei Monate ruhen zu lassen, damit dieser sich auf die Stelle eines ordentlichen Professors an der UFRJ bewerben konnte. Er sagte damals, dass es „für ihn wertvoller wäre, wenn ich in meinen Bewerbungsprozess investiere, um so eine langfristige Zusammenarbeit zu gewährleisten, als darauf zu bestehen, dass ich noch zwei Monate arbeitete, um zwei weitere Publikationen zu schreiben“, erläuterte Trovó anerkennend.

Viele der rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops hatten großes Interesse an Möglichkeiten zum Austausch, zur Forschung und zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit Deutschland. Die Vertreterinnen des DAAD, Graziele Lautenschlaeger, und der DFG, Dr. Kathrin Winkler, empfingen nach den Veranstaltungen viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kongresses zur individuellen Beratung.

Im Rahmen des Kongresses wurde auch die Graziela-Maciel-Barroso-Medaille an Professorin Dr. Maria Luiza Porto (UFRGS, DAAD-Alumni) verliehen, deren Karriere ebenfalls durch eine bedeutsame Zusammenarbeit mit Deutschland begründet wurde. Der Name der Medaille geht auf eine Botanikerin zurück, die die meisten brasilianischen Pflanzen katalogisiert hat.