DFG und FAPESP kooperieren seit zehn Jahren

Leibniz Lecture von Frank Allgöwer im Rahmen der Feierlichkeiten

(12.12.16) Mehr als 100 Interessierte waren am 1. Dezember 2016 in den Räumlichkeiten der Forschungsförderorganisation des Bundesstaates São Paulo, FAPESP, zusammengekommen, um das zehnjährige Jubiläum der Zusammenarbeit zwischen DFG und FAPESP zu begehen. Die Veranstaltung wurde durch FAPESP-Vizepräsidenten, Eduardo Moacyr Krieger, den Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland, Axel Zeidler, den wissenschaftlichen Direktor der FAPESP, Carlos Henrique de Brito Cruz und der Leiterin des DFG-Büros Lateinamerika, Kathrin Winkler, feierlich eröffnet. Anlässlich des Jubiläums betonte DFG-Vizepräsident Frank Allgöwer in seiner Festrede das hervorragende und beispielhafte Verhältnis beider Förderorganisationen, die große Ähnlichkeit in Förderphilosophie und -prinzipien aufweisen: „Unsere beiden Organisationen haben eine gemeinsame Leitlinie. Ganz wesentlich für die Förderung von Projekten ist die wissenschaftliche Qualität und nichts anderes. Ein anderer Aspekt ist die geteilte Überzeugung, dass wissenschaftlicher Fortschritt und Erkenntnisgewinn nur durch eine gewisse Freiheit der Forschung erreicht werden kann und dass die erkenntnisgetriebene Forschung eine wesentliche Voraussetzung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung, für Innovation und neue Technologien ist.“ Carlos Henrique de Brito Cruz hob hervor, dass beide Organisationen gleichermaßen die Initiative der Wissenschaftler, der erkenntnisgetriebenen Forschung und eines Bottom-up-Prozesses in der Forschungsförderung wertschätzen, in der die wissenschaftliche Gemeinschaft nach reinen Qualitätskriterien darüber entscheidet, was gefördert wird und wie der Selektionsprozess stattfinden soll.

Eröffnung der Veranstaltung: Carlos Henrique de Brito Cruz (Wissenschaftlicher Direktor der FAPESP), Generalkonsul Axel Zeidler, FAPESP-Vizepräsident Eduardo Moacyr Krieger, DFG-Vizepräsident Frank Allgöwer, Kathrin Winkler (Leiterin des DFG-Büros Lateinamerika)

© DFG

Neben dem festlichen Teil war der besondere Höhepunkt der Veranstaltung die Leibniz Lecture von DFG-Vizepräsident Professor Frank Allgöwer. Unter dem Titel „Autonomous Cars, Smart Energy Distribution and Industry 4.0: Towards the New Cybernetics of the 21st Century“ erklärte der Leiter des Instituts für Systemtheorie und Regelungstechnik der Universität Stuttgart anhand höchst komplexer dynamischer Systeme die Notwendigkeit neuer Konzepte der Kybernetik und Regelungstheorie. Er demonstrierte, welche Rolle die Rückkopplung für das Verständnis und die Steuerung verknüpfter Netzwerke in komplexen Systemen spielen. Ob autonome Fahrzeuge, Schwarmrobotik, intelligente Fabriken und Städte oder Industrie 4.0 – all diese Bereiche sind von höchster Komplexität geprägt und arbeiten in verbundenen Netzwerken mit immer größer werdendem Automatisierungsgrad und wachsender Autonomie. Die damit verbundenen Herausforderungen sind ebenso komplex. So reichen sie von rein technologischen Anforderungen im Bereich Sensorik oder Verstärkung über Anforderungen an die Grundlagenforschung zum Verständnis dieser Systeme bis hin zur Entwicklung von Methoden zur Konstruktion jener Systeme. Nicht zuletzt spielen insbesondere vor dem Hintergrund rasanter technologischer und industrieller Entwicklungen zunehmend auch soziale und gesellschaftliche Aspekte eine Rolle bis hin zu der Frage, ob diese höchst komplexen autonomen Systeme irgendwann die Kontrolle über unser Tun übernehmen können. Allgöwer appellierte hierbei an interdisziplinäre Forschungsansätze, in denen Ingenieurwissenschaften und Naturwissenschaften mit den Sozial- und Geisteswissenschaften zusammenarbeiten sollten, um den Herausforderungen der Komplexität solcher Systeme gerecht zu werden.

Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis ist der wichtigste Forschungsförderpreis in Deutschland. Er ist mit bis zu 2,5 Millionen Euro dotiert und wird von der DFG jährlich an herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vergeben. Die Leibniz Lectures dienen als Format für den wissenschaftlichen Austausch und den Dialog zwischen den Preisträgerinnen und Preisträgern und weltweit tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie der interessierten Öffentlichkeit. Auch in Brasilien hat sich dieses Format, vor allem in Zusammenarbeit mit der FAPESP, als erfolgreiche Veranstaltungsreihe etabliert. Frank Allgöwers Leibniz Lecture war bereits die vierte, die vom DFG-Büro Lateinamerika in Brasilien organisiert wurde.

Neben der Leibniz Lecture wurden außerdem zwei Forschungsprojekte vorgestellt, die in den letzten Jahren von der DFG und der FAPESP gemeinsam gefördert wurden. Paulo Ruffino stellte die Arbeit des gemeinschaftlich geförderten Internationalen Graduiertenkollegs „Dynamische Phänomene in komplexen Netzwerken“ vor, das Anfang dieses Jahres seine zweite Förderphase begann. Ruffino ist seit Beginn des Graduiertenkollegs als Experte im Fachbereich Stochastische Dynamik an dem Kolleg beteiligt und gab interessante Einblicke aus Sicht eines beteiligten Wissenschaftlers. Als wichtige Merkmale dieses Förderprogramms nannte er neben der Interdisziplinarität die Gelegenheit für die Doktorandinnen und Doktoranden, schon in einer frühen Karrierestufe Erfahrungen in einem internationalem Forschungskontext zu sammeln, was neben internationalen Publikationen die Möglichkeit bietet, bleibende Kontakte im Partnerland zu knüpfen.

Luiz Navegantes von der Medizin-Fakultät der USP in Ribeirão Preto stellte das deutsch-brasilianische Forschungsprojekt „Role and Mechanism of Action of Anabolic Stimuli on Neuromuscular Trophicity“ vor, das er zwischen 2013 und 2015 gemeinsam mit seiner Kollegin Isis Kettelhut und dem deutschen Kooperationspartner Rüdiger Rudolf von der Hochschule Mannheim durchgeführt hat. Der Kontakt kam 2010 während der European Muscle Conference in Italien zustande, worauf gegenseitige Besuche und im Jahr 2012 der gemeinsame Antrag auf ein bilaterales Forschungsprojekt folgten.

Neben seiner Leibniz Lecture führte Frank Allgöwer Gespräche mit Vertretern der FAPESP und gab bei Interviewterminen Auskünfte zu seinen Forschungstätigkeiten und zu den zurückliegenden zehn Jahren der Kooperation der DFG mit der FAPESP. Das Interview mit der Agência FAPESP ist bereits in portugiesischer Sprache mit einem englischsprachigen Video verfügbar. Eine Veröffentlichung im Printjournal „Revista Pesquisa FAPESP“ ist für die Januar-Ausgabe geplant.

Abgerundet wurde die wissenschaftliche Festveranstaltung mit einem Abendessen in der Residenz des Generalkonsuls von São Paulo, Axel Zeidler, an dem etwa 40 Gäste aus Wissenschaft und Wissenschaftspolitik teilnahmen.

Zum Abschluss seines Besuchs in São Paulo hatte Frank Allgöwer zusammen mit Karin Zach, Leiterin der Gruppe Physik und Mathematik der DFG-Geschäftsstelle in Bonn, die Gelegenheit, das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH-SP), in dem das DFG-Büro Lateinamerika angesiedelt ist, zu besuchen. In einem Gespräch mit der Koordination des Hauses und seinen Partnern zeigte sich Professor Allgöwer von der hervorragenden kollegialen Partnerschaft und Zusammenarbeit begeistert.

Neben der Festveranstaltung mit der Leibniz Lecture gehören zum zehnjährigen Jubiläum auch zwei Ankündigungen an die wissenschaftliche Community: eine mit detaillierten Informationen zu den derzeitig gemeinsam zur Verfügung stehenden Förderinstrumenten, beginnend mit Anbahnungsinstrumenten, über bilaterale Forschungsprojekte bis hin zu beidseitig geförderten Koordinierten Programmen, wie beispielsweise dem oben vorgestellten Internationalen Graduiertenkolleg. Bei der zweiten Ankündigung handelt es sich um eine spezifische Ausschreibung für bilaterale Workshops, die Impulse für neue Kooperationen setzen und zur Vorbereitung neuer Projekte dienen soll.