DFG präsentiert Förderprogramme bei Summer School der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Universität São Paulo

(29.09.17) Informationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sind rund eine Million Menschen weltweit von den sogenannten vernachlässigten Krankheiten betroffen, die so heißen, weil ihnen weder im nationalen noch im internationalen Gesundheitswesen Priorität zukommt. Sie breiten sich besonders stark in tropischen Gebieten und in den ärmeren Bevölkerungsschichten aus, die unter prekären hygienischen Bedingungen leben. Dies führt dazu, dass diese Krankheiten nebeneinander existieren und zum Großteil in ländlichen Regionen oder in städtischen Armenvierteln Fuß fassen – dort, wo die Bevölkerung wenig politische Sichtbarkeit und nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung hat. Die Forschung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) und der Universität São Paulo (USP) fokussiert sich daher unter anderem auf neue Behandlungen für diese Infektionen wie beispielsweise die Chagas-Krankheit, die Leishmaniose und das Dengue-Fieber.

Prof. Schmidt, der die Zusammenarbeit auf deutscher Seite koordiniert, stellte seine Forschungsarbeit vor

Prof. Schmidt, der die Zusammenarbeit auf deutscher Seite koordiniert, stellte seine Forschungsarbeit vor

Rund 40 Professorinnen, Professoren und Promovierende beider Hochschulen nahmen vom 11. bis 15. September an den gemeinsam organisierten Veranstaltungen in Ribeirão Preto – der Summer School „Science Beyond Borders: Actions Against Neglected Diseases“ und einem Workshop – teil. Das interdisziplinär ausgerichtete Programm umfasste Präsentationen von Forschungsarbeiten und Vorträge aus verschiedenen Bereichen, die mit dem Thema in Verbindung stehen. Die erste Veranstaltung dieser Art wurde im vergangenen Jahr in Münster durchgeführt.

Seit 2007 besteht ein institutionelles Kooperationsabkommen zwischen den beiden Einrichtungen, und 2015 wurde das Projekt „wwu.usp“ ins Leben gerufen – ein über den DAAD gefördertes, strategisches Partnerschaftsprojekt, das Maßnahmen zur Intensivierung der Beziehung zwischen den Hochschulen vorsieht. Das Thema „vernachlässigte Krankheiten“ gehört zu den Schwerpunkten der in diesem Rahmen bestehenden Forschungskooperation.

Laut Anja Grecko Lorenz, Leiterin des Brasilien Zentrums der WWU Münster in São Paulo, hat die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet bereits sehr gute Ergebnisse hervorgebracht. „Das Forschernetzwerk hat sich etabliert und konnte weiter ausgebaut werden. Darüber hinaus sind auch Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in die Arbeit eingebunden, und es werden gerade langfristige Forschungs- und Ausbildungsprojekte vorbereitet“, so die WWU-Vertreterin.

Kathrin Winkler präsentierte die Förderprogramme der DFG

Kathrin Winkler präsentierte die Förderprogramme der DFG

Der nächste Schritt besteht in der gemeinsamen Konzeption eines Internationalen Graduiertenkollegs unter Einbezug von Forscherinnen und Forschern beider Universitäten. Für die Auswahl geeigneter Finanzierungsinstrumente war daher ein Themenblock zur internationalen Forschungsförderung in den Workshop integriert, der unter anderem einen Vortrag von Dr. Kathrin Winkler, Leiterin des DFG-Büros Lateinamerika, beinhaltete. In ihrer Präsentation informierte sie über die Förderlinien der DFG für bilaterale Forschungsprojekte und ging außerdem auf bestehende Abkommen mit Partnerorganisationen für die Gegenfinanzierung auf brasilianischer Seite ein. Die Aussicht auf eine Antragstellung für ein Internationales Graduiertenkolleg bei der DFG und der FAPESP sorgte allgemein für Enthusiasmus, und Prof. Thomas Schmidt (WWU), einer der Koordinatoren der Zusammenarbeit, bekräftigte: „Die Veranstaltung an der USP war äußerst erfolgreich, und ich bin sicher, dass unser Vorhaben zur Einrichtung eines Ausbildungsprogramms für Promovierende auf dem richtigen Weg ist.“

Zu den erklärten Zielen der Forschungskooperation gehört die Entwicklung von wirksameren Medikamenten zur Bekämpfung der vernachlässigten Krankheiten. Da diese jedoch oft in Verbindung mit Armut stehen, fallen die Investitionen in neue und effizientere Produkte für einen Markt mit geringer Kaufkraft nicht sonderlich üppig aus. „Die Pharmaindustrie zeigt angesichts der zu erwartenden mageren Profite kaum Interesse“, lautete die Einschätzung von Prof. Fernando Costa von der pharmazeutischen Fakultät der USP in Ribeirão Preto.

Forschungsthema Entwicklung von Medikamenten auf pflanzlicher Basis

Forschungsthema Entwicklung von Medikamenten auf pflanzlicher Basis

Nach Ansicht der deutschen Pharmazeutin Mairin Lenz, Doktorandin an der WWU, gestaltet sich der Entwicklungsprozess für neue Medikamente zwar langsam, langfristig könnten aber gute Fortschritte erzielt werden. „Ich bin optimistisch. Wir arbeiten zum Beispiel viel mit natürlichen Substanzen pflanzlichen Ursprungs, was ein möglicher Weg zu neuen Medikamenten ist“, erklärte sie.

Prof. Schmidt wies außerdem darauf hin, dass folgende Faktoren in der Forschung zu berücksichtigen sind: Zum einen sollten die Medikamente kostengünstig für die Bevölkerung und weniger toxisch sein sowie wirksamer gegen die vernachlässigten Krankheiten werden, von denen Brasilien in vielen Fällen betroffen ist.

Dazu gehört auch die Chagas-Krankheit, die durch bestimmte Arten von Raubwanzen übertragen wird und die in der öffentlichen Wahrnehmung eher im Hintergrund steht. Der Biomedizinerin Dr. Mariana Bronzon (USP) zufolge ist diese Krankheit aber nach wie vor gefährlich, da sie während einer Schwangerschaft von der Mutter auf das Kind übertragen werden kann – eine Tatsache, die gesellschaftlich nicht weitreichend bekannt ist. Daten der WHO belegen, dass weltweit aktuell 7 Millionen Fälle der Chagas-Krankheit bekannt sind, davon entfällt eine Million auf Brasilien.