Deutscher Vulkanforscher Gerhard Wörner hält Leibniz-Lectures in Argentinien und Chile

(24.09.18) Wer sich für Vulkane in den Anden interessiert, hatte in Chile und Argentinien die Möglichkeit, Vorträge des deutschen Geochemikers Prof. Dr. Gerhard Wörner zum Thema zu besuchen: Ende August war der Experte in Santiago und Buenos Aires auf Einladung des DFG-Büros Lateinamerika zu Gast. Wörner ist Professor an der Universität Göttingen und erhielt 1997 den Leibniz-Preis als Auszeichnung für seine renommierte Arbeit auf dem Gebiet der Vulkanologie, die Studien aus verschiedenen Regionen der Welt – von Russland bis zur Antarktis – umfasst. Die aktiven Vulkane der zentralen Anden, die Westbolivien, Südperu und Nordchile umfassen, gehören zur fachlichen Spezialisierung des Leibniz-Preisträgers und waren daher Thema der Vorträge, denen sowohl Fachleute als auch ein allgemein interessiertes Publikum folgten.

Die Leibniz Lecture in Santiago fand an der Universidad de Chile statt

© DFG

Während der Veranstaltungen stellte Wörner dem Publikum die verschiedenen Vulkanarten der Region vor und erläuterte den Zusammenhang zwischen der dortigen Vielfalt und der jeweiligen Entstehung der Vulkane. „Vulkanforschung ist wie das Studium von Menschen: Jede Vulkanart hat ihre typischen Eigenschaften und eine eigene Geschichte“, so der Wissenschaftler. Die Unterschiede hängen von der Magmazusammensetzung, den spezifischen Entstehungsprozessen sowie den Bedingungen für Schmelz- und Kristallisationsprozesse ab. Insbesondere im Hinblick auf Ausbrüche und der daraus resultierenden Risiken ist ein differenziertes Verständnis der magmatischen Prozesse somit von entscheidender Bedeutung.

Wörner zufolge sollte es allerdings weniger Sorge in Bezug auf das Risiko großer Katastrophen geben. „Als Geologen wissen wir mit der Zeit richtig umzugehen und mit derartigen Vorkommnissen ist in Abständen von Millionen von Jahren zu rechnen. So wissen wir heute, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen schwerwiegenden Ereignisses sehr gering ist. Die Regierungen sollten sich daher mehr um die wahrscheinlicheren und vermeidbaren Katastrophen wie zum Beispiel die Dürre kümmern, die wohl noch vor dem Ausbruch eines Supervulkans eintreten werden“, erklärte der Experte.

Mythen und Fakten

In Buenos Aires wurde Wörners Vortrag durch eine Präsentation des Geologen Prof. Dr. Gustavo Villarosa ergänzt, der das Thema in den argentinischen Kontext einbettete – das Land beherbergt stellenweise drei der vier aktiven Vulkanzonen der Anden. Villarosa ist stellvertretender Direktor des IPATEC-Instituts (Instituto Patagónico de Tecnologías Biológicas y Geoambientales) und erläuterte die jüngste geologische Geschichte Nordpatagoniens und die Auswirkungen der Ausbrüche auf die Region. In Bezug auf mögliche Risiken bestätigte er, dass das Besorgniserregendste für die Menschen der Ascheregen sei, der in großen Teilen Argentiniens vorkommt: „Es kommt zu Schäden an Gebäuden, da eine Schicht von einem Zentimeter nassem Ascheregen zu einem zusätzlichen Gewicht von 30 Kilogramm pro Quadratmeter führt. Abhängig von der mineralischen Zusammensetzung kann dieses Gewicht sogar noch zunehmen.“ Er erwähnte zudem die Auswirkungen auf die Sichtweite im Flugverkehr und Schäden an Schiffsmotoren.

Laut Villarosa erfordern durch Vulkane ausgelöste Gefahren verschiedene Maßnahmen: Bei effusiven Eruptionen, wie es zum Beispiel bei dem kürzlich ausgebrochenen Kilauea-Vulkan auf Hawaii der Fall war, kann die Bevölkerung zu Fuß evakuiert werden und die Auswirkungen sind lokal beschränkt. Explosive Eruptionen sind hingegen gewaltig und energiereich. Dadurch entstehen schnell Gase und Magmafragmente, die globale Dimensionen annehmen können. „Die Wissenschaft kann zur Prävention und Reaktion in Bezug auf derartige Phänomene beitragen“, bekräftigte er.

Wörner und Villarosa hielten ihre Vorträge am 24. August im Argentinischen Museum für Naturwissenschaften im Rahmen der Veranstaltung Leibniz Café – ein Format, das vom DFG-Büro Lateinamerika und dessen argentinischer Partnerorganisation CONICET gemeinsam entwickelt wurde. Zwei Tage später hielt Wörner seinen Vortrag erneut, dieses Mal an der Universidad de Chile im traditionellen Leibniz Lecture-Format der DFG.

Sowohl in Santiago als auch in Buenos Aires hatten Promovierende und Postdocs vor Ort die Gelegenheit zu einem Dialog mit dem deutschen Wissenschaftler. Die an der Universidad de Buenos Aires und Universidad de Chile durchgeführten Workshops umfassten Projektpräsentationen von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus dem Bereich Geologie und einen Austausch zu Erfahrungen und Herausforderungen im Forschungsalltag.

Leibniz Café in Buenos Aires: Gerhard Wörner, Gustavo Villarosa und die Wissenschaftsjournalistin Valeria Román, die die Veranstaltung moderierte

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Vulkane und Leben auf der Erde

Während der beiden Workshops sprach Wörner über den Zusammenhang zwischen geologischen Prozessen und der Entstehung von Leben auf der Erde. „Die Bildung von Kontinenten und seichtem Meer war notwendig, damit sich komplexe Lebensformen entwickeln konnten. Ohne die kontinentale Erdkruste wäre die biologische Evolution nicht bis zu intelligentem Leben hin fortgeschritten“, führte er aus und fügte hinzu, dass die Vulkane auch eine wichtige Rolle für die Lebensbedingungen auf der Erde spielen, die zunehmend dem starken menschlichen Einfluss ausgesetzt sind.

Der Vulkanologe erläuterte außerdem, dass nahezu das gesamte Kohlenstoffdioxid (CO2) der primitiven Erdatmosphäre heute in Felsen eingeschlossen ist, was sich durch chemische Verwitterung und Karbonatablagerungen in den Schelfgebieten begründen lässt. Vulkane tragen durch Freisetzen von CO2 zur Klimaregulierung bei. „Gegenwärtig geben wir allerdings mehr CO2 in die Atmosphäre ab als alle Vulkane zusammengenommen. Die jährlichen Emissionen übersteigen mittlerweile die Menge an Gas, die während der größten Flut überhaupt in der Permzeit freigesetzt wurde, um das dreißigfache. Durch die Nutzung fossiler Brennstoffe und die Rinderzucht für die Fleischproduktion entsteht derart viel CO2, dass diese Faktoren eine maßgebliche Rolle für die globale Erwärmung“, so der Experte.

Wörner traf in Chile und in Argentinien außerdem seine Kooperationspartner, mit denen er bereits umfangreiche Forschungsprojekte durchgeführt hat, und bescheinigte der Region weitreichendes Potenzial für neue Vorhaben mit Forschenden aus Deutschland im Bereich Geologie. Die unzähligen Möglichkeiten für Feldstudien in den Anden und die modernen Analyseverfahren in gut ausgestatten deutschen Laboren sind laut Wörner ein bewährtes Erfolgsrezept.