23. High-Tech-Seminar profitiert von BRAGECRIM-Erfolg

Prof. Dr. Reiner Anderl und Prof. Dr. Klaus Schützer

© Ivan Jose Moretti

(18.10.18) Rund 140 deutsche und brasilianische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich Produktionstechnik und Advanced Manufacturing versammelten sich am 4. Oktober in Piracicaba im Bundesstaat São Paulo und diskutierten die Entwicklung intelligenter Produkte und damit verbundene Herausforderungen. Das Treffen fand im Kontext des jährlich durchgeführten High-Tech-Seminars statt und bot ein Forum für Forschende sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Industrie, die sich über den aktuellen Stand der Forschung informierten und Erfahrungen austauschten.

Der Organisator des Treffens, Prof. Dr. Klaus Schützer von der Methodistischen Universität Piracicaba (UNIMEP), betonte, dass der gleichberechtigte Dialog zwischen Wissenschaft und Industrie seit Beginn der Veranstaltungsreihe ein essenzieller Bestandteil des Seminars ist. Bislang waren über 22 Jahre hinweg 200 Vortragende aus Wissenschaft und Industrie sowie Forschungsförderer weltweit im Programm vertreten.

Genauso lange besteht bereits die Kooperation zwischen Prof. Dr. Schützer und Prof. Dr. Reiner Anderl von der Technischen Universität Darmstadt, der auch den Vortrag zur Eröffnung der Veranstaltung hielt. Noch wichtiger als die neuen Technologien im Rahmen von Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge, die in der Industrie Einzug gehalten haben, ist Anderl zufolge eine Veränderung der Strategien, die diesen Wandel begleiten. „Sowohl die Produktentwicklung als auch die Produktionstechnologien gehen in Richtung Individualisierung beziehungsweise Personalisierung und führen zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle“, erläuterte er.

Aktuell arbeiten Schützer und Anderl im Rahmen des Forschungsprojekts „Scope – Smart Components“ zusammen und untersuchen, wie intelligente Komponenten in ein ebenfalls intelligentes Produktionssystem integriert werden können. „Es gibt keine Trennung von Produkt und Produktion mehr, beide müssen eng miteinander verzahnt sein – Innovation in der Produktion ist unmöglich ohne innovative Produkte, einen entsprechenden Markt und Kompetenz im Fachbereich sowie im Management und Personalwesen“, führte Schützer aus. Das Vorhaben wird zudem von Prof. Dr. Eduardo Zanchi von der polytechnischen Fakultät der Universität São Paulo (USP) als Partner begleitet.

Das Projekt ist Teil des Forschungsverbunds BRAGECRIM (Brazilian-German Collaborative Research Initiative on Smart Connected Manufacturing), der seit zehn Jahren gemeinsam von CAPES und DFG finanziert wird. Das Netzwerk gehört zu den größten bilateralen Forschungsinitiativen, die von den beiden Förderorganisationen getragen werden. Beteiligt sind mehr als 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Universitäten und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen beider Länder, die seit 2008 kontinuierlich gemeinsame Projekte bearbeiten.

Das Interesse am Thema „Advanced Manufacturing“ war deutschen und brasilianischen Forschenden wie Schützer und Anderl bereits vor BRAGECRIM gemeinsam und führte schließlich dazu, dass die DFG und CAPES die Initiative angesichts des beträchtlichen Kooperationspotenzials und der Nachfrage vonseiten der Wissenschaftler einrichteten. Durch BRAGECRIM sollen bestehende Partnerschaften gestärkt und bislang überwiegend separat bestehende Projekte in einem kollaborativen Netzwerk gebündelt werden.

Basierend auf dem Erfolg der in diesem Jahr endenden Initiative veröffentlichten die beiden Forschungsförderorganisationen im April gemeinsam eine neue Ausschreibung zur Finanzierung bilateraler Projekte in den Bereichen Advanced Digitalization und Industrie 4.0. „Diese Initiative verdeutlicht, dass die Themen, mit denen wir uns seit einem Jahrzehnt beschäftigen, weiterentwickelt werden müssen. Mittlerweile steht nicht mehr nur der Fertigungsprozess an sich im Fokus, sondern die neue Herausforderung sind vernetzte und intelligente Produktionsprozesse“, erklärte Schützer. Für ihn und seinen deutschen Kollegen sowie auch für die anderen Forschenden im Rahmen von BRAGECRIM bot diese Bekanntmachung die Möglichkeit, neue Projektanträge einzureichen und die Kooperation fortzusetzen.

Neben der Stärkung und Konsolidierung bestehender gemeinsamer Vorhaben hat die BRAGECRIM-Initiative auch zum Aufbau neuer wissenschaftlicher Kontakte und Kooperationen beigetragen – wie im Fall von Prof. Dr. Henrique Rozenfeld von der ingenieurwissenschaftlichen Fakultät der USP in São Carlos, der ebenfalls in Piracicaba vortrug.

Rozenfeld war am BRAGECRIM-Verbund beteiligt und stellte im Rahmen der Ausschreibung „DFG-FAPESP Joint Workshops 2017“ einen erfolgreichen Antrag für die Initiierung einer neuen Kooperation. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Rainer Stark von der Technischen Universität Berlin untersucht er die zukünftige Gestaltung von Arbeitsprozessen in Unternehmen und Industrie, um daraus neue Modelle abzuleiten. „In ihren Aktivitäten folgen alle Unternehmen einem Modell, nämlich einem Arbeitsprozess. Wir kennen diese Abläufe zwar, aber sie sind im Wandel begriffen, und es ist grundlegend zu verstehen, wie Unternehmen in zehn Jahren arbeiten werden“, erklärte Rozenfeld.

Das Ergebnis der Ausschreibung waren Workshops in Berlin und São Carlos, bei denen sich deutsche und brasilianische Forscherinnen und Forscher zu diesem Thema austauschen konnten. „Es war eine sehr fruchtbare Veranstaltung, wir haben viel erfahren und ausgiebig diskutiert. Dabei wurde eine Liste mit Projekten erarbeitet, die wir zur Förderung einreichen möchten. Derzeit schreiben wir gemeinsam an Artikeln, um eine einheitliche wissenschaftliche Terminologie und Systematik zu diesem Thema zu gewährleisten“, so Rozenfelds Einschätzung.